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Preisinger: Entwicklungschanchen des Tourismus in TRNC


3. Einführung in das Untersuchungsgebiet und den Tourismus auf Zypern

3.1 Die Insel Zypern

Lage

Zypern ist mit 9251 km2 die drittgrößte Insel im Mittelmeer. Sie liegt auf dem 35. nördlichen Breitengrad und dem 33. östlichen Längengrad.

Abb. 5: Zypern und die Lage im östlichen Mittelmeer

Abbildung

Quelle: WELLENREUTHER, 1993, S.4

Der Umriß der Insel erinnert an die Form eines Rochen, dessen östliche Spitze sich bis auf 100 km an Syrien heranstreckt. Lawrence DURRELL beschreibt in seinem Roman "Bittere Limonen": "...er zeichnete den sonderbaren, schnauzenförmigen und recht reizlosen Umriß der Insel in den nassen Sand,... Die Herkunft des Namens ist unsicher. Manche behaupten der Name der Insel leite sich von dem Kupfer ab, das hier abgebaut wurde. Andere sagen, er rühre von der Form der Insel her, die einer eingesalzenen und zum trocknen an die Scheunentür genagelten Ochsenhaut ähnelt." Die Entfernung zum türkischen Festland beträgt 70 km, nach Ägypten 386 km.

Geotektonisch betrachtet gehört Zypern zu Kleinasien (WELLENREUTHER 1993, S.13). Die Bevölkerung und Kultur wird dagegen von Europa beeinflußt. "Den Küsten Kleinasiens und Syriens nahe vorgelagert, bildet sie den östlichen Vorposten des Okzidents im Orient" (WILHELMY 1962, S.7).

Im folgenden wird die naturräumliche Ausstattung der Insel vorgestellt, wobei die Schwerpunkte auf der Betrachtung der klimatischen Verhältnisse, der Vegetation und der Küstenformen liegen werden, da diese für den Tourismus vordergründig eine bedeutendere Rolle spielen als die anderen physisch-geographischen Parameter. Zudem kann auf ausführliche physisch-geographisch ausgerichtete Monographien über Zypern verwiesen werden. Einen guten Überblick über die Geologie, die Struktur, Morphogenetik und die Tektonik der Insel gibt u.a. SCHMIDT in zwei Werken (1959 und 1960).

Klima

Zypern liegt im Bereich der Winterfeuchten Subtropen, d.h. 2/3 aller Niederschläge fallen in den Monaten Dezember bis Februar während in den trockenen Sommermonaten Juni bis September nur 2 % des Gesamtjahresniederschlages fallen. Die Winterfeuchten Subtropen sind die kleinste Ökozone (1,8 % der Festlandsfläche) mit der stärksten Fragmentierung. Fünf relativ kleine, voneinander isolierte Vorkommen verteilen sich über die ganze Erde, und liegen sowohl auf der nördlichen, als auch auf der südlichen Hemisphäre zwischen 30O und 40O geographischer Breite, jeweils auf den Westseiten der Kontinente (SCHULTZ 1988, S.300). Für die Winterfeuchten Subtropen werden viele Begriffe in der Literatur synonym verwendet: Winterregenklimate, Sommertrockene Subtropen, Etesienklimate oder mediterrane Gebiete. Das Klima der Insel hat eine kontinentalere Ausprägung als das anderer Mittelmeerinseln aufgrund seiner geographischen Nähe zu den östlichen Nachbarländern (WELLENREUTHER 1993, S.22; SCHMIDT 1963, S.496).

Das Schaubild zum Jahresgang des mittleren Niederschlags zeigt deutlich das Winterregenmaximum, mit einer örtlichen Konzentration im Gebirge.

Abb. 6: Jahresgang des mittleren Niederschlags

Abbildung

Quelle: SCHMIDT 1963, S.497

Tabelle 3 (vgl. Kap. 4.1.1) zeigt, daß Girne und Gazimagusa Temperaturunterschiede aufweisen. Girne verfügt über ein maritimeres Klima als Gazimagusa. "Kyrenia an der Nordküste erscheint maritimer mit um 5oC geringeren sommerlichen Temperaturmaxima und Tagesunterschieden von nur 5-7oC während des ganzen Jahres" (SCHMIDT 1963, S.497). Da sich die regenbringenden Wolken im Bereich des Pentadaktylos konzentrieren, erhält Girne im Durschnitt eine höhere Niederschlagsmenge, wobei aber auch hier die Sommermonate als arid zu bezeichnen sind. In Gazimagusa fallen im Jahresdurchschnitt weniger Niederschläge als in Girne, wobei der Temperaturverlauf auch eine kontinentalere Ausprägung zeigt. Die Niederschläge werden im Hilarionkalk des Pentadaktylosgebirges gespeichert, so daß die Region um Girne über größere Wasservorräte verfügt.

Flora

Die ursprüngliche Pflanzenwelt ist nur noch in Resten erhalten. Die Wälder sind dem Raubbau oder den Ziegenherden zum Opfer gefallen. Unter britischer Herrschaft (1875-1960) kam es jedoch zu einer systematischen Aufforstung. Mit ca. 18 % Waldfläche ist Zypern heute die waldreichste der großen Mittelmeerinseln. Neben Aleppokiefern (Pinus halepensis) bestimmen Zypressen (Cupressus sempervirens), Johannisbrotbäume (Ceratonia siliqua), Eukalyptusbäume (Eucalyptus globulus), Ölbäume (Olea europea) hauptsächlich im Bereich von Girne und Bellapais, Feigenbäume (Ficus carica var. domestica), Dattelpalmen (Phoenix dactylifera) in der Region Gazimagusa und Lefke sowie Citruspflanzungen vorallem bei Güzelyurt das Bild der Insel. Aufgrund der günstigen mesoklimatischen Bedingungen im Pentadaktylosgebirge wurden hier hauptsächlich Zypressen aber auch Aleppokiefern angepflanzt. Die für den Mittelmeerraum typische Macchie befindet sich im Bereich der Karpas-Halbinsel. Außerdem beheimatet sind der orientalische Erdbeerbaum (arbutus andrachne L.) und verschiedene Eichenformen (Quercus coccifera L.) (SCHMIDT 1963, S.500). Auffallend in der zyprischen Landschaft ist der bis zu 3 m hoch werdende Fenchel und die amerikanische Agave (Agave americana). Die Insel ist außerdem reich an aromatischen Gewächsen und Heilpflanzen wie Thymian, Rosmarin, Lavendel und Jasmin.

Fauna

Auf Zypern sind ca. 300 verschiedene Vogelarten beheimatet, die sich hauptsächlich im Nordosten der Insel auf der Karpashalbinsel befinden. Erwähnenswert sind hierbei die Wander- und Turmfalken, Geier, Reiher sowie die Kaiseradler. Von besonderer Bedeutung sind die Meeresschildkröten, die grüne Schildkröte (Chelonia mydes) und die Unechte Karette (Caretta caretta), die an einigen Strandabschnitten Nordzyperns (vorallem im Bereich Alagadis an der Nordküste) von Juni bis August brüten (THIRGOOD 1987, S.38-40).

Küstenmorphologie

Während die anderen physisch-geographischen Parameter in der Literatur ausführlich behandelt wurden, fehlt eine detaillierte Übersicht über die Gestalt der zyprischen Küsten. Da die Küstenmorphologie in direktem Zusammenhang mit der Art und Beschaffenheit der Strände Nordzyperns steht, wird an dieser Stelle ausführlicher auf die Küsten eingegangen.

Die Nordküste vom Kap Kormakiti im Westen bis zum Kap Andreas im Osten ist nur gering gebuchtet. Da man sich hier in einem Hebungsbereich befindet, ist die Kliffbildung charakteristisch. Die unterschiedlichen Gesteinshärten bewirken eine Unterspülung im Brandungsbereich (Entstehung von Hohlkehlen). In Anlehnung an LOUIS/FISCHER (1979) befindet man sich im Bereich einer subtropischen Küstenzone. Im Unterschied zu den Küstengebieten in den gemäßigten Breiten, existieren hier "quasi horizontale" Küstenplattformen anstelle der seewärts geneigten Brandungsplattformen. Diese Tatsache ist auf festsitzende Kalkalgenriffe, verfestigten Beachrock und Äolianit (kalkhaltiger Dünensandstein) zurückzuführen, die widerstandsfähiger und witterungsbeständiger sind (LOUIS/FISCHER 1979, S.568). Es handelt sich hier um eine Längsküste, da sie in einem flach gegen Süden konvexen Bogen, parallel zum Streichen des Pentadaktylosgebirges verläuft (SCHMIDT 1956, S.270). Aufgrund der Küstenmorphologie ist es schwierig, an der Nordküste geeignete Badestrände zu finden. Vielmehr beherrschen Fels- und Kiesstrände, die nur z.T. von kleinen Sandbuchten unterbrochen werden, das Bild. "Die West-, Süd-und Ostküste werden in ihrem Verlauf durch flache Buchten zwischen kleinen Gebirgsvorsprüngen bestimmt" (WILHELMY 1962/63, S.8). Deshalb gibt es im Gegensatz zur Nordküste Nordzyperns an der Ostküste, zwischen Bogaz und Gazimagusa weite, flache Natursandstrände. Die feinsandigen Strände setzen sich auch am Südufer der Karpashalbinsel fort, wo man auf lange Strände mit hohen, weißen Dünen trifft. Abgesehen von Sandbuchten im Bereich von Yenierenköy und Dipkarpaz wird das Nordufer der Karpashalbinsel bis zum Kap Andreas (Zafer Burnu) von einer hohen Steilküste mit breiten Küstenterrassen bestimmt (SCHMIDT 1959, S.199).

Bevölkerung

In Nordzypern leben derzeit 166771 Menschen (Stand: 19.9.1993/Zensusdaten). Es muß darauf hingewiesen werden, daß es sich hierbei um keinen exakten Wert handeln kann, da die Statistiken Nordzyperns erhebliche Mängel und Ungenauigkeiten aufweisen. HAHN/WELLENREUTHER (1992) verweisen auf die Fehlerquellen innerhalb der Statistiken, die zum einen auf Unerfahrenheit im Umgang mit statistischem Material aber auch auf bewußte Manipulation aus politischen Gründen zurückzuführen sind. WELLENREUTHER (1995) verweist zudem auf die Schwierigkeiten bei der Erfassung der beiden wichtigsten Bevölkerungsgruppen, den Zyperntürken und Türken. Er geht davon aus, daß sich heute die Zyperntürken bereits numerisch in der Minderheit befinden (64000) im Verhältnis zu den eingebürgerten Anatoliern (45000), den legalen und illegalen Arbeitsimmigranten aus der Türkei (29460) sowie den türkischen Studenten (6600).

Neben den Minderheiten (Zyperngriechen und Maroniten) lebten noch 351 Ausländer mit ständigem oder temporären Wohnsitz in Nordzypern sowie in zunehmendem Maße Arbeitsimmigranten aus Dritte-Welt-Ländern (Wellenreuther 1995).

Der Islam ist Staatsreligion in Nordzypern.

Hinsichtlich der räumlichen Verteilung lassen sich bipolare Strukturen erkennen. Während die Zyperntürken eher im urbanen Raum angesiedelt sind, wohnen die eingebürgerten Anatolier verstärkt im ländlichen Raum.

3.2 Die Entwicklung des Fremdenverkehrs vor dem Hintergrund der wechselvollen Geschichte

Zyperns Lage im östlichen Mittelmeer ist der Grund für die wechselvolle Geschichte der Insel. Seit der neolithischen Revolution im 6. Jahrtausend v. Chr. im Gebiet des Euphrat und Tigris, einem der späteren Sitze der Hochkulturen, war der Nahe Osten und mit ihm Zypern in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. MAIER (1982) bezeichnet den Nahen Osten als Kernraum und als großes Begegnungsfeld der Weltgeschichte. Ägypter, Philister, Assyrer, Babylonier, Griechen, Römer, Byzantiner und Osmanen haben abwechselnd die Insel beherrscht und deren Geschichte in entscheidender Weise mitgeprägt (MAIER 1982, S. 17). Fremdbestimmung war und ist somit in der zyprischen Geschichte ein wichtiger Tatbestand.

Im folgenden soll nun ein kurzer Abriß über die bedeutendsten historischen Ereignisse gegeben werden. Dabei muß auf eine detaillierte Übersicht verzichtet werden mit dem Hinweis auf die Fülle umfangreicher, die Historie der Insel thematisierender Publikationen. Das Augenmerk soll auf die Entwicklungen, die für den heutigen Tourismus von Bedeutung sind, gerichtet werden. Dies impliziert zum einen die Geschehnisse, die entscheidend den Volkscharakter der Inselbewohner geprägt haben, zum anderen die historische Einordnung der baulichen Überreste jener Epochen. Gerade die kulturellen Zeugnisse scheinen ein wichtiges Reisemotiv darzustellen. Mit dem Beginn der britischen Herrschaft soll dann der "moderne" Tourismus und seine Entwicklung bis zum heutigen Tag einer quantitativen und qualitativen Analyse unterzogen werden, um abschließend die Interdependenz zwischen politischem Konflikt und Tourismus zu untersuchen.

Die byzantinische Zeit (330-1191)

Die Epoche der Byzantiner als Erbe des spätrömischen Staates dauerte ca. 700 Jahre und hat aufgrund ihrer Länge, ihrer spezifischen Sozialstruktur (Zweiklassen-System), aber auch durch die an Macht gewinnende, christliche Kirche, die Kultur der Zyprioten in entscheidendem Maße beeinflußt. Während der ersten 300 Jahre, die als friedlich galten, wurde Salamis, das bereits im 11. Jhdt. v. Chr. gegründet worden war, wieder Provinzhauptstadt. "Als Constantia war Salamis Sitz des Gouverneurs, Handelszentrum und bald auch kirchliche Metropole der Insel" (MAIER 1982, S. 75). Die rege Bautätigkeit in Salamis war Beweis für einen, im Gegensatz zum "Westen", prosperierenden "Osten". Im 4. Jhdt. kam es zur Christianisierung der Inselbewohner. Zypern wurde kirchlich unabhängig. "...darüber hinaus legte die Kirche, in der durch sie geprägten religiösen und kulturellen Einheit der Inselbewohner, den Grund für alles spätere Selbst- und Gemeinschaftsbewußtsein der griechischen Cyprioten" (MAIER 1982, S. 80). Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, daß Zypern eher zum Schmelztiegel all seiner Bewohner wurde, d.h. das Griechentum beruht nicht auf rassischen Merkmalen oder Blutsbanden, sondern auf der Prägekraft des byzantinischen Kulturmilieus. Zu den wichtigsten Bauten der frühbyzantinischen Zeit zählen die sakralen Gebäude in Kyrenia, Lambousa/Lapethos sowie das Kloster Barnabas. Der Blütezeit der frühbyzantinischen Kultur folgten Jahre des Kampfes gegen die Araber. "In achtzig Jahren war unter dem Antrieb kriegerischer Religion aus dem geschichtslosen Vakuum Arabiens ein Weltreich entstanden, das die politische Gestalt der alten Mittelmeerwelt und des Nahen Ostens völlig veränderte..." (MAIER 1982, S. 83) und den Islam nach Zypern brachte. Das Entscheidende für Zypern war der Gewinn an strategischer Bedeutung, aus der Binnenlage hin zu einer Frontsituation. Diese Tatsache sollte sich im Laufe der Geschichte noch öfter wiederholen. Einer drei Jahrhunderte andauernden Kriegsperiode, in die die Zerstörung Salamis fällt, folgte im 9. Jhdt. ein erneuter Aufstieg von Byzanz. Bezeichnend für diesen Geschichtsabschnitt war das Wüstfallen von Städten mit alter Tradition wie z.B. Soli ebenso wie die Gründung der späteren Hauptstadt Nikosia (Leukosia) und dem Bau der drei Bergfestungen: St. Hilarion, Buffavento und Kantara. Im 12. Jhdt. setzte der allmähliche Niedergang des Reiches ein. Die Kreuzfahrerstaaten waren entstanden und Zypern wurde wichtige Station im Pilgerverkehr und Handelsknotenpunkt. 1191 wurde die Herrschaft von Byzanz durch den Kreuzfahrer Richard Löwenherz beendet (MAIER 1982, S.73-92).

Das Königreich der Lusignans (1191-1489)

Das mittelalterliche französische Königreich Zypern war die einzige Epoche wirklicher Unabhängigkeit. Zypern avancierte zu einer "ernstzunehmenden, politischen Größe" im Ostmittelmeerraum (MAIER 1982, S.94) und erlebte eine Blütezeit in handelspolitischer wie in kultureller Hinsicht (gotische Bauten). Mit dem Ausbau der Burgen, St. Hilarion war zur wichtigsten Bergfestung geworden, nahmen die Lusignans Einfluß auf die Landschaft und ebenso auf die zyprische Mentalität. Zwischen den lateinischen Herrschern und byzantinisch-orientalischen Bewohnern herrschte jedoch eine große Kluft, so daß letztendlich der innere Zerfall und nicht der Islam für das Ende des Reiches verantwortlich waren. Die unterschiedlichen Interessen der christlichen Seefahrernationen trugen ebenfalls zum Untergang bei.

Die Venezianer (1489-1571)

Die Venezianische Regierungsgewalt auf Zypern war nur von kurzer Dauer, "die Herrschaft der Signorie di S. Marco akzentuierte aber nocheinmal die Rolle der Insel als Außenposten Europas im Orient " (MAIER 1982, S. 129). In die venezianische Zeit fiel das Schleifen der drei Bergfestungen, Kyrenia wurde zur Artilleriefestung umgebaut, Famagusta durch Ummauerung verstärkt und Nikosia erhielt einen konzentrischen Festungsring. Trotz starker Verteidigungsanlagen konnten die Venezianer den Angriffen der Osmanen nicht standhalten.

Zypern unter osmanischer Herrschaft (1571-1878)

"Keine andere Epoche trug so nachhaltig dazu bei, das Schicksal des heutigen Cypern zu formen" (MAIER 1982, S.145). Im Jahre 1571 kapitulierten die Städte Famagusta und Nikosia. Für die Zukunft der Insel bedeutete dies einen gravierenden Wandel in kultureller wie sozioökonomischer Hinsicht (MAIER 1982, S.147f.; WELLENREUTHER 1993, S.26f.). Positive Impulse gingen von der Religionsfreiheit (Erneuerung der autokephalen Kirche und Etablierung des Ethnarchats 1754) und der Bauernbefreiuung aus, das Steuer-Pacht-System wirkte sich jedoch verheerend für das Land aus.

Neben ca. 20000 stationierten türkischen Soldaten war die gezielte Ansiedelung vorallem von Anatoliern von Bedeutung, mit der Konsequenz, daß nach dem Ende der osmanischen Herrschaft, Türken als permanenter Bevölkerungsbestandteil das Leben der Insel mitbestimmten (MAIER 1982, S. 161; TATLI 1986, S. 23). Die fehlende Assimilation der Türken und Griechen manifestierte sich u.a. in der Physiognomie der Städte, die segregierte Wohnquartiere aufwiesen. Bauliche Zeugnisse aus dieser Epoche stellen die mit Minaretten überbauten lateinischen Kirchen dar, wie z.B. die Lala Mustafa-Moschee in Gazimagusa, die Selimiye-Moschee in Lefkosa sowie die im 18. Jhdt. erbaute Achmed Pascha Moschee. Der Mevlevi Tekke, vom Orden der tanzenden Derwische erbaut, der Büyük Khan (16. Jhdt.) und der Kumarcilar Khan (17. Jhdt.) sind weitere Überreste dieser Epoche. Mit dem dritten Russisch-Türkischen Krieg (1768-1774) begann der Zerfall des Reiches. Nach einer kurzen ökonomischen Erholungsphase zu Beginn des 19. Jhdt., bekundeten die europäischen Großmächte ihr Interessse an Zypern. Besonders Großbritannien, an der Erhaltung des Status Quo, dem Bestehen des osmanischen Reiches als Bollwerk gegen serbisch-russische Expansionsbestrebungen, interessiert, sah seine Interessen im letzten Russisch-Türkischen Krieg gefährdet. 1878, noch vor der Berliner Konferenz, wurde Zypern vom Osmanischen Reich zur Verwaltung und Besetzung an England übergeben. Dieser Vorgang zeigt, inwieweit Zypern als Spielball der Großmächte fungierte.

Zypern unter britischer Herrschaft (1878-1960)

Zu Beginn des ersten Weltkrieges wurde Zypern schließlich von England annektiert. Im Vertrag von Lausanne 1923 erkannte die Türkei offiziell diesen Tatbestand an. 1925 erhielt Zypern den Status einer britischen Kronkolonie.

Die folgenden Ereignisse haben die Entwicklung in sozialer und ökonomischer Hinsicht entscheidend beeinflußt. Die Enosis-Bewegung der griechischen Zyprioten in den 30er Jahren war gegen die britische Herrschaft gerichtet. Die Unnachgiebigkeit Englands führte zu blutigen EOKA-Kämpfen, in die in zunehmendem Maße auch die bis dahin neutralen türkisch-zyprischen Bevölkerungsgruppen hineingezogen wurden und sich im Gegenzuge zur Enosis für Taksim (= Teilung der Insel) stark machten (TATLI 1986, S. 25f.).

Während der britischen Ära war Zypern für die auf der Insel lebenden oder im östlichen Mittelmeerraum ansässigen Engländer zu einem wichtigen Feriendomizil geworden. Hinzu kamen Angehörige der Oberschicht aus den umliegenden Nahostländern.

Abb. 7: Verteilung der Fremdenankünfte in Zypern 1938


Quelle: HEINRITZ 1972, S. 268; eigene Darstellung

Bevorzugte touristische Region war das Troodos-Gebirge mit den "hill-resorts" für die "Sommerfrische". Das erste Hotel auf Zypern wurde von einem Engländer in Platres gebaut. Zu erwähnen ist die Tatsache, daß es neben den "hill-resorts", die den Kolonialherren vorbehalten waren, die "minor hill-resorts" für die einheimische Bevölkerung gab, die weniger luxuriös ausgestattet waren. Zu Beginn des 20. Jhdt. begann sich der Fremdenverkehr auch in den Küstenregionen zu entwickeln Dieser war gerade bei der englischen Bevölkerung, die vor den naßkalten Wintern in Großbritannien flüchtete, beliebt. Kyrenia nahm dabei die führende Rolle ein (HEINRITZ 1972, S.267f). Insbesondere das Dome Hotel hatte einen legendären Ruf im gesamten Empire (Gespräch mit einem englischen Touristen in Nordzypern im April 1994). Quantitativ betrachtet, überwogen die einfacheren, meist als Familienbetrieb geführten Hotels. Die Karte (s. Anhang 5) thematisiert neben der regionalen Dominanz der "hill-resorts" auch das Übergewicht der einfacheren Hotelkategorien.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Besitzstruktur der touristischen Einrichtungen, da sie für die Entwicklung des Fremdenverkehrs nach 1974 in beiden Teilen der Insel von Bedeutung waren. "Neben einigen Engländern, die mit einer kleinen Erbschaft, einer Abfindung oder erspartem Kapital nach Zypern kamen und hier ein Hotel eröffneten, waren es vor allem griechische Zyprer, die nicht selten nach längerem Auslandsaufenthalt in ihre Heimat zurückgekehrt, ihre Ersparnisse in die Errichtung eines kleinen Hotels investierten" (HEINRITZ 1972, S. 268). Vor 1950 spielte der Tourismus aber eine eher untergeordnete Rolle. In den folgenden Jahren versuchte man, den unzureichenden Hotelbestand in qualitativer wie quantitativer Hinsicht zu verbessern. Dem Trend des international immer mehr an Bedeutung gewinnenden Tourismus in Küstenregionen mußte Rechnung getragen werden. Der Bau von Luxushotels wurde vorangetrieben, hinzu kam eine räumliche Umverlagerung aus der Gebirgsregion an die Küsten (HEINRITZ 1972, S.270).

Der EOKA-Terrorismus von 1955-58 hat sich auf die Entwicklung des Tourismus in großem Maße ausgewirkt. "Lawrence Durrell's observation of the debilitating effect of the EOKA campaign on tourism (among other things) in the middle of the last decade of British rule in Cyprus was to presage for tourism a career chequered by disruption in an island which, though ideal for tourism, was in the mid -1950s only just waking up to its possibilities" (MARTIN 1993, S.337). Auch wenn der Ausbau des Fremdenverkehrssektors aufgrund der EOKA-Kampagne, die gerade auch in den traditionellen Fremdenverkehrsregionen der hill-resorts agierten, bis 1960 vertagt wurde, war man sich doch der Bedeutung dieser Branche zu jeder Zeit bewußt. WILHELMY (1962) erkannte die großen Zukunftsaussichten des Fremdenverkehrs, wobei an die Stelle der Familien englischer Offiziere andere Touristen aus Europa und den anderen Erdteilen treten würden.

Zusammenfassend kann man für die Entwicklung des Tourismus zwischen 1950 und 1960 einen langfristig positiven Trend nachweisen, der aber von politisch wie auch ökonomisch bedingten Zäsuren in seiner Kontinuität gehindert wurde.

3.2.1 Entwicklungstendenzen nach der Unabhängigkeit

1960 entließ England Zypern in die Unabhängigkeit. Das Scheitern der Verfassung führte bereits am 21.12.1963 in Nikosia zu Kämpfen zwischen den beiden Volksgruppen, die in der Enklavenbildung gipfelten. Ein wichtiger Zufluchtsort für die türkisch-zyprischen Bevölkerungsteile wurde das Gebiet um Kyrenia, da hier gemäß Londoner Abkommens türkische Schutztruppen stationiert waren (TATLI 1986, S. 55). 1964 erreichten erste UN-Truppen die Insel. Die heißen Phasen der Kämpfe waren die Zeit vom 7.-9.8.64, als türkische Jagdbomber in die Geschehnisse eingriffen (MATHIOPOULOUS 1972, S.149) sowie die letzten Monate des Jahres 1967, als Folge des vorangegangenen Militärputsches in Griechenland, der einen Bruch zwischen Nikosia und Athen einleitete. Jene Kluft gipfelte im Putsch des griechischen Militärs gegen Makarios 1974 und leitete die Intervention der türkischen Armee am 20.7.1974 ein, die die Teilung der Insel zur Folge hatte.

"Mit der Erlangung der Unabhängigkeit im August 1960 erhielten die Zyprioten das Recht und die Pflicht, ihre eigene Wirtschaftspolitik selbst zu bestimmen (HAHN 1982, S. 73). Seit 1962 treten Fünfjahrespläne in Kraft, die die Wirtschaftspolitik und ihre Rahmenbedingungen zum Inhalt haben. Im Rahmen des zweiten Fünfjahresplanes (1967-1971) wurde eine Förderungssumme für den Tourismus mit 8,2 % der angestrebten Investitionen der öffentlichen Hand (von insgesamt 66,6 Mio. C£) deklariert (HAHN 1982, S. 83). Im dritten Fünfjahresplan (1972-1976), der wegen der Ereignisse vom Juli 1974 nicht mehr zum Tragen kam, wurde ebenfalls dem Ausbau des Fremdenverkehrs große Bedeutung beigemessen.

In die Zeit zwischen der Unabhängigkeit und 1974 fallen wichtige, den Fremdenverkehr und seine Entwicklung betreffende Ereignisse. Von Bedeutung ist vorallem die räumliche Verlagerung des Fremdenverkehrsschwerpunktes von Kyrenia nach Famagusta.

Entgegen der Aussagen eines von der Regierung nach der Unanbhängigkeit in Auftrag gegebenen Gutachtens zur Ermittlung förderungswürdiger Regionen, konnte sich Famagusta aufgrund seiner günstigen naturräumlichen Ausstattung, einem natürlichen Sandstrand, geringen Niederschlagsmengen und dem Vorteil einer kostengünstigeren, infrastrukturellen Erschließung, seine Dominanz schnell sichern. HEINRITZ (1972) führt die zuletzt genannten Vorteile auf die Eigentümerstruktur zurück, die sich überwiegend aus griechisch-zyprischen Privatbesitzern rekrutierte. Hotelprojekte mittlerer Kategorie konnten noch von privater Hand finanziert werden, die angestrebten "mushroom-resorts" entzogen sich aufgrund ihrer Kapitalintensität weiteren Überlegungen. Infolge der besonderen Grundstücksbemessung (nicht nach qm, sondern nach laufendem Meter Strandlänge) kam es zu einer extrem intensiven baulichen Nutzung. "So stehen nicht selten sechs- bis achtgeschossige Hotels und Appartment-Hochhäuser nur 5 bis 6 m breit, aber bis zu 25-30 m lang, dicht an dicht, nur durch einen wenige Meter breiten Durchgang zum Strand voneinander getrennt..." (HEINRITZ 1972, S. 273). Die angestrebte Qualitätsteigerung bei den neuen Projekten führte zu verbesserten Vertriebschancen im europäischen Ausland, wobei Skandinavier und Deutsche (dieser Tatbestand ist heute noch gültig) die Gästeliste anführten. Auslastungskapazitäten bis zu 50 % konnten erreicht werden.

Die folgende Tabelle verdeutlicht die schnelle Entwicklung Famagustas.

Tab. 1: Entwicklung der Bettenkapazität zwischen 1960 und 1974

Jahr
Famagusta
Kyrenia
Nikosia
1961
157
K.A.
1000
1974
9619
2917
2030

Quelle: HAHN 1982, S.94

Der rasche Aufschwung Famagustas, der auf die veränderten Strukturen und Ansprüche im internationalen Tourismus zurückzuführen war, verursachte große Probleme, die die infrastrukturelle Erschließung einzelner Hotelprojekte, wie den Ausbau der Kanalisation oder die Trinkwasserversorgung, betrafen. Die Entwicklung Famagustas muß im Zusammenhang mit den bestehenden Enklaven gesehen werden. Die Hälfte der türkischen Zyprioten lebte seit 1964 in den Enklaven, die überwiegend im Nordosten und im Südwesten der Insel entstanden waren. Die größte Enklave befand sich zwischen Nikosia und Kyrenia. Der 12 km von der Hauptstadt entfernt liegende internationale Flughafen war in griechisch-zyprischer Hand, ebenso wie alle Häfen der Insel. Negativ für den Tourismus erwies sich die Tatsache, daß die Straßenverbindung Nikosia-Kyrenia durch das Gebiet der türkischen Enklave führte. Mit dem Flugzeug angereiste Gäste wurden unter UN-Aufsicht in Konvois zu ihren Hotels in Kyrenia gebracht (HAHN 1982, S.52-56), wohingegen die Straße zwischen Nikosia und Famagusta frei befahrbar war. Ende der sechziger Jahre wurde deshalb eine neue, östlich der Enklave verlaufende Paßstraße, die die Mesaoria mit der Nordküste verbindet, gebaut.

Kyrenia, noch in den 50er Jahren führender Tourismusort, der zwar über wenig günstige Bademöglichkeiten verfügte, dafür aber in einer reizvollen Landschaft gelegen war, hatte an Bedeutung verloren. Im nahe Kyrenia am Berghang gelegenen Dorf Karaman, einem beliebten Alterswohnsitz der Engländer, kam es aufgrund der Unruhen von 1963/64 zum Wegzug der ansässigen Briten. Erst mit Beruhigung der Lage stieg die Beliebtheit Kyrenias als Fremdenverkehrsort wieder. Neue Fremdenverkehrskonzepte, wie z.B. der Verkauf oder die langfristige Vermietung von Ferienbungalows innerhalb von Ferienanlagen an Privatleute, hat die Zahl der Touristen wieder steigen lassen. Als Vorreiter solcher Projekte fungierte das in Bellapais gelegene Ambelia Village.

Das psychologische Moment der bürgerkriegsähnlichen Zustände, die Beschränkungen im freien Warenverkehr sowie die eingeschränkte Bewegungsfreiheit der Touristen machte sich in den rückläufigen Touristenankünften bemerkbar.

Abb. 8: Ausländische Besucher 1950-1971
Abbildung

Quelle: HEINRITZ 1972, S. 268

Wie aus der Abbildung ersichtlich wird, waren die Touristenzahlen zwischen 1960 und 1973 trotz politischer Unruhen (1955: Beginn des griechischen Partisanenkrieges gegen die Engländer, 1963: türkisch-griechische Auseinandersetzungen) erheblich gestiegen. Die weiterhin zunehmende Beliebtheit des Strandtourismus hatte die Entwicklung Kyrenias und Famagustas ebenfalls begünstigt.

Im folgenden soll die Entwicklung des Tourismus nach der Teilung 1974 einer näheren Untersuchung unterzogen werden, wobei insbesondere die Ausgangsbedingungen beider Teilstaaten beurteilt und die Entwicklungsstrategien und Chancen Nordzyperns erarbeitet werden.

3.2.2 Die Entwicklung nach 1974

3.2.2.1 Die qualitative Entwicklung

MARTIN (1993) geht davon aus, daß sich die Insel im Zeitraum von 1960-1974, wenn auch nicht mehr als politische, so doch als geographische Einheit weiterentwickelt hatte. Zum Zeitpunkt der Intervention befanden sich beide Inselteile in einer ähnlichen Ausgangssituation. Zudem lagen die touristischen Hauptattraktionen innerhalb Nordzyperns (68 % der Bettenkapazität). Diese Annahme trifft für die touristische Infrastruktur und die naturräumliche Ausstattung zu.

Die sozioökonomischen Disparitäten innerhalb der beiden Volksgruppen und die politischen Rahmenbedingungen in den Folgejahren haben die Entwicklung des Tourismus in den zwei Landesteilen jedoch unterschiedlich beeinflußt. Das dabei entscheidende Moment war die Nichtbeteiligung der türkischen Zyprioten an der Tourismusbranche vor 1974. Zum einen fand in den türkisch-zyprischen Enklaven keinerlei Fremdenverkehr statt, zum anderen waren alle für den Fremdenverkehr interessanten Gebiete wie auch das Gros der Fremdenverkehrseinrichtungen in zyperngriechischem Besitz. Auch nach allmählicher Normalisierung der Lage, waren die türkischen Zyprioten entweder in weniger qualifizierten Tätigkeiten (Tellerwäscher, Kellner...) anzutreffen oder sie waren Besitzer kleinerer, vorwiegend dem einheimischen Tourismus vorbehaltener Hotels außerhalb der Hauptfremdenverkehrsorte (MARTIN 1993, S. 341f.). Aziz Kent, Besitzer der Celebrity Gruppe, war einer der wenigen Zyperntürken, die sich vor der Teilung einen Namen in der Branche gemacht hatten. Nach 1974 machte sich das fehlende Know-How der türkischen Zyprioten im Umgang mit dem internationalen Tourismus schnell bemerkbar. Weder in der Hotellerie, in der Gastronomie noch in der erfolgreichen Vermarktung waren die türkischen Zyprioten firm.

Im folgenden sollen die Bemühungen Nordzyperns, den Tourismus aufzubauen bzw. qualitativ zu verbessern, skizziert werden.

Die dringlichsten Aufgaben in der Branche im ersten Jahr nach der Teilung lassen sich unter folgenden Gesichtspunkten subsumieren:

1. Es kam zu einer anfangs provisorisch ausgerichteten Enteignung der griechischen Hotels. Diese hat mittlerweile den provisorischen Charakter verloren.

2. Es wurde unter türkischer und nordzyprischer Ägide eine Firma gegründet und mit der Führung der größten Hotels beauftragt. Die Kibris Türk Turizm Isletmeleri LTD, die dem Ministerium für Tourismus untersteht, war u.a. für das 1973 errichtete Salamis Hotel zuständig. Heute gehören das Mimoza Hotel (Bogaz), das Sea-Side Hotel (Bogaz), das Mare Monte Hotel und das Dorana Hotel (Girne) dieser staatlichen Einrichtung an. Das Salamis Hotel dagegen ist heute nur noch zur Hälfte in staatlichem Besitz.

3. Es kam zur Anwerbung von im Ausland lebenden türkischen Zyprioten mit Branchen Know-How.

Der Verlust der Vorstadt von Gazimagusa, Varosha, als Fremdenverkehrsregion hat die Entwicklung des Tourismus in Nordzypern in entscheidendem Maße beeinflußt. Seit den Kämpfen von 1974 und der Flucht der griechischen Bevölkerung ist Varosha militärisches Sperrgebiet. "Famagusta, the island's premier resort, was worst hit by the intercommunal strife in summer 1974 and virtually the whole of the suburb of Varosha (Maras), containing around 6000 hotel beds, became a closed military area and still remains so today" (LOCKHART/ASHTON 1990, S.163). Im Zeitraum von Juli 1974 bis Ende 1975 war ein Rückgang der Bettenkapazität auf nur noch 2952 zu verzeichnen. Bei den interkommunalen Gesprächsrunden gilt Varosha bis heute als Faustpfand Nordzyperns. Die Region von Girne hingegen hatte keinen Kapazitätsverlust in dieser Größenordnung zu verzeichnen. 1990 befanden sich ca. 60 % der Fremdenverkehrsbetten in Girne, mit der Konsequenz einer gegenläufigen Verschiebung zuungunsten Gazimagusas. Wie vor 1960 ist Girne wieder zum wichtigsten Fremdenverkehrsort geworden.

Betrachtet man den gesamten Zeitraum von der Teilung bis heute, so haben türkische Touristen den größten Teil am Gesamttouristenaufkommen ausgemacht. Als Gründe für diese Dominanz können in Anlehnung an MARTIN (1993) folgende Argumente herangezogen werden: Nach der Intervention bestand eine enge mentale Verbindung der türkischen Bevölkerung mit der Insel. In diesem Zusammenhang sind auch die Besuche von Familienangehörigen der auf Nordzypern stationierten türkischen Soldaten zu sehen. Ein weiteres wichtiges Argument war der "Einkaufstourismus". Aufgrund der protektionistischen Wirtschaftspolitik der Türkei konnten viele Güter nur in Nordzypern erworben werden. Noch heute ist das Einzelhandelsangebot auf die Bedürfnisse türkischer Touristen ausgerichtet (s. Karte 6, vgl. Kap. 4.1.2). Nordzypern verfügte über ein entsprechendes Potential an Mittelklassehotels, das für diese Art von Tourismus geeignet war. Günstig in diesem Fall war natürlich auch die geographische Nähe. Religiöse und nationale Feiertage konnten so außerhalb der Türkei verbracht werden und bedeuteten somit eine Saisonverlängerung für die Hoteliers. Zwar ist man sich heute darüber einig, daß der türkische Tourismus für die Überlebenschancen dieser Branche notwendig war, doch die Nachteile der einseitigen Abhängigkeit von nur einem touristischen Quellgebiet traten bald in den Vordergrund. Nachteilig war zum einen die Tatsache, daß türkische "Einkaufstouristen" überwiegend in billigeren Unterkünften wohnten, zum anderen nahm die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Laufe der Jahre ab (MARTIN 1993, S. 348). Negativ war ebenso, daß türkische Touristen dem Land keine Devisen brachten. Massiv wirkte sich die einseitige Abhängigkeit in den 80er Jahren aus. Aufgrund des Militärputsches in der Türkei im Jahre 1980 gingen die Touristenzahlen von 69808 auf 62660 (1981) zurück. Mit der Lockerung der Verhältnisse und der Abschwächung der protektionistischen Politik in der Türkei in den Folgejahren verlor der Aspekt des Einkaufstourismus an Bedeutung (MARTIN 1993, S. 349). Den zuständigen Behörden wurde die Dringlichkeit bewußt, den internationlen Tourismus zu intensivieren. Dies wurde in den Fünfjahresplänen aufgegriffen.

3.2.2.2 Die quantitative Entwicklung

Im ersten Fünfjahresplan mit einer Laufzeit von 1978 bis 1982, hatte man deshalb ein jährliches Wachstum von 50 % nicht aus der Türkei stammender Touristen angestrebt (15 % für türkische Touristen). Diese hochgesteckten Ziele konnten aber nicht erreicht werden, zumal auch die entsprechende Bettenkapazität gar nicht vorhanden war (MARTIN 1993, S. 350f.).

Der zweite Fünfjahresplan trat nach einer Übergangsphase (1983-1986) 1987 in Kraft. Insgesamt betrachtet waren die Zielsetzungen weitaus realistischer formuliert. 1987 trat das Gesetz Nr.16 in Kraft, das die Förderung von Investitionen in den Fremdenverkehr zum Inhalt hatte. Zu den wichtigsten, gesetzlich verankerten Investitionsanreizen zählen:

Investitionsgüterimporte für die Branche sind zollfrei.

Befreiung von Einkommens- und Unternehmensteuer für eine Laufzeit von 10 Jahren

Investoren erhalten "weiche" Kredite von bis zu 20 % der Investitionssumme, bei einer Laufzeit von 20 Jahren

Einstellung von qualifiziertem ausländischen Personal

Gewinne dürfen repatriiert werden

(PRIME MINISTRY STATE PLANNING ORGANIZATION 1991, S. 11).

Der Erfolg dieses Gesetzes läßt sich in der Zunahme der Bettenkapazität, die eine Steigerung von 3779 (1987) auf 6012 (1990) verzeichnete,. in Mittelklassehotels und in Hotels mit höherem Standard ablesen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Bau von Feriendörfern und Bungalowanlagen favorisiert wurde, da das Bauland günstig war. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß sich die Touristenzahlen während der Laufzeit des zweiten Fünfjahresplanes erhöht haben, ebenso wie die Bettenkapazität ausgeweitet werden konnte, dennoch konnte das Ziel der Gleichverteilung zwischen türkischen und "sonstigen" Touristen nicht erreicht werden.

Zwar stieg die Zahl der Touristen aus "sonstigen" Ländern absolut an, doch im Verhältnis zu den türkischen Touristen nahm sie sogar ab.

Abb. 9: Entwicklung der Touristenankünfte 1977-1992 nach dem Herkunftsland

Quelle: STATE PLANNING ORGANIZATION 1993, S.22; eigene Darstellung

Den weitaus größten Anteil der europäischen Touristen machten die Briten und die Westdeutschen aus, wobei Reisende aus Westdeutschland 1990 bereits den größten Anteil stellten (MARTIN 1993, S.357; LOCKHART/ASHTON 1990, S.165). Probleme statistischer Art treten bei der korrekten Erfassung der Touristenankünfte auf. Bei der Ankunft in Nordzypern werden alle Einreisende als Touristen eingestuft, inklusive der Ausländer mit ständigem Wohnsitz in Nordzypern sowie legale, aber auch illegale Arbeitsimmigranten. Aufgrund dieser falschen Abgrenzungskriterien werden die Touristenzahlen zu hoch eingeschätzt. Dieser Tatbestand zeigt sich auch in den offiziellen Statistiken, wo eine Differenz zwischen einreisenden Touristen und Urlaubern, die in touristischen Unterkünften registriert werden, auftritt. Für das Jahr 1993 wurden 359313 Touristenankünfte gezählt, wobei aber nur 134442 in Hotels untergebracht waren (152116, inklusive Übernachtungen in Guest Houses). Eine zuverlässigere Datenbasis liefern demnach die von den Hotels ermittelten Übernachtungszahlen. Von den insgesamt 134442 Touristen kamen 79473 (59 %) aus der Türkei. 8449 (6,3 %) waren den einheimischen Touristen zuzurechnen und nur 46520 (34,7 %) kamen aus "sonstigen Ländern".

Das Schaubild zeigt deutlich die Zäsuren bei der Touristenentwicklung in den Jahren 1980 und 1991. Der Golfkrieg 1991 hatte ebenso rückläufige Touristenzahlen bewirkt, wie der türkische Militärputsch. Diese beiden Ereignisse verdeutlichen die Krisenanfälligkeit der Branche.

Im Zeitraum von 1986 bis 1990 konnten außerdem weder die Belegungsraten noch die durchschnittliche Übernachtungszahl erhöht werden, wie in Tabelle 2 verdeutlicht.

Tab. 2: Auslastungsraten und durchschnittliche Übernachtungszahlen in touristischen Unterkünften zwischen 1986 und 1990

Jahr
Auslastungsrate in %
durchschnittliche Über-
nachtungszahl
1986
27,51
4,79
1987
43,35
5,35
1988
42,95
5,07
1989
37,87
5,34
1990
34,68
5,34

Quelle: MARTIN 1993, S. 358

Abb. 10: Anzahl der untergebrachten Touristen im Verlauf des Jahres 1993 (ohne Guest Houses)

Quelle: TURIZM ISTATISTIKLERI 1994, S.25; eigene Darstellung

Abbildung 10 verdeutlicht die Saisonkomponente, die für Nordzyperns Fremdenverkehrsindustrie eine große Rolle spielt. In den Sommermonaten Juli/August (Ferienzeiten in den europäischen Ländern) werden die meisten Touristen registriert. Während der beiden muslimischen Feste (Ramazan Bayrami und Kurban Bayrami) kommt es nochmals zu einer hohen Auslastung der Hotels. Die geringeren Touristenzahlen in den anderen Monaten verweisen jedoch auf die Notwendigkeit saisonverlängernder Maßnahmen bzw. Anstrengungen für eine ausgeglichenere Auslastung. Die extremen Spitzen in den Sommermonaten sind zudem mit umweltrelevanten Problemen (Wasserknappheit, Engpässe bei der Stromversorgung) verbunden.

Die Fremdenverkehrsintensität (Übernachtungen/Einwohner x 100) hat für das Jahr 1992 einen Wert von 533 ergeben. Vergleicht man diese Kennziffer mit Werten der Pfalz (Landkreis Südbadische Weinstraße: 925,7, Pirmasens: 539,2, Stand 1988), so sieht man, daß sie gering ist.

3.2.3 Interdependenz zwischen politischem Konflikt und dem Tourismus

Die Gespräche und Verhandlungen zwischen den beiden Volksgruppen, sei es unter der Schirmherrschaft der UNO-Generalsekretäre Waldheim, de Cuellar oder Boutros-Ghali, oder zwischen den wechselnden Gesprächspartnern, Denktas-Klerides, Denktas-Makarios, Denktas-Vassilliou und seit Februar 1993 wiederum Denktas-Klerides, lassen sich unter folgenden Aspekten zusammenfassen:

Während die türkischen Zyprioten für eine Föderation mit einer schwachen Zentralregierung eintreten, fordern die griechischen Zyprioten einen multiregionalen Bundesstaat mit starker Zentralregierung. Weitere Verhandlungspunkte sind der Abzug der türkischen Truppen, der Status von Varosha, die Wiedereröffnung des internationalen Flughafens und die Gebietsansprüche der beiden Volksgruppen. Die Gespräche scheiterten bislang an der Unvereinbarkeit der Vorstellungen.

Nach dem Wahlsieg von Glafkos Klerides im Februar 1993 unternahm der UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali erneut einen Versuch, die Kontrahenten an einen Tisch zu bringen. Im Rahmen von vertrauensbildenden Maßnahmen (Confidence Building Measures) sollten die Positionen bezüglich der Öffnung Varoshas und des internationalen Flughafens abgesteckt werden. Die Vorschläge für Varosha und den Flughafen gestalteten sich folgendermaßen: Unter UN-Verwaltung gestellt, soll das Gebiet von Varosha als Kontaktstelle und Freihandelszone zwischen beiden Seiten fungieren, ebenso sollen Touristen aus dem Südteil der Insel ungehindert durch Varosha einreisen können, um in den Norden zu gelangen. Passagiere, die auf dem Flughafen Nikosia landen, der unter die Ägide der UN und der ICAO (International Civil Aviation Organisation) gestellt würde, hätten die Möglichkeit, beide Teile Zyperns zu besuchen (RICHTER 1993, S. 138). Die Akzeptanz dieses Paketes würde eine Reduzierung des Embargos von 80-95 % bedeuten (RICHTER 1993, S. 143) und sicherlich beiden Seiten Vorteile bringen.

Seit Mitte Mai 1994 können die Gesprächsrunden über die vertrauensbildenden Maßnahmen als gescheitert gelten. Somit sind die Wiedereröffnung des internationalen Flughafens sowie die Varoshaproblematik wiederum auf unabsehbare Zeit vertagt worden.

Nähere Informationen zu den politischen Ereignissen finden sich bei MEINARDUS (1987), der die Entwicklungen in der Zypernfrage 1984-1987 analysiert und bei WELLENREUTHER (1994), der die Hintergründe der Volksgruppengespräche zwischen 1974 und 1993 thematisiert.

3.2.3.1 Konsequenzen für die Reiseveranstalter

Die 1983 ausgerufene Türkische Republik Nordzypern (KKTC= Kuzey Kibris Türk Cumhuriyetti) ist auf internationaler Ebene nicht anerkannt. Dieser Tatbestand hat neben dem verhängten Handelsembargo gerade für das Wachstum des Fremdenverkehrs eine entscheidende Rolle gespielt.

Entwicklungshemmend wirkt die Tatsache, daß Reiseveranstalter, die Nordzypern anbieten, keine Verträge mit Südzypern abschließen dürfen. Die Republik Zypern beansprucht für sich den Status, alleinige Vertreterin Zyperns zu sein, und hat somit die Möglichkeit, Handelssperren zu verhängen, und sonstige Behinderungen auszusprechen. Da die Destination Südzypern jedoch in der Vergangenheit eine große Beliebtheit genoß, war es für viele Veranstalter zu riskant, auf dieses Geschäft zu verzichten.

Dies hat dazu geführt, daß Spezialveranstalter für Türkeireisen Nordzypern in ihr Programm mit aufgenommen haben. Dabei ist neben ATT-Reisen, Öger Tours, TT-Türkei-Reisen noch Ötztürk Reisen zu nennen. Die geringe Anzahl der Anbieter schlägt sich natürlich auch in der Angebotspalette nieder. Spezialprospekte, wie sie für die meisten anderen Zielgebiete erhältlich sind, existieren für Nordzypern noch nicht.

Der Umstand, daß bei der Anreise ein "touch-down" bzw. ein Umsteigen in der Türkei nötig ist (vgl. Kap.3.2.4.2) schlägt sich in der Preiskalkulation nieder, d.h. die dadurch erhöhten Flugpreise schmälern automatisch die Gewinne des Veranstalters oder der nordzyprischen Hoteliers, beim Versuch, mit Pauschalreiseangeboten konkurrenzfähig zu bleiben.

Die Öffnung des internationalen Flughafens würde mit Sicherheit neben der Reisezeitverkürzung eine Erhöhung der Auslastungsraten bedeuten, wenn Reiseveranstalter dann beide Inselteile anbieten könnten. Gleichzeitig könnten die Preise gesenkt und das Angebot auf Zypern diversifiziert werden.

3.2.3.2 Konsequenzen für den Urlauber

Infolge der Nichtanerkennung Nordzyperns, darf die nordzyprische Fluggesellschaft Cyprus Turkish Airlines gemäß Richtlinien der ICAO keine Flüge unter ihrem Abkürzungscode YK durchführen. Ausnahme in diesem Fall sind Flugverbindungen zwischen Nordzypern und der Türkei, die als einziges Land den Inselstaat anerkannt hat. Deshalb sind keine Direktflüge zwischen anderen Ländern und dem Flughafen ERCAN möglich. Auch türkische Fluggesellschaften, wie z.B. Turkish Airlines sind gezwungen, eine Zwischenlandung in der Türkei vorzunehmen, um dort die Flugnummer zu wechseln. Stopover werden u.a. in Istanbul, Izmir oder Antalya eingelegt. Zwar versucht man, ein Umsteigen zu verhindern, doch alleine die aufgezwungene Zwischenlandung verlängert die Anreise erheblich. Man muß mit einer Gesamtanreisezeit von ca. 9 Std. (ab Stuttgart oder Frankfurt) rechnen. Dies steht in keiner Relation zur Entfernung. Wartezeiten von bis zu 5 Std. auf den türkischen Flughäfen sind keine Seltenheit. Abfertigungsschwierigkeiten ebenso wie eine schlechte Informationslage auf diesen Flughäfen erschweren den Flug zudem. MARTIN (1993) verweist in diesem Zusammenhang auf die für viele Touristen abschreckende Tatsache, daß der Flughafen ERCAN von der Republik Südzypern als illegal eingestuft wird, wobei er die psychologischen Momente, daß der Flughafen infolgedessen als gefährlich erachtet wird, mit ins Kalkül zieht. Das eingeschränkte Angebot an Fluggesellschaften, die den Flughafen ERCAN bedienen (Turkish Airlines, Cyprus Turkish Airline, Istanbul Airlines, Prestige Airlines und Sun Express) wirkt sich mit Sicherheit gerade bei erfahrenen Vielfliegern negativ aus. Hinzu kommt noch, daß viele Menschen ihren Urlaub nicht in einem militärisch besetzten Land verbringen wollen.

Ähnlich negativ dürfte sich die Tatsache auswirken, daß Besucher des Nordens keine Möglichkeit haben, den Süden zu besuchen (die Touristen Südzyperns dürfen zumindest für einen Tagestrip in den Norden).

Die Nichtanerkennung Nordzyperns schlägt sich sowohl in der Quantität als auch in der Qualität der erhältlichen Informationen über das Land nieder. Das im vorherigen Kapitel angesprochene Minimalangebot an Prospekten erschwert die Entscheidungsfindung bei noch unentschlossenen Urlaubern. Zwar geht man heute davon aus, daß Prospekte bei der Reiseentscheidung nur an zweiter Stelle rangieren, wohingegen Ratschläge von Freunden und Verwandten als "opinion leaders" gelten (KAGELMANN 1993, S.469), aber gerade bei neueren Zielgebieten ist man auf Informationen der sogenannten touristischen Medien angewiesen. Der traditionelle Reiseführer nimmt bei der Entscheidungsfindung zwar nur eine untergeordnete Rolle ein, dennoch dient er zur Einstimmung bzw. Nachbereitung der Reise. Reiseführer speziell über Nordzypern sind jedoch nur im geringen Umfang erhältlich. Zumeist wird Nordzypern innerhalb eines Gesamtreiseführers über Zypern auf wenigen Seiten abgehandelt, wobei oft der Informationsstand von vor 1974 zugrundegelegt wird. Eine Übersicht (s. Anhang 6) soll diesen Aspekt verdeutlichen. Ergänzend können noch die touristischen Periodika (Holiday, Globo, Abenteuer und Reisen, Saison, Traveller's World) erwähnt werden, deren Einfluß auf die Urlaubsauswahl bislang nicht erforscht wurde.

Insgesamt kann man festhalten, daß die Informationslage weder im Quellgebiet noch im Zielgebiet quantitativ und qualitativ ausreichend ist.


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