Thomas Ott: Ein interaktives Modell zum Flächennutzungswandel im Transformationsprozeß am Beispiel der Stadt Erfurt

Stadterweiterungen aus der Zwischenkriegszeit und Wiederaufbauphase


Zwischen den Weltkriegen wurden in Erfurt einige größere Einfamilien- und Reihenhaussiedlungen im Rahmen des staatlich subventionierten Wohnungsbaus, wie beispielsweise die Sulzer- oder die Peterbornsiedlung errichtet, die ihren Gartenstadtcharakter bis heute beibehalten haben. Aufgrund des wachsenden Umfangs des motorisierten Verkehrs wurde ein Ausfall- und Ringstraßensystem konzipiert. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise stagnierte die Bautätigkeit vorübergehend, was zu einer Verschärfung der Wohnungsnot beitrug. Eine Erleichterung ergab sich erst durch die Errichtung sog. Volkswohnungen in den Jahren 1936-1938 sowie den Bau der Hungerbach- und der Cyriakssiedlung. Desweiteren wurden in der nationalsozialistischen Zeit mehrere Kasernenkomplexe im Süden und Südosten der Stadt errichtet. 1938 wurden die Orte Hochheim und Melchendorf eingemeindet, an deren Grenzen die städtische Bebauung vorgedrungen war. Die Stadtrandzone dehnte sich bis Ende der dreißiger Jahre auf einen Radius von drei bis vier Kilometer vom Stadtzentrum aus. Zugleich behinderten die zahlreichen verstreut liegenden Gartenbaubetriebe zusammen mit den Kies- und Tongruben die Bebauung größerer zusammenhängender Flächen, so daß sich die Siedlungsfläche bis zum Zweiten Weltkrieg auch auf die Hänge des Geratales ausdehnte.    
     
Im Zweiten Weltkrieg blieb Erfurt mit ca. 530 zerstörten und 8.560 beschädigten Wohn- und Industriegebäuden, d. h. etwa 5 % des Vorkriegswohnungsbestandes, von den weit größeren Zerstörungen in vergleichbaren Städten verschont (vgl. SCHULTZE 1948; STEINBERG 1963, S. 146). Dennoch stagnierte das Wirtschaftsleben und somit auch das physische Stadtwachstum. Vom 12. April bis zum 2. Juli 1945 stand Erfurt unter der Verwaltung der U.S. Army. Zeitweilig hielten sich in der Stadt bis zu 50.000 Flüchtlinge und Vertriebene auf, was dazu beitrug, daß sich die Einwohnerzahl der Stadt bis 1946 gegenüber 1939 um fünf Prozent erhöhte (SCHULTZE 1952, S. 102). Aufgrund des geringen Zerstörungsgrades zählte Erfurt zunächst nicht zum engeren Kreis der Aufbaustädte. Mittels eines 1946 erarbeiteten Baunotprogramms waren in Erfurt bis 1949 fast 80 % der durch Kriegseinwirkungen beschädigten Wohnungen sowie die wichtigsten öffentlichen Gebäude und Industrieanlagen wiederhergestellt worden. Bis 1950 wurden trotz Vorrang der Enttrümmerung und Instandsetzung etwa 250 Wohneinheiten an verschiedenen Standorten (u. a. Steinplatz, Rote-Berg-Siedlung, Jenaer-, Veilchen-, Kieler- und Günterstraße) neu errichtet (vgl. BENNECKENSTEIN 1989a, S. 516f.). Bis 1955 kamen weitere 1.200 Wohnungen vor allem durch Baulückenschlüsse hinzu. 1950 wurden die Dörfer Möbisburg, Bischleben, Rhoda, Schmira, Bindersleben, Marbach, Gispersleben und Dittelstedt eingemeindet, wodurch sich das administrative Stadtgebiet auf 106 km² nahezu verdoppelte und die Einwohnerzahl um 6,3 % anstieg.  
Nachkriegsgeschoßwohnungsbau südöstlich des Hauptbahnhofs
     
     

   
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