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Einführung zum Zeitraum 1850 - 1919

Professor Dr. Gert Kollmer-v. Oheimb-Loup

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Kollmer-v. Oheimb-Loup, Gert. "Einführung zum Zeitraum 1850 - 1919 der Bibliographie zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte des deutschen Südwestens 1750 - 1919." [http://mateo.uni-mannheim.de/hist/kollmer.htm]. Tag, Monat, Jahr Ihres Besuchs.
 
I. WIRTSCHAFT

I.1. Wirtschaftsleben

Hier sei im besonderen auf die große Gruppe der zeitgenössischen Adreßbücher und Wirtschaftsführer [Gliederung I.1.1. - I.1.3.] verwiesen, die für manche Forschung wichtige Hinweise über einzelne Unternehmungen und Branchen enthalten. Wertvolle Informationen zur Sozial- und Unternehmensgeschichte sind auch im "Jahrbuch des Vermögens und Einkommens der Millionäre in Württemberg und Hohenzollern" enthalten, das 1914 von Rudolf Martin herausgegeben wurde. Der Band enthält nicht nur detaillierte Angaben zu Einkommen und Vermögen, sondern auch teils ausführliche biographische Daten. Leider ist der Band für Baden nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs nicht mehr erschienen. Dazu gehört auch das von Hermann A. L. Degener herausgegebene biographische Nachschlagewerk "Wer ist`s", das Biographien von Unternehmerpersönlichkeiten enthält.

Hingewiesen sei auf die vor allem für den quantitativ arbeitenden Historiker unentbehrliche Hilfe der Umrechnungs- und Reduktionstabellen zum Währungs-, Meß- und Gewichtswesen [Gliederung I.1.4.].

I.2. Länder und Regionen

Bereits aus dem 19. Jahrhundert liegen uns zwei übergreifende Regionalstudien, die die Schwarzwaldregion betreffen, vor: Die Arbeiten von Johann Baptist Trenkle vom Jahre 1874 über die Geschichte der Schwarzwälder Industrie sowie die hervorragende und in vielen Teilen immer noch aktuelle Arbeit von Eberhard Gothein "Wirtschaftsgeschichte des Schwarzwaldes und der angrenzenden Landschaften" vom Jahre 1892. Beide Arbeiten beschäftigen sich mit dem Bergbau und der Verarbeitung der Rohprodukte, der Glasindustrie, der Uhrmacherei, der Textilindustrie, kleineren Hausindustrien, dem Holzgewerbe und den Luxusindustrien. Gothein bietet außerdem eine ausführliche Darstellung der gewerblichen und industriellen Entwicklung in den Städten. Beachtenswert ist dabei die gelungene Darstellung der Verquickung von wirtschaftshistorischen Prozessen in ihrer interregionalen Verflechtung mit der Bodenseeregion, der Schweiz und Österreichs, des Elsasses sowie der sich die Schwarzwaldregion teilenden Länder Baden und Württemberg und der dort angrenzenden Handels- und Industriezentren. An diese Untersuchungen schließt sich eine Dissertation von 1924 von Ludwig Baur über die wirtschaftlichen und sozialen Wandlungen im südlichen Hochschwarzwald zwischen 1880 und 1920 an, die so interessante Teilaspekte wie Bevölkerungsstruktur, soziale Gliederung, Vererbungssitte, Einkommen, Bodenpreis, Verschuldung, Güteraustausch sowie den wirtschaftlichen Strukturwandel beschreibt. Eine erste umfassende wirtschaftsgeographische Studie zum Südwesten legte 1930 Wilhelm Ehmer mit dem Titel "Südwestdeutschland als Einheit und Wirtschaftsraum" vor. Die Arbeit enthält einen knapp gefaßten globalen Überblick über die dort vorhandenen Wirtschaftssektoren und Branchen mit kurzer Skizzierung ihrer Besonderheit, wobei hier Vollständigkeit und oftmals weitergehende Informationen fehlen. Die Arbeit ist angereichert mit statistischem Material und bietet vielfach Vergleichszahlen zu anderen deutschen Ländern. Das Kapitel zum Arbeitsmarkt beschränkt sich auf das Ende der 1920er Jahre, ebenso der Überblick über Verwaltung, Beamtenschaft, Schule, Staats- und Kommunalhaushalte wie der Vergleich zwischen Mannheim und Stuttgart.

In den 1950er Jahren erschienen zwei Arbeiten, die als Nachschlagewerke für kurze unternehmensbiographische Abrisse nützlich sind. An erster Stelle sei das Archiv für schwäbische Wirtschaftsgeschichte genannt, das 100 Firmenporträts von jeweils fünf bis 40 Seiten enthält, die jedoch wissenschaftlich nicht belegt sind. Auch das Buch von Adolf Reitz "Werke und Köpfe. Aufstieg der südwestdeutschen Industrie" enthält Unternehmensbiographien.

Bei den Bemühungen um eine zusammenfassende Wirtschafts- und Sozialgeschichte Baden-Württembergs wird deutlich, daß die wirtschaftshistorische Forschung Südwestdeutschlands erst seit Anfang der 1970er Jahre intensiver einsetzt und in der Forschung nicht nur wirtschaftsgeographische Arbeiten, sondern auch moderne volks- und betriebswissenschaftliche Fragestellungen sowie interdisziplinäre Ansätze in der landeshistorischen Forschung immer mehr Raum einnehmen. Dementsprechend begannen hier hauptsächlich Dissertationen mit Detailuntersuchungen, übergreifende Arbeiten sind wenige vorhanden. In vielen Fällen handelt es sich zunächst um Erklärungsversuche und Denkanstöße, die erst durch zukünftige weitere Einzelforschungen auf eine breitere Basis gestellt werden können. Erste Ansätze sind die von Erich Maschke und Jürgen Sydow 1977 herausgegebenen Aufsätze zur Geschichte der Industrialisierung in den südwestdeutschen Städten, die Einzelaspekte wie staatliche Gewerbepolitik, Bankgeschichte, Arbeitsverhältnisse und vergleichende wirtschaftsgeschichtliche Tendenzen in verschiedenen Städten aufzeigen. Seit Ende der 1970er Jahre erschienen mehrere Fachaufsätze zu den Grundzügen der südwestdeutschen Entwicklung: Gert Kollmer: "Tendenzen wirtschaftlichen Wachstums in Südwestdeutschland zwischen 1918 und 1945", Harald Winkel: "Wirtschaftliche Entwicklung in Baden und Württemberg" und der Aufsatz "Vom Armenhaus zum Musterländle" und von Willi A. Boelcke: "Die Industrialisierung. Bedingtheiten im Südwesten". Einen Abriß zur Wirtschaftsgeschichte Südwestdeutschlands legte Boelcke im "Handbuch Baden-Württemberg. Politik, Wirtschaft, Kultur von der Urgeschichte bis zur Gegenwart" vor. Handbuchartig zu benutzen ist auch der ausführliche Überblick mit starker Berücksichtigung unternehmensgeschichtlicher Daten, Branchenentwicklung sowie Sonderentwicklungen im Buch desselben Verfassers "Wirtschaftsgeschichte Baden-Württembergs. Von den Römern bis heute".

Zum Stand der Forschung veranstaltete 1991 die Robert Bosch Stiftung ein Symposion "Wege in die Welt. Fragen an die Geschichte der baden-württembergischen Wirtschaft und Industrie 1750 - 1950". Reiner Flik schrieb den Bericht zu diesem Symposion, das der Frage nachging, welche Ursachen für die Entwicklung Südwestdeutschlands im 20. Jahrhundert verantwortlich sind. Kann Baden-Württemberg ein Modell für die Wirtschaftspolitik in unterentwickelten Regionen sein, oder gab es hier besondere Bedingungen, die diesen Verlauf im deutschen Südwesten möglich machten?

Im Rahmen dieses Symposions ist auch ein umfassender Überblick über die Quellen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte in Baden-Württemberg von Gert Kollmer und ein Aufsatz von Eckart Schremmer über neuere Forschungsansätze regionaler Wirtschaftsgeschichte mit Beispielen aus Südwestdeutschland erschienen. Im Vordergrund steht die Überlegung, die Industrialisierung als langfristigen Vorgang zu sehen. Die Ausdehnung des Untersuchungszeitraumes erfordert es, die untersuchten Betriebsformen weiter zu fassen. Schremmer verweist neben Fabriken, Manufakturen und Verlag auf ländliches Gewerbe, Kleinstellenbesitzer und Mischeinkommensbezieher. Dabei soll auch Agrar- und Gewerbegeschichte im 18. und 19. Jahrhundert in ihren Verknüpfungen untersucht werden. Mehr in den Vordergrund sollte auch die Erforschung der Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsseite des Einkommens rücken.

Es fehlt ein zusammenfassender Überblick zur Wirtschaftsgeschichte Badens. Hier ist nur Gothein zu nennen, der die Gebiete des badischen Schwarzwaldes bearbeitet hat. Einen knappen Überblick in Aufsatzform bietet Hugo Ott: "Die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs". Er zeichnet in übersichtlicher Weise die industrielle Entwicklung für Baden, die Gesellschaftsstruktur, die Krise 1848, die Auswanderungsproblematik, das Problem von Staat und Wirtschaft, die Löhne und Wohnverhältnisse, die Arbeiterbewegung sowie die badische Wirtschaft vor und während des Ersten Weltkrieges nach. Auch Wolfram Fischers Aufsatz "Planerische Gesichtspunkte bei der Industrialisierung in Baden" gehört zu den wenigen bislang erschienenen Arbeiten, die den Versuch unternehmen, zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Badens nach 1850 einen Beitrag zu leisten. Teilregionale Betrachtungen existieren für den frühen Industriestandort Wiesental, das Murgtal und die Ortenau (Dietsche, Zier, Schultz), das Rheinauer Industrie- und südliche Oberrheingebiet (Eusterbrock), Schwarwald-Baar-Heuberg (Boelcke), Nordost-Baden (Förster). Wertvolles statistisches Material zur badischen Wirtschaftsgeschichte enthalten die von Wilhelm L. Volz herausgegebenen Gewerbekalender für Baden und die Monographie von Rudolph Dietz "Die Gewerbe im Großherzogtum Baden. Ihre Statistik, ihre Pflege, ihre Erzeugnisse".

Für den Zeitraum nach 1850 entstanden die meisten Arbeiten - hauptsächlich Dissertationen - zwischen 1900 und 1940. Sie hatten vorwiegend badische Orte und Städte zum Forschungsgegenstand. Bevorzugt wurden die Wirtschaftszentren Mannheim und Heidelberg, Lahr, Singen, Radolfzell, Karlsruhe, Bruchsal und Breisach bearbeitet. Den Schwerpunkt bilden dabei Untersuchungen über die Stadt Mannheim. Fast sämtliche Lokaluntersuchungen haben eine wirtschaftsgeographische Ausrichtung. Die Arbeiten gehen nach einem ähnlichen Schema vor: Verkehr, insbesondere Schiffahrt, Straße und Eisenbahn, Spedition, Infrastruktur, Bevölkerungsentwicklung sowie Arbeiter, Pendler, Arbeitsverhältnisse und Wohnungsnot, die wichtigsten örtlichen Industrien, Firmen, Handwerk und Hausindustrie sowie Standortfragen werden behandelt. In manchen Arbeiten werden einzelne Firmen untersucht wie beispielsweise in der Arbeit von Wybrecht (1957) und in der Arbeit von Gutzler aus dem Jahr 1961 über das Rheinauer Industrie- und Hafengebiet zwischen 1873 bis 1914. Diese Arbeiten wie auch die neue Dissertation von Schultz (1982) über die nördliche Ortenau und die von Förster (1990) über Nordostbaden zeichnen ein detailliertes Bild über sozio-ökonomische Verhältnisse, Bevölkerung sowie wirtschaftssektorale Veränderungen. Die Dissertation von Förster hat sich speziell zur Aufgabe gemacht, den Zusammenhang zwischen Eisenbahnerschließung und Wirtschaftsentwicklung zu beleuchten.

Leider fehlen vergleichende Regional- und Ortsanalysen. Unter der neueren Literatur verdient in diesem Zusammenhang vor allem die Dissertation von Eusterbrock (1968) Beachtung. Der Autor stellt den Vergleich zwischen der industriellen Entwicklung von Elsaß und Südbaden zwischen 1740 und 1966 an. Da in der Wirtschaftsgeschichte Südwestdeutschlands immer noch Untersuchungen über die wichtige Wirtschaftsregion des Elsasses fehlen, insbesondere über deren Textilindustrie (vor allem der Baumwoll- und Textilveredelungsindustrie), von der Impulse für die südwestdeutsche Industrialisierung ausgingen, sind Forschungen zur elsässischen Baumwoll- und Textilmaschinenindustrie dringend geforderte Desiderate. Eusterbrock geht auch der Frage des Einflusses von Oberelsaß und der Schweizer Industrie auf das südliche Oberrheingebiet nach, ferner behandelt er den Anschluß und die Abtrennung von Elsaß-Lothringen. Auch hier stehen noch weitere Arbeiten aus. So fehlen detaillierte Untersuchungen über die Auswirkungen des Anschlusses von Elsaß-Lothringen auf die dortige Industrie sowie auf die deutsche Textil- und Maschinenbauindustrie.

Informativ sind ferner die Aufsätze von Zier über die Industrialisierung im Karlsruher Raum, wobei hier sozialhistorische Aspekte der Fabrikarbeiterschaft sowie die Kettlersche Maschinenfabrik und das Bankwesen einen breiteren Raum einnehmen. Willy A. Boelcke legte zwei Aufsätze über die Industrialisierungsentwicklung im Kammerbezirk Schwarzwald-Baar-Heuberg (1983) sowie über den Raum Singen (1987) vor, die vor allem unternehmensgeschichtliche Aspekte wie technischen Fortschritt, Energien, Lohn- und Beschäftigungsentwicklung sowie die wirtschaftliche Bedeutung ausgewählter Branchen und Unternehmen beinhalten. Die Dissertation von 1924 von Siegfried Bergheimer hat im besonderen die Entstehung und Entwicklung der Breisacher Fabrikbetriebe zum Inhalt.

Von den Monographien, die die wirtschaftliche Gesamtentwicklung Württembergs unter modernen volkswirtschaftlichen Methoden im Blickwinkel hat, verdient insbesondere die Arbeit von Loreth, obwohl sie schon 1974 erschienen ist, besondere Beachtung. Es ist seitdem der einzige Versuch geblieben, den industriellen Wachstumsprozeß der württembergischen Wirtschaft von 1818 bis 1918 aus makroökonomischer Sicht zu erklären. Dabei stehen Erklärungen wirtschaftlichen Wachstums mit der Aufbringung des realen Sozialprodukts und der Verwendung des nominellen Volkseinkommens sowie mit Investition und Kapital im Vordergrund. Diese Erklärungsmuster basieren jedoch im Bereich der Investitionen und des Kapitals vorwiegend auf Zahlen der amtlichen Statistik und vagen Datenangaben, weil keine Daten aus den Unternehmen erhoben wurden und daher wichtige gesicherte Teilindikatoren für ein Gesamterklärungsmuster fehlen. Die 1982 vorgelegte Arbeit von Klaus Megerle "Württemberg im Industrialisierungsprozeß Deutschlands" bietet einen Überblick und eine Zusammenfassung der landeskundlichen Wirtschaftsgeschichtsforschung mit umfangreichem statistischen Material auf dem Stand Anfang der 1980er Jahre. Beide Arbeiten sind beim derzeitigen Forschungsstand Standardwerke der württembergischen Wirtschaftsgeschichte.

Einen umfassenderen Überblick gibt der Aufsatz von Willi A. Boelcke "Wege und Probleme des industriellen Wachstums in Württemberg". Beachtung verdient die Arbeit von Wolf-Rüdiger Ott über die Grundlageninvestitionen in Württemberg und die Rolle des Staates bei Verkehrserschließung, Elektrizität, landesweiter Bildungseinrichtungen und Versorgungswesen. Hingewiesen sei auch auf die Untersuchung von Volker Hentschel (1976) über die Entwicklung der württembergischen Wirtschaft in den wechselvollen Konjunkturjahren 1871 - 1879. Zum Thema Krisenfestigkeit der württembergischen Wirtschaft und ihre Verbindung von Landwirtschaft und Gewerbe seien die Dissertationen von Helmut Storz und Oskar Bachteler erwähnt. Bei der Erforschung von Teilregionen dominieren seit den 1920er Jahren wirtschaftsgeographische Dissertationen, vor allem zu den Regionen Nordwürttemberg, Schwarzwald, Oberschwaben, Filstal-Reutlingen-Tübingen, Schwäbische Alb und Hohenzollerische Lande. Sie sind alle ähnlich aufgebaut und berücksichtigen kaum Fragen der modernen Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Ferner werden hier stets nur makroökonomische Teilaspekte behandelt. Im Vordergrund dieser Arbeiten stehen Fragen nach natürlichen Ressourcen, Siedlungsgeschichte, Bevölkerungsbewegung, industriegeographische Überlegungen (insbesondere Standortproblematik) sowie eine Kurzfassung der Entwicklung der Industrialisierung und deren Einfluß auf die Landschaft, Bevölkerung und Sozialstruktur. Unabhängig davon bieten diese Arbeiten für eine weiterführende wirtschaftshistorische Forschung nützliche Basisüberlegungen und statistisches Grundlagenmaterial.

Neue wirtschaftshistorische Forschungen zu Teilregionen legten Uwe Ziegler (1976) über die ökonomischen und sozialen Strukturen mit besonderer Berücksichtigung der Agrarreformen und der Gewerbeförderung in Hohenzollern im 19. Jahrhundert, Willi A. Boelcke (1984) zum industriellen Aufstieg der Werkzeug-, Maschinen- und elektrotechnischen Industrie im mittleren Neckarraum, Harald Winkel (1983) zur Entwicklung der Stadt und Region Heilbronn und Gert Kollmer (1986) zur industriellen Entwicklung des Raumes Ebingen-Tailfingen vor. Hingewiesen sei auch auf das Buch von Elmar L. Kuhn "Industrialisierung von Oberschwaben und am Bodensee" (1984). Im ersten Band informiert er über die Bevölkerungsentwicklung, Agrarstrukturen und Industrialisierung. Obwohl diese Arbeit eine Vielzahl methodischer Mängel aufweist, sei vor allem auf den statistischen Anlagenteil in Band 2 verwiesen, der das Einarbeiten in den Industrialisierungsprozeß dieser Region wesentlich erleichtert. Insgesamt bietet das zweibändige Werk ein umfangreiches Kompendium von Kurzinformationen und Daten zur Wirtschaftsgeschichte Oberschwabens und der Bodenseeregion. Ferner sei noch auf den sozialhistorischen Aufsatz von Wolfgang von Hippel (1979) zum industriellen Wandel im ländlichen Raum verwiesen, der im Gebiet des mittleren Neckars der Bevölkerungsentwicklung, Mobilität und Wandlung der sozialen Struktur der Bevölkerung exemplarisch nachgeht.

Regionalvergleichende Analysen fanden erst in der neueren Forschung Berücksichtigung, wie in den Aufsätzen von Hubert Kiesewetter über die Gewerbeförderung und ihre Auswirkungen auf die Industrialisierung in Sachsen und Württemberg und Klaus Megerle über die Verarbeitungsindustrie in Baden und Württemberg im 19. Jahrhundert (beide Aufsätze erschienen in "Staat, Region und Industrialisierung" hrsg. v. Hubert Kiesewetter und Rainer Fremdling). Und Reiner Flik legte 1990 eine Monographie über die Entwicklung der Textilindustrie in Calw und Heidenheim vor. Flik geht der Fragestellung nach, weshalb die Industrialisierung Heidenheims erfolgreich verlief und in Calw stagnierte, und hebt dabei vor allem auf die Standortfaktoren, Löhne, Lebenshaltungskosten und den Verkehr ab.

Bei den wirtschaftshistorischen Untersuchungen erschienen zwischen 1910 und 1960 eine Reihe von Dissertationen, die die Grundlagen für die wirtschaftshistorische Lokalforschung gelegt haben. Dabei wurden vor allem Göppingen, Reutlingen, oberschwäbische und Schwarzwaldstädte untersucht, wobei oft wiederum wirtschaftsgeographische Fragestellungen nach Standort, Industriestruktur, Branchen, Bevölkerungsentwicklung, Industrieansiedlung, Auswirkungen der Industrieansiedlung auf Bevölkerung und Siedlung, Verkehr und einzelne Industriezweige im Vordergrund standen. Manche der Arbeiten wie für Esslingen (Schaeble, Käser) und für Stuttgart (Dessauer, Hüfner, Grotz) wurden ausschließlich unter wirtschaftsgeographischen Gesichtspunkten untersucht. Unter den neueren, seit Ende der 1960er Jahre erschienenen Arbeiten sei die Dissertation von Hermann Schindler über die Entwicklung der Stadt Reutlingen hervorgehoben, die eine Verbindung zwischen sozialen Grundzügen, der Entwicklung der Bevölkerung und der Wirtschaft sowie der Infrastruktur herstellt.

In neuerer Zeit wurde die Entwicklung Heilbronns und Heidenheims ausführlich erforscht. Die Dissertationen von Bernd Klagholz und Götz Meidinger umspannen einen Untersuchungszeitraum vom Beginn der Industrialisierung bis in die 1980er Jahre. Schwerpunkte in der Arbeit von Klagholz bilden die strukturelle Entwicklung der Heilbronner Industrie, die für Heilbronn wichtigen Verkehrswege von Eisenbahn und Neckarschiffahrt und ein detaillierter Abriß einzelner Heilbronner Unternehmen der wichtigsten Branchen sowie die soziale, berufliche und geographische Herkunft der frühen Heilbronner Industriepioniere. Die im Zeitraum sich anschließende Arbeit von Meidinger zeigt die Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die Heilbronner Wirtschaft. Weitere Themen der Untersuchung sind die Strukturveränderungen in der Weimarer Zeit und der Kommandowirtschaft in der Zeit des Nationalsozialismus. Vorbildlich ist die Darstellung vom Wiederaufbau bis in die 1980er Jahre hinein, eine Untersuchungszeit, die in den meisten stadtgeschichtlichen Forschungen fehlt.

Erwähnenswert sind die Arbeiten von Flik, Krüger und Schneider für Heidenheim. Die Arbeiten von Eugen Schaedle (1920) und Wilhelm Schneider (1976) zur Textilindustrie Heidenheims stellen Grundlagenforschung für diesen wichtigen Industrieplatz dar. Die Dissertation von Krüger (1984), die ein Gesamtbild der Entwicklung der Heidenheimer Industrie im 19. Jahrhundert liefert, bietet jedoch nur einen groben Überblick und ist nicht immer korrekt. Dagegen ist die Arbeit von Flik - wie bereits erwähnt - eine sehr gelungene Untersuchung über die Entwicklung der Textilindustrie in Heidenheim bis zur Reichsgründung. Noch nicht erforscht sind die metallverarbeitende Industrie sowie der Zeitraum ab 1871 in Heidenheim. Die Dissertation von Tiessen über Esslingen gibt einen sehr informativen Einblick über die soziale, politische und industrielle Entwicklung sowie ein Gesamtbild der Esslinger Industrie bis zum Ersten Weltkrieg. Zu den Dissertationen der letzten Jahre gehört die von Sabine Widmer über die Entwicklung der Stadt Kirchheim unter Teck - eine grundlegende und ausführliche Arbeit mit viel Zahlenmaterial. Leider bleiben dort Politik, Gesellschaft und Wirtschaftsgeschichte isoliert nebeneinander stehen. Anders verhält es sich in der Monographie über Dorf und Fabrik in Kuchen (Hg. Christel Köhle-Hezinger und Walter Ziegler). Obwohl der eine oder andere Aufsatz mit erheblichen Mängeln behaftet ist, bietet diese Untersuchung eine gelungene Erklärung der Entwicklung zwischen Dorf und Fabrik, der Herausbildung neuer Lebensformen und gesellschaftlicher Kommunikation, der Verquickung zwischen alten dörflichen Strukturen und der den Dorfbewohnern völlig unbekannten Welt der Fabrik sowie über die Arbeiter und ihre Leistung. Eine weitere neuere Arbeit zur lokalen Wirtschaftsgeschichte ist die Dissertation von Günter Zahnenbenz "Stuttgart als Industriestandort 1850 bis 1982". Der Verfasser knüpft damit an die Arbeiten von Dessauer und H. W. Mayer "München und Stuttgart als Industriestandorte" zum ähnlichen Themenkreis aus der Standortentwicklungslehre an. Er behandelt die in Stuttgart anzutreffenden Standortbedingungen sowie die Branchen in ihrer historischen Entwicklung bis in die 1980er Jahre und bietet einen Vergleich mit anderen deutschen Großstädten. Das Schwergewicht der Branchenuntersuchung liegt dabei nach 1914. Trotz dieses wichtigen Beitrags zur Erforschung der Stuttgarter Wirtschaftsgeschichte steht eine umfassende wirtschaftshistorische Untersuchung zur Industrialisierung Stuttgarts und seiner eingemeindeten Orte immer noch aus.

Die Wirtschaftsgeschichte von Rottweil wurde in der Dissertation von Lothar Weisser (1978) vom Beginn der Industrialisierung bis zum Ersten Weltkrieg aufgearbeitet. Schwerpunkte sind dabei die Bevölkerungsentwicklung, die städtische Haushaltspolitik, die Änderungen in der sozialen Wirtschaftsstruktur sowie die Entwicklung der Rottweiler Industrie. Neuere Aufsätze zur industriellen Entwicklung, die einen ersten Überblick bieten, sind die von Kollmer über Ebingen-Tailfingen und Blaubeuren und von Boelcke über den Industrieort Friedrichshafen.

Insgesamt gesehen bestehen jedoch in der lokalen wirtschaftshistorischen Forschung noch viele Lücken. Vor allem dem Zeitraum nach dem Ersten Weltkrieg und insbesondere nach 1945 sollte sich die zukünftige Forschung verstärkt zuwenden. Hier fehlen vor allem Arbeiten über wichtige Industrieplätze wie Esslingen, Reutlingen, Heidenheim, Böblingen, Sindelfingen, Göppingen, Geislingen, Ulm, Ebingen-Tailfingen, Ludwigsburg sowie Ravensburg.

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die im Abstand mehrerer Jahre bzw. Jahrzehnte veröffentlichten Landesbeschreibungen für das Großherzogtum Baden und das Königreich Württemberg mit Informationen über Geographie, Geologie, Klima, allgemeine Geschichte, Bevölkerung, Land- und Forstwirtschaft, Bergwesen, Gewerbe und Handel, Industrie, Verkehr, Selbstverwaltung, Staatsfinanzen, Unterricht und Kunst sowie Kirche, die auch erste wertvolle Hinweise zur Wirtschaftsgeschichte und umfangreiches sozioökonomisches Datenmaterial enthalten. Neben diesen, die Länder umfassenden Überblicken gibt es noch für Württemberg die sehr ausführlichen und zwar für den Landeshistoriker unverzichtbaren zeitgenössischen Oberamtsbeschreibungen, die hier aber nicht aufgenommen wurden, da sie für den Wirtschaftshistoriker lediglich marginale Informationen enthalten. Zwischen 1974 und 1983 erschien eine neue amtliche Beschreibung nach Kreisen und Gemeinden "Das Land Baden-Württemberg", die von der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg in acht Bänden herausgegeben wurde.

I.3. Zeitabschnitte

Überblicke, beschränkt auf die Zeit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, sind sowohl für Baden wie für Württemberg kaum Gegenstand der Forschung gewesen. Für Württemberg ist der umfassendste der Aufsatz von Ernst Klein "Die Anfänge der Industrialisierung Württembergs in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts" (1967). In dieser Untersuchung wird zum ersten Mal versucht, für diesen Zeitabschnitt einen makroökonomischen Überblick zu entwerfen. Die dort angelegten Fragestellungen haben spätere wirtschaftshistorische Arbeiten für Württemberg nachhaltig angeregt und sind in ihren Grundsätzen nicht überholt. Leider sind ähnliche Untersuchungen für Baden ausgeblieben. Eingehende Darstellungen über die Auswirkungen des Zollvereins auf die südwestdeutsche Wirtschaft wurden jahrzehntelang nicht durchgeführt. Erst die neuesten Untersuchungen von Gert Kollmer über die Auswirkungen des Zollvereins auf die württembergische Textilindustrie bieten einen vertiefenden Einblick in die Zusammenhänge zwischen Zollverein, Innovation und Investition aus mikroökonomischer Sicht und beschreiben den Wandel unternehmerischen Verhaltens auf die Herausforderungen staatlicher Wirtschaftspolitik.

In neuerer Zeit entstanden grundlegende Arbeiten über die Zeit des Ersten Weltkrieges. Den Anfang machte Hugo Ott 1974 mit seinem Beitrag "Kriegswirtschaft und Wirtschaftskrieg 1914/18" für den badisch-elsässischen Raum. Habilitationsschriften zu diesem Sujet legten 1983 Gunther Mai und Hermann Schäfer vor. Die Arbeit von Gunther Mai hat Kriegswirtschaft und Arbeiterbewegung in Württemberg zum Forschungsgegenstand. Er untersucht, wie der äußere Druck des Krieges eine sozialpartnerschaftliche Kooperation erzwang, die sich im Kriegsdienstgesetz von 1916 zugunsten der organisierten Arbeiterbewegung konkretisierte. Im Vordergrund der Arbeit stehen dabei nicht nur die Entstehung und Zielsetzung des Hilfsdienstgesetzes, sondern vor allem seine Handhabung und Wirkung sowie mögliche Alternativen. Diese Untersuchung bietet einen wichtigen Beitrag zur Entstehung der Wirtschaftsstruktur Württembergs zu Anfang des 20. Jahrhunderts: Durch einen mittelstandsfreundlichen Sozialprotektionismus wurde der ökonomische Einbruch des gewerblichen Mittelstandes aufgefangen.

Wegweisend ist die Regionalstudie von Schäfer über das Verhältnis zwischen Industrie und staatlicher Wirtschaftspolitik in einem Bundesstaat für die Zeit des Ersten Weltkrieges. Sie beginnt mit einer differenzierten Analyse der Struktur und konjunkturellen Entwicklung der badischen Vorkriegswirtschaft und endet mit der Darstellung von Wirtschaft und Wirtschaftspolitik der ersten Nachkriegsjahre in Baden. Ziel ist es dabei, das Verhalten der bundesstaatlichen Einrichtungen im Spannungsfeld zwischen Kriegswirtschaft, politischem Interesse der Reichsbehörden und den regionalen Interessen eines Bundesstaates herauszuarbeiten.

Im Gegensatz zur Zeit des Ersten Weltkrieges fehlen regionale Untersuchungen zur Epoche des deutschen Kaiserreiches vor dem Ersten Weltkrieg. Hier wären vor allem grundlegende Arbeiten zu Konjunktur, staatlicher Wirtschaftspolitik, Preisen und Einkommen, Entwicklung der öffentlichen Haushalte, Staatsverbrauch und öffentliche Investitionen sowie auch aggregierte mikroökonomische Untersuchungen aus den im Südwesten führenden Branchen und der Kreditwirtschaft dringend notwendig.

I.4. Wirtschaftsbereiche

I.4.1. Land- und Forstwirtschaft

Neben der zeitgenössischen Arbeit von Christian Weigand aus dem Jahre 1887 mit dem Titel "Wohlstandsquellen und Wohlstandsgefahren", die insbesondere über Grund- und Betriebskapital, Geräte, Investitionen, Zeiteinteilung und Sparen allein bäuerlicher Haushaltung handelt, gibt es seit den 1960er Jahren einige umfassende Arbeiten zur Entwicklung der Landwirtschaft im Südwesten. Zu nennen sei hier Hermann Wirth, der die Landwirtschaft in Baden und Württemberg aufgrund der amtlichen Statistik seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert beleuchtet und Auskunft über Anbauart und Bodennutzung, Produktion, Betriebsstruktur, Verkaufserlöse, Betriebsausgaben, Arbeitsmarktlage und Abwanderung gibt. Besonders anempfohlen zum einschlägigen Themenbereich seien die Arbeiten von Christoph Borcherdt, an erster Stelle die Arbeit "Die Landwirtschaft in Baden und Württemberg", eine grundlegende Studie zur Veränderung von Anbau, Viehhaltung und landwirtschaftlicher Betriebsgröße von 1850 bis 1980. Die Arbeit ist eine umfassende Darstellung der agrargeographischen Veränderungen in Südwestdeutschland unter Einschluß Badens, Württembergs und den Hohenzollerischen Landen. Im Rahmen eines agrarhistorisch-geographischen Forschungsprojektes am Lehrstuhl für Kulturgeographie im Geographischen Institut der Universität Stuttgart erschien in zwei Bänden der "Führer durch die Agrarstatistiken der südwestdeutschen Länder 1850 - 1939". Er hilft bei der Interpretation räumlich unterschiedlicher Entwicklungsvorgänge, da auch agrarstatistisches Material aus kleineren Räumen zusammengetragen wurde. Die Quellensammlung bietet für die unterschiedlichen Themenbereiche von lokalen, regionalen und raumvergleichenden Forschungen reichhaltiges Basismaterial. Der große Wert des agarstatistischen Führers liegt darin, daß statistische Informationen über landwirtschaftliche Betriebe sowie die in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung, die Bodennutzung und den Ernteertrag sowie die Viehhaltung, aufgegliedert nach Gemeinden und Oberamts- bzw. Amtsbezirken, entnommen werden können. Ferner sei noch hingewiesen auf zwei Arbeiten über die technische Entwicklung in der Landwirtschaft: Otto Schnellbach "Max Eyth 1836 - 1906" und Karl Rolf Schultz-Klinken "Die Entwicklung der ländlichen Handarbeitsgeräte in Südwest-Deutschland".

Für die Länder Baden und Württemberg steht eine größere Zahl von Einzelstudien und amtlichen Berichten und Statistiken über Lage der Landwirtschaft, Almenden, Feldsysteme und Fruchtfolgen, Kauf- und Pachtpreise landwirtschaftlicher Liegenschaften, Ernteerträge und Fruchtpreisentwicklung sowie Hopfenanbau, insbesondere in Württemberg, zur Verfügung, die meisten aus der Zeit vor 1945. Eine größere Beachtung verdient auch die Erforschung der Wandlungen in der Agrarstruktur durch Industrie und Fremdenverkehr. In diesem Themenbereich legte Fred Scholz (1971) eine Arbeit über den Nordschwarzwald vor. Zum Thema Viehhaltung entstanden vor allem seit Beginn des 20. Jahrhunderts Arbeiten über Rinder-, Pferde-, Schaf- und Bienenzucht. Wenig erforscht geblieben sind dabei die Entwicklung der heimischen Viehzucht in bezug auf die Schlachtviehversorgung und den Fleischverbrauch, sowie Veränderungen im Konsumverhalten der Bevölkerung bei landwirtschaftlichen Produkten. Interessant wäre auch eine soziologische und ökonomische Untersuchung über den Berufsstand der Viehhändler - lediglich über die Viehhändler in der Schweiz erschien eine Arbeit von Robert Uri Kaufmann. Auch fehlt eine umfassende Studie zu dem großen Agrarraum Oberschwaben-Allgäu und seiner Intensivwirtschaft.

I.4.2. Forstwirtschaft, Jagd und Fischerei

Zur südwestdeutschen Forstwirtschaft liegen zwei ältere Dissertationen vor: Die Arbeit von Mathäus Schmid (1909) über den süddeutschen Holzhandel beschreibt Produktions-, Absatz- und Transportverhältnisse und untersucht die Ertragssituation. Otto Riedle (1923) untersucht die Bedeutung der Forstwirtschaft für den staatlichen Haushalt, insbesondere für die Zeit zwischen 1900 und dem Ersten Weltkrieg. Umfangreichere Studien zum gesamten Südwesten, die auch Forstbau, Produktion und Veredelung umfassen, fehlen ebenso wie sozioökonomische Arbeiten über Holzhändler und Sägewerksbesitzerfamilien.

Zahlreicher sind dagegen Arbeiten über Baden und Württemberg. So liegen für Baden Detailergebnisse über soziales Verhalten, Entwicklung der badischen Staatsforsten sowie über Nutzholzverkehr und Preisentwicklung des Nadelholzes, Forstorganisation und Nutzungswandel vor. Hervorgehoben werden soll die 1983 erschienene Arbeit von Erich Wohlfarth zur Geschichte der fürstlich-fürstenbergischen Forstwirtschaft, die die Probleme Waldnutzung, Bergbau, Eisenwerke, Forstorganisation, Aufforstungen und die soziale Lage der Waldarbeiter miteinander verknüpft sowie die Interdependenzen der verschiedenen Teilaspekte aufzeigt. Dieser Forschungsansatz sollte zur Erforschung der südwestdeutschen Forstwirtschaft stärker in den Mittelpunkt gestellt werden. Zu Württemberg seien noch erwähnt die Arbeiten von Müller, die einen guten Einblick in den Stand der Forstwirtschaft um die Jahrhundertwende gibt, und die von Friedrich Carl Erbprinz zu Hohenlohe-Waldenburg erstellten "Grundzüge der Forstgeschichte des Hohenloher Landes".

Ähnlich wie bei der Erforschung der Forstgeschichte fehlen auch für die Erforschung von Weinbau und Weinhandel umfassende Studien für den Südwesten, vor allem eine grundlegende Entwicklungsgeschichte. Die bislang durchgeführten Untersuchungen vermitteln nur punktuelle Kenntnisse und genügen in der Regel den Anforderungen moderner wirtschaftshistorischer Forschung nicht. Völlig ausgeblieben sind bisher Arbeiten zur Kapitalbildung und Organisation im Weinbau und Weinhandel, zu den Absatzmärkten, nationalen und internationalen Handelsverflechtungen, zu Stand und Herkunft der Weinhändler- und Weingärtnerfamilien, zu den Einflüssen von Industrie auf die traditionellen Weinbaugebiete und Weinbaufamilien sowie zu der Frage nach einem gruppenspezifischen Sozialverhalten.

I.4.3. Roh- und Grundstoffe

Einen Überblick über die Rohstoffe bieten einige Arbeiten. Grundlegend sind dabei die Untersuchungen von Manfred Bräuhäuser (1912) "Die Bodenschätze Württembergs", von Rudolf Metz aus den 1970er und 1980er Jahren zu den Bodenrohstoffen im Schwarzwald sowie die Untersuchung von Maus mit dem Titel "Bodenschätze in Württemberg. Gewinnung und Nutzung in Geschichte und Gegenwart" (1988). Vor allem zum Thema Bergbau und Verhüttung sind seit Beginn des 20. Jahrhunderts, verstärkt seit 1945, zahlreiche Monographien und Aufsätze erschienen, so daß hier ein gutes Datengerüst für weiterführende Forschungen vorhanden ist. Neben Übersichten über die badischen und württembergischen Bergbaubetriebe (Föhrenbach, Ettwein, Steinecke, Reinert) gibt es vor allem eine Reihe von Untersuchungen über Bergbauregionen wie die Obere Donau, Ost-Württemberg, Schwarzwald und Odenwald sowie einzelne Berg- und Hüttenwerke. Bemerkenswert ist die Dissertation von Gottfried Plumpe "Die württembergische Eisenindustrie im 19. Jahrhundert", die die erste eingehende Analyse der staatlich-württembergischen Eisenindustrie im 19. Jahrhundert darstellt. Die Arbeit untersucht die innerbetrieblichen Organisationsstrukturen, Preise, Arbeitskräfte, Arbeitereinkommen und Sozialkosten, den Absatz, Maschinenbestand und technischen Fortschritt, die Energieproblematik sowie insbesondere Produktionstechnik. Ergänzend dazu wird das Wachstum der staatlichen Eisenindustrie erläutert. Die Arbeit kommt zu dem Ergebnis, daß das Wachstum der württembergischen Eisenindustrie dem Entwicklungspfad der deutschen Eisen- und Stahlindustrie folgte. Sie befaßt sich jedoch nicht mit der privatwirtschaftlichen Eisenindustrie, den Zusammenhängen zwischen der aufstrebenden württembergischen Metall- und Investitionsgüterindustrie, der Nachfrage nach dem privaten Verbrauch und den Investitionen sowie dem Einfluß der entsprechenden Industrien auf die Wachstumseffekte der staatlichen württembergischen Eisenindustrie. Unbeantwortet in der Forschung sind bisher auch die Fragen, in welchem Umfang die württembergischen Eisenwerke für die seit Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreich entstandenen Maschinenbauunternehmen im Lande Roh- und Halbfertigfabrikate lieferten und ob die neu gegründeten privatwirtschaftlichen Eisengießereien in Konkurrenz zu den staatlichen Werken traten. Eine andere erwähnenswerte Arbeit ist die wirtschaftsgeographische Untersuchung über die Erz- und Minerallagerstätten des mittleren Schwarzwaldes von Bliedtner und Martin (1986). Ausführlich werden die einzelnen Gangreviere und der alte Bergbau sowie die Geschichte des fürstenbergischen Bergbaus vorgestellt.

Bei den Untersuchungen über die Industrie Steine und Erden stehen zahlreiche Arbeiten und Firmenfestschriften zur südwestdeutschen Zementindustrie zur Verfügung. Trotzdem fehlt gerade in dieser wichtigen Teilbranche eine umfassende Studie, die die unternehmensgeschichtlichen Aspekte der führenden Unternehmen mit einschließt. Gut untersucht ist dagegen die Steinindustrie in Baden durch die Dissertationen von Rahlson (1903) und Leferenz (1913), die auch die Unternehmen sowie die sozialen Verhältnisse der Arbeiter mit einschließt. In der Gunst der Forschung stand mit den Arbeiten von Auerbach und Bihl vor allem in den 1920er Jahren die südwestdeutsche Ziegeleiindustrie, die neben Entwicklung einzelner Werke, Produktionsverhältnisse und Standort auch die soziale Lage der Arbeiter und die Kartellproblematik in dieser Branche untersuchten. Einen guten Überblick über die Entwicklung und den Stand der Natursteinindustrie in Baden zwischen 1800 und 1933 gibt die Dissertation von Alfons Josef Kist (1939).

Zahlreich ist die Literatur zur südwestdeutschen Salz- und Salinengeschichte in Form von Beschreibungen und Entwicklungsgeschichten einzelner Salinen, wobei ein zusammenfassender Überblick und eine Würdigung der Bedeutung dieser Branche noch aussteht.

I.4.4. Handwerk, Manufakturen und Industrie

I.4.4.1. Allgemein

Der Forschungsstand zur Industrialisierungsgeschichte ist bereits bei dem Gliederungspunkt I.3. vorgestellt worden. Ein weniger beachtetes Gebiet der landeshistorischen Forschung ist die Handwerksgeschichte für den deutschen Südwesten. Die Dissertation von Alfred Hammel (1933) über die Entwicklung des württembergischen Handwerks im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts hat sich diesem Themenbereich zugewandt. Sehr hilfreich sind die Werke von Gustav Schmoller "Zur Geschichte der deutschen Kleingewerbe im 19. Jahrhundert" und Rudolph Dietz über die Gewerbe im Großherzogtum Baden. Besondere Aufmerksamkeit verdient Helmut Sedatis mit seiner 1979 erschienenen Arbeit über "Liberalismus und Handwerk in Südwestdeutschland", die sich vor allem mit der Wirtschafts- und Gesellschaftskonzeption des Liberalismus und der wirtschaftlichen Krise des Handwerks im 19. Jahrhundert auseinandersetzt. Erwähnenswert sind noch die Erhebungen über die Lage des Kleingewerbes im Amtsbezirk Mannheim (1887/88). Zwar stecken in den vielen Orts- und Teilregionaluntersuchungen viele interessante Informationen und es lassen sich auch Entwicklungen für eng begrenzte Zeit- und Wirtschaftsräume nachvollziehen wie z. B. durch die Dissertation von Windmüller "Das Handwerk in Schwäbisch Hall vom Ende der Reichsstadtzeit bis zur Einführung der Gewerbefreiheit im Jahr 1862". Grundzüge einer Handwerksgeschichte seit Mitte des 19. Jahrhunderts sowie Teilanalysen wie über das Verhältnis zwischen Handwerk und beschleunigter Industrialisierung, über die wichtigsten Handwerkszweige, die staatliche Handwerkerpolitik sowie Untersuchungen zum großen und wichtigen Bereich sozialgeschichtlicher Fragestellungen fehlen.

Gerade der sozialgeschichtliche Bereich berührt das Handwerk besonders, weil es von jeher eine zentrale gesellschaftspolitische Rolle erfüllte und ein wichtiges Rekrutierungsreservoir für Arbeitskräfte und Führungsschichten der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft darstellte. Finden sich für die Zeit vor der Einführung der Gewerbefreiheit eher nur schlaglichtartige Hinweise auf das Handwerk, so fehlen vor allem für die Zeit des deutschen Kaiserreiches bis zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg die Informationen nahezu. Für den Forscher empfiehlt es sich, dazu die Schriften des Vereins für Socialpolitik heranzuziehen. Es fehlt auch eine wissenschaftliche Aufarbeitung, wie und wann Handwerksbetriebe zu Industriebetrieben wurden. Zwar wird angenommen, daß dieser Vorgang allmählich ab 1860 einsetzte, konkrete Ergebnisse, differenziert nach Branchen, mit einer Klärung, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um vom Übergang eines Handwerksbetriebs zum Industriebetrieb zu sprechen, liegen nicht vor. Der überwiegende Teil der unter I.4.4. aufgeführten Literatur zu den einzelnen Industriebranchen sind Firmenfestschriften, die als in der Regel nicht wissenschaftliche Untersuchungen nur eine begrenzte Aussagefähigkeit besitzen. Dennoch gibt es eine Reihe von Jubiläumsschriften, deren Aussagen sich auf Quellen aus Unternehmensarchiven stützen, und die eine fundierte Darstellung bieten. Unter dieser Festschriftengruppe ist der Anteil nicht für gering zu erachten, der infolge des Verlustes des Firmenarchivs die einzige Ersatzüberlieferung zur Geschichte einer Firma darstellt.

I.4.4.2. Automobilindustrie und Zulieferer

Zur Automobilgeschichte mit ihrer großen Tradition im Südwesten gibt es zahlreiche Firmenfestschriften der einzelnen Automobil- und Zuliefererindustrien. Für die Anfänge der Fahrzeugherstellung bis in die Weimarer Zeit liegen zeitgenössische Dissertationen von Hans Fründt und Odi Burkart vor, die die Entwicklung dieses Industriezweiges einschließlich Zuliefererindustrie, konjunkturelle Probleme, einzelne Unternehmen, Produktion, Absatz, Konkurrenz sowie auch Fragen zur Arbeiterschaft untersuchen. In diesen Rahmen gehört auch die Arbeit von Gerhard Horras (1982) über die Entwicklung des Automobilmarktes bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs. Diese Studie beleuchtet vor allem Themenbereiche wie Investition, Diffusion, Fusion, Vertriebsmethoden und die Konsumentenstruktur. Bedauerlicherweise hat die 1908 von Reinhard Hanf für die Daimler-Motoren-Gesellschaft durchgeführte unternehmensgeschichtliche Untersuchung über Investitionen, Betriebskämpfe und Krisenbewältigung noch keine weiteren Arbeiten angeregt. Im Jahre 1986 erschien die Daimler-Benz-Festschrift "Auf dem Weg zum Automobil". Während für Württemberg einige Monographien zum Thema Automobilindustrie erschienen sind, fehlen Untersuchungen zu den badischen Bereichen. Erhebliche Forschungslücken bestehen bei Untersuchungen über Nutzfahrzeugbau, Motorräder und Fahrräder sowie über den gesamten Bereich der Fahrzeugproduktion zwischen Weimarer Republik und dem Zeitraum nach dem Zweiten Weltkrieg. Was den Nutzfahrzeugbau in der Landwirtschaft betrifft, sei auf die Arbeiten von Gerhard Zweckbronner und Klaus Herrmann verwiesen.

I.4.4.3. Baugewerbe, Heizungen

In der Literatur über das Baugewerbe dominieren die Festschriften. Daneben existieren ältere Dissertationen über das Baugewerbe in Karlsruhe und Mannheim (Emil Heidelberger, Karl Rössler) für den Untersuchungszeitraum bis zum Ersten Weltkrieg, die auch den Themen Löhne, Spezialisierung und Konzentration im Baugewerbe nachgehen. Untersuchungen über den Zeitraum nach 1918 und über die württembergische Entwicklung liegen nicht vor.

I.4.4.4. Chemisches Gewerbe

Neben zahlreichen Festschriften sind für die chemische Industrie mehrere Untersuchungen, meist mit spezieller Berücksichtigung der Standortlehre, erschienen. Dazu gehören die Dissertationen von Josef Eulenberg "Der Standort der chemischen Industrie von Mannheim-Ludwigshafen" (1924) und Rudi E. K. Kratel "Württemberg und Baden als Standorte der chemischen Industrie" (1946). Vor allem die chemische Industrie im Rhein-Neckar-Kreis, insbesondere die BASF, stand seit der Jahrhundertwende im Vordergrund der Forschung, während der zweite große Chemiestandort Stuttgart keine eingehende Würdigung fand und nur in allgemeinen Überblicken über die chemisch-pharmazeutische Industrie Deutschlands (Carl C. Christiansen, Wilhelm Vershofen) mitbehandelt wurde. Bei der 1988 erschienenen Dissertation von Hans-Peter Leutner über Industrieunternehmen an der Neckarmündung, die auch ausführlich die Chemieunternehmen behandelt, endet der Untersuchungszeitraum jedoch Mitte der 1920er Jahre. Ansätze zur Biographie der südwestdeutschen Pioniere der chemischen Industrie sind durch kleinere Aufsätze sowie durch das Lebensbild über Gustav Siegle (Robert Piloty) erkennbar, jedoch wären auch hier für weitergehende Forschungen noch genügend Themen vorhanden. Neben sozialgeschichtlichen Fragen zu Herkunft und Konnubium der Chemieindustriellen interessiert vor allem die Kapitalverflechtung zwischen chemischer Industrie und den Banken. Hingewiesen sei auch auf die wissenschaftlich fundierte Festschrift zum 100jährigen Jubiläum der Firma Waldhof (Josef Wysocki) und auf die Arbeiten über die Sprengstoffindustrie, insbesondere die Pulverfabrik Rottweil. Insgesamt ist festzuhalten, daß ein Gesamtüberblick der chemischen Industrie für den südwestdeutschen Raum aussteht. Bei Detailuntersuchungen sollten die Schwerpunkte zukünftiger Forschung auf die Anfänge der chemischen Industrie, auf den Übergang zur industriellen Fertigung, vor allem zur Farben-, Lack- und pharmazeutischen Industrie, die Verbindung zwischen Drogenhandel und dem Anfang pharmazeutischer Industrie und auf den Zeitraum zwischen 1918 und 1960 gelegt werden.

I.4.4.5. Elektrotechnik

Im Bereich der Elektrotechnik wird die Literatur beherrscht von Festschriften und Beiträgen zur Geschichte der Firma Bosch sowie biographischen Abrissen über Robert Bosch, allen voran das Standardwerk von Theodor Heuss. Unabhängig der zahlreich erschienenen Literatur über die Firma Bosch fehlt eine unternehmensgeschichtliche Analyse auf der Basis moderner betriebswirtschaftlicher Methoden. Von herausragender Bedeutung sind die Aufsätze von Wolfgang Leiner über frühe elektrische Maschinen in Württemberg sowie eine Biographie über den württembergischen Pionier der Elektrotechnik, Paul Reisser. Leiner hat damit den Weg zu einer Verbindung von technik- und wirtschaftshistorischen Fragen aufgezeigt, der von der Forschung aufgegriffen und weitergeführt werden sollte. Dies gilt auch für Arbeiten über den Einzug der Elektrotechnik in die industrielle Fertigung sowie für detaillierte Vergleichsuntersuchungen zu konkurrierenden Energien nach 1870.

I.4.4.6. Holzverarbeitung

Neben einschlägigen zeitgenössischen Fachblättern für Holzstoffabrikation und Möbel- und Bauschreinerei existieren überwiegend ältere regionalhistorische und wirtschaftsgeographische Monographien über die Holzindustrie im Odenwald im Ersten Weltkrieg, im Schwarzwald sowie die Dissertation von Friedrich Wilhelm Wendlandt über die volkswirtschaftliche Auswirkung der Verdrängung des Holzes durch andere Werkstoffe. Zu erwähnen sind noch zahlreiche Festschriften von holzverarbeitenden Firmen und größeren Handwerksbetrieben sowie Innungen. Zwei lokal ausgerichtete Arbeiten über das Schreinergewerbe in Freiburg und Emmendingen beschäftigen sich mit Fragen des Rohstoffbezugs, der Arbeiterverhältnisse, des Geschäftskapitals, der Preispolitik und des Absatzes. Die moderne wirtschaftshistorische Forschung sollte an diese Ansätze anknüpfen, um zu flächendeckenden und damit globaleren Aussagen kommen zu können.

I.4.4.7. Lebens- und Genußmittelgewerbe

Zur Nahrungs- und Genußmittelbranche liegen ebenfalls zahlreiche Festschriften vor. Einen Überblick bis zum Anfang der 1920er Jahre bietet nur die Dissertation von Hans Brüggemann (1924) über Baden. Häufiger sind Arbeiten über die Brauereiwirtschaft in Württemberg und in Baden. Dabei stehen die Gesamtentwicklung der Branche sowie die Konzentrationsbewegungen nach dem Ersten Weltkrieg im Vordergrund. Die Entwicklung nach der Weimarer Republik wurde bisher nicht untersucht. Über die Sektherstellung gibt es nur zwei kleinere Arbeiten von Günter Weiss zur Sektkellerei Kessler.

Erstaunlich umfangreich wurden der badische Tabakanbau und die Tabakindustrie erforscht. Neben Festschriften und mehreren Dissertationen aus dem ersten Viertel des Jahrhunderts zur Entwicklungsgeschichte des Tabakanbaus, Tabakhandels und der Tabakindustrie wurden in neuerer Zeit auch die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Tabakarbeiterschaft eingehender Studien unterworfen. Erwähnt sei die Dissertation von Irmtraut Gensewich von 1985 über die Tabakarbeiter in Baden 1870 bis 1914. Einen neueren Ansatz zu diesem Thema lieferte Clemens Zimmermann (1987) in seiner Arbeit über die nordbadischen Tabakarbeiter im Zeitraum 1880 bis 1930. Ihm gelang es, neben der wirtschaftlichen Situation dieser Berufsgruppe auch ihre Stellung im dörflichen Kontext unter Berücksichtigung ihrer Mentalitäten darzustellen. Ein bislang in der wirtschaftshistorischen Forschung viel zu wenig beachtetes Gebiet sind die Strukturen und Entwicklungen wichtiger Märkte im 19. Jahrhundert. Eine interessante Arbeit dazu ist die Dissertation von Jörg Vögele über die Getreidemärkte am Bodensee. Mit Hilfe von wirtschaftsgeographischen Modellen, der Theorie der zentralen Orte und dem Modell von Thünen zeigt Vögele die Struktur der Marktbereiche von Radolfzell, Überlingen und Ravensburg auf. Die Arbeit geht auch der Frage nach, wie technische Innovationen den Getreidehandel in den Weltmarkt einbanden bzw. eine Verlagerung der Standorte bewirkte.

I.4.4.8. Feinmechanik, Optik, Uhren, Foto, Film

Zur Feinmechanik beschränkte sich die bisherige Forschung fast ausschließlich auf die Uhrenindustrie und deren Zuliefererbetriebe, die bereits seit Beginn des Jahrhunderts immer wieder Gegenstand von Dissertationen waren. Die zweibändige Arbeit von Gerd Bender (1975/78) zur Uhrenindustrie des Schwarzwaldes ist ein Standardwerk über Form und vor allem auch Technik der Schwarzwälder Uhren, die Uhrenindustrie, den Schwarzwälder Uhrenhandel und die wichtigen Uhrmacher und Uhrmacherfamilien. Dagegen gibt das Buch von Helmut Kahlert (1986) zwar eine umfassende, jedoch aber gekürzte Übersicht über die Schwarzwälder Uhrenindustrie, in der vor allem die Bereiche Produktion und Absatz, die Lage der hausgewerblichen Uhrmacher, die Uhrenfabrikation, die Konzentration und der Technologiewandel beschrieben wird. Daneben gibt es zahlreiche Firmenfestschriften und verschiedene Biographien, dabei mehrere über die Industriellenfamilie Junghans.

Zum Thema Waagenbau erschien 1924 die Dissertation von Max Schanz über die Präzisionswaagenindustrie Ebingens, Onstmettingens und Jungingens. Dagegen erfuhren solche Bereiche wie Werkzeug, Werkzeugmaschinen, Meßinstrumente, physikalischer Apparatebau, Nadeln und Feilen, die optische Industrie (Kino- und Fototechnik) und chirurgische Instrumente wenig Beachtung in der Forschung. In diesen Teilbereichen muß vor allem auf Festschriften verwiesen werden.

I.4.4.9. Flugzeugbau

Zum Flugzeugbau dominieren zahlreiche, meist populärwissenschaftliche Arbeiten über Graf Zeppelin und den Luftschiffbau. Dagegen sind nur wenige Untersuchungen über andere südwestdeutsche Flugpioniere wie Dornier, Henkel, Klemm und Hirth zu finden. Über den Mannheimer Luftschiffbau Schütte-Lanz erschien 1987 die Arbeit von Dorothea Haaland, die die Geschichte der innovativen Idee des Luftschiffes als zeitlich-räumlichen Prozeß von den Anfängen bis zum Niedergang betrachtet. Übergreifende Arbeiten, die neben Technik und Biographischem auch die Unternehmenspolitik und betriebswirtschaftliche Kennziffern der südwestdeutschen Flugzeugbauindustrie sowie ihre Stellung auf dem Weltmarkt untersuchen, fehlen.

I.4.4.10. Glasfabrikation

Über die Glasfabrikation existieren neben Festschriften einige Aufsätze zur Glasindustrie im Schwarzwald, im Allgäu und im Fürstenbergischen. Vor allem für den Zeitraum seit 1850 sind nur marginale Daten erhoben worden. Ein Gesamtüberblick, der auch die Wettbewerbssituation und die heimischen Glashütten im unternehmensgeschichtlichen Kontext zu anderen glaserzeugenden Regionen beschreibt, ließ bis heute auf sich warten.

I.4.4.11. Kunstgewerbe und Schmuckindustrie

Zahlreicher und informativ sind dagegen die Untersuchungen über die südwestdeutsche Bijouterie-, Schmuck- und Silberwarenindustrie. Im Vordergrund steht dabei die Pforzheimer Industrie. Hier gibt es auch neuere Überblicke wie von Erich Maschke (Hg.) "Die Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie" sowie die Monographien von Peter Tauch und Wolfgang Pieper von 1981 bzw. 1989. Dagegen wurde die Gold- und Silberverarbeitung in Schwäbisch Gmünd kaum behandelt, ebensowenig die zentrale Teilbranche der Versilberungsindustrie mit ihren Standortschwerpunkten Pforzheim, Esslingen und Geislingen. Gerade Untersuchungen zur Versilberungsbranche verdienen vom Wirtschaftshistoriker besondere Beachtung, da hier im Gegensatz zum Gold- und Silberschmiedegewerbe eine industrielle Großfertigung einsetzte. Dazu sei angemerkt, daß über die WMF derzeit von Volker Hecht eine Dissertation unter starkem unternehmensgeschichtlichem und betriebswirtschaftlichem Aspekt entsteht. Derselbe Autor hatte schon 1989 mit seiner Diplomarbeit: "Die Unternehmenskultur der Württembergischen Metallwarenfabrik 1880 - 1939" neue Forschungsfelder für unternehmensgeschichtliche Untersuchungen vorgezeichnet.

I.4.4.12. Maschinenbau, Gießerei, Schlosserei

Zum Themenbereich Maschinenbau sei auf zahlreiche Festschriften verwiesen, wobei vor allem ältere Jubiläumsschriften der Firmen Kuhn, Lanz, Maschinenfabrik Esslingen, Voith, Magirus, Werner & Pfleiderer für den Wirtschaftshistoriker manch brauchbare Informationen enthalten. Auch die Biographien über die Industriepioniere wie Kessler, Voith, Magirus, Lanz, Kuhn in Form von Aufsätzen, Hinweisen in Festschriften oder Monographien verdienen Beachtung. Der gesamte Bereich ist nur für Württemberg und nur bis zum Ersten Weltkrieg durch die Dissertation von Hanns Steudel aufgearbeitet worden. Insgesamt sollte jedoch diese Branche, die zu den klassischen des Südwestens zählt und den Ruf dieser Region im Industrialisierungsprozeß begründet hat, von der Forschung wesentlich mehr beachtet werden. Leider blieben die betriebswirtschaftlichen Analysen, die Volker Hentschel am Beispiel der Maschinenfabrik Esslingen und die Hannes Siegrist über die Fischer AG in Schaffhausen durchführten, bislang ohne Nachfolger. Gerade weitere Untersuchungen dieser Art wären für die Forschung wichtig, ebenso wie quantitative Untersuchungen für Teilbranchen des Maschinenbaus. Hier wären auch einzelne Zeitabschnitte zu erarbeiten, womit die unterschiedliche Entwicklung und das Unternehmerverhalten entsprechend den veränderten wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen dargestellt werden könnten.

I.4.4.13. Metallverarbeitendes Gewerbe, Schmiede

Zum Thema Metallverarbeitung dominieren die Festschriften fast aller großen Firmen. Zur Gesamtentwicklung der Eisengießereien in Württemberg liegen zwei Dissertationen vom Jahre 1931 (Walter Zaiser, Georg Händle) vor. Zur Geschichte der Metallindustrie in den einzelnen Städten oder Regionen gibt es nur oberflächliche Untersuchungen über Mannheim (Albert Baer) und Esslingen (Hans Straßacker) - beides Arbeiten, die veraltet sind und den heutigen Ansprüchen der Forschung nicht entsprechen, so daß auch hier für den Bereich der Metallverarbeitung wie für den des Maschinenbaus grundlegende Basisforschung nach modernen Methoden notwendig ist.

I.4.4.14. Mühlenbetriebe, Sägewerke

Die Geschichte des südwestdeutschen Mühlen- und Sägegewerbes ist durch ältere und neuere Literatur erstaunlich gut erforscht. So existieren zahlreiche, zum Teil recht umfangreiche Untersuchungen über die verschiedensten Mühlenarten wie z. B. Getreide-, Öl-, Pulver- und Gipsmühlen, einzelne Mühlen und Sägewerke sowie über kommunale und regionale Zentren dieses Gewerbes. Einen guten Überblick für das Mühlengewerbe in Baden und Württemberg bieten die Arbeiten von Max Fromm "Das Mühlenwerbe in Baden und in der Rheinpfalz" und Paul Karl Kaufmann "Das Mühlengewerbe in Württemberg und Hohenzollern". Die vorliegenden Arbeiten berücksichtigen auch die technische und kaufmännische Entwicklung sowie den seit dem 19. Jahrhundert einsetzenden Konzentrationsprozeß.

I.4.4.15. Musikinstrumente und Spielwaren

In der Musikinstrumentenbranche konzentriert sich die Forschung auf den Akkordeon-, Mundharmonika- sowie den Klavierbau, insbesondere auf die Firma Hohner. Im Spielwarenbereich steht die Firma Steiff sowie die Blechspielzeugindustrie im Vordergrund, vor allem der Marktführer Märklin, die Firmen Rock & Graner in Biberach und Ludwig Lutz in Ellwangen. Jedoch nehmen kunsthistorische und produktionstechnische Fragen in der Literatur über württembergisches Blechspielzeug breiten Raum ein, so daß auch hier, wie für die gesamte Spielwarenbranche, detaillierte unternehmensgeschichtliche Fragestellungen nur marginal beleuchtet werden.

I.4.4.16. Papier-, Tapeten- und Kartonagefabrikation

Zur Papier- und Kartonagenindustrie existieren Arbeiten über die Entwicklungsgeschichte in Württemberg und Baden, die vor allem Standort, Standortverschiebung, technischen Fortschritt, Export, Absatz und Rentabilität untersuchen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Arbeiten von Lore Sporhan-Krempel über die Papierherstellung in Ravensburg, Freiburg, Ulm, dem Filstal, Kocher, Oberschwaben und die Arbeiten von Frieder Schmidt über den württembergischen Papiermaschinenbau sowie die Industrialisierung der Papierherstellung im 19. Jahrhundert.

I.4.4.17./18. Pharmazie/Porzellan- und Fayencefabrikation

Untersuchungen über das Pharmazie- und Apothekenwesen sowie über die Porzellan-, Majolika- und Keramikherstellung unter wirtschaftshistorischen Aspekten sind nicht vorhanden.

I.4.4.19. Rüstungsproduktion

Die Erforschung der südwestdeutschen Rüstungsindustrie unter modernen wissenschaftlichen Ansprüchen gehört zu den Desideraten der wirtschaftshistorischen Forschung. Zu sehr besteht die vorhandene Literatur aus meist älteren Festschriften wie z. B. der Mauser-Werke, der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken in Berlin und Karlsruhe. Die neueren Arbeiten von Udo Vollmer "Die Bewaffnung der Armeen des Königreichs Württemberg und des Großherzogtums Baden" (1981) und Oswald Burger "Zeppelin und die Rüstungsindustrie am Bodensee" (1987) reichen nicht aus, um das äußerst komplexe Thema für die Südwestregion abzudecken. Dabei bedarf es nicht nur einer grundlegend neuen Aufarbeitung der Geschichte badischer und württembergischer Rüstungszentren, sondern auch der biographischen Erfassung der für diese Branche wichtigsten Industriepioniere wie z. B. Max Duttenhofer.

I.4.4.20. Textilgewerbe, Bleichereien, Färbereien

Zur Entwicklung der badischen und württembergischen Textilindustrie wurden seit der Jahrhundertwende wie in kaum einem anderen Wirtschaftszweig eine Vielzahl von Monographien, meist Dissertationen, erstellt. Neben der Leitbranche Baumwolle wurden auch die Leinen-, Trikotagen- und Wirkwarenindustrie, Konfektionsindustrie, der Cattundruck und die Verbandstoffindustrie untersucht. Dabei wurden Baden wie Württemberg gleichermaßen beachtet. Da das Schwergewicht der Entstehung der Arbeiten zwischen 1910 und 1940 liegt, endet der Untersuchungszeitraum oft mit dem Ersten Weltkrieg oder der Weimarer Zeit, so daß der Entwicklungsüberblick bis in die 1960er/1970er Jahre noch aussteht. Den vorhandenen Monographien ist gemeinsam, daß sie meist deskriptiv die Entwicklungsgeschichte aufzeigen und kaum gezielt zu wirtschaftshistorisch relevanten Fragen Stellung beziehen, so daß auch auf diesem Gebiet noch erhebliche Forschungslücken bestehen. Ungeachtet dessen bieten die Arbeiten eine Fülle von interessanten Daten, die aus Quellen geschöpft wurden, die heute nach 30 bis 70 Jahren größtenteils nur noch reduziert vorhanden sind. Erfreulich ist dabei, daß sich darunter Untersuchungen befinden, die, wie z. B. Heinrich Herkner "Die Oberelsässische Baumwollindustrie und ihre Arbeiter", auf die wichtige elsässische Textilregion ausgreifen und die bestehenden Verflechtungen in produktionstechnischer, absatz- und kapitalmäßiger Hinsicht berücksichtigen.

Bedauerlicherweise ist auch in den letzten Jahren nur wenig in diese Richtung weitergeforscht worden. Ein Standardwerk ist die Arbeit von Jacob Toury (1984) über die jüdischen Textilunternehmen in Baden-Württemberg. Das Schwergewicht liegt hier auf der Zeit zwischen 1860 und 1938. Toury gelang ein fundierter Überblick über die Standortverteilung jüdischer Groß- und Kleinbetriebe und arbeitete die Zentren der jüdischen Textilindustrie in Freiburg, Konstanz, Karlsruhe, Mannheim, Hechingen, Göppingen und Ulm heraus. Aussagen über die Verteilung jüdischer Unternehmen in kleineren Orten schließen sich an. Besondere Berücksichtigung finden die jüdischen Textilbetriebe im Großraum Stuttgart, auch Spezialbetriebe wie Kunstwoll-, Putzwoll-, Sack- und Bettfedernfabriken wurden untersucht. Strukturvergleiche zwischen Baden und Württemberg werden gezogen, gefolgt von einem Kapitel über die jüdische Textilindustrie im Nationalsozialismus.

Einer bisher in der Forschung nicht gestellten Frage nach Selbst- und Fremdfinanzierung von Investitionen geht Gert Kollmer (1987) mit seinem Aufsatz "Die Finanzierung von Investitionen in der württembergischen Textilindustrie 1830 - 1914" nach. Eine Dissertation von Marcus Plehn (1990) widmet sich der bislang vernachlässigten Verbandsstoffgeschichte, die in Württemberg mit der Firma Hartmann in Heidenheim a. d. Brenz eng verbunden ist. Die Arbeit berücksichtigt die Geschichte dieses Unternehmens und zeigt damit die große Forschungslücke wissenschaftlich fundierter Unternehmensgeschichten auf. Moderne Forschungsansätze sind erkennbar in der Dissertation von Arndt Kienlin (1956) über die Marktbeziehungen der Kammgarnspinnerei Merkel & Kienlin. Eine detaillierte mikroökonomische Untersuchung auf breiterer Basis gelang in neuerer Zeit Vera Bloemer mit ihrer Dissertation über das traditionsreiche Textilveredelungsunternehmen Württembergische Cattunmanufaktur. Sie geht der Frage nach, welche Indikatoren unternehmerische Aktivitäten, Planungen und Entscheidungen auslösten und beeinflußten. Sie beleuchtet Unternehmensstrategien und zeigt auf, welche Vernetzungen zwischen Entscheidungsträgern, Umwelt, Standort, Staat und Markt entstanden sind. Es ist zu hoffen, daß diesem Ansatz weitere Unternehmensanalysen folgen werden.

I.4.5. Dienstleistungsgewerbe

I.4.5.1. Handel

Neben Arbeiten über den deutschen Außenhandel, die auch die südwestdeutschen Länder berücksichtigen (Gerhard Bondi, Bodo von Borries) gibt es einige ältere Arbeiten zu Getreidehandel und -versorgung. Erwähnt sei auch hier die Dissertation von Vögele, die bereits vorgestellt wurde. Hingewiesen sei auf die Dissertationen von Hugo Kramer (1912) über Lage des Kleinhandels, Fachausbildung, Preisbildung und Überkapazitäten, sowie von Hans Peter Huß (1977) über die Gründung und Entwicklung der württembergischen Konsumvereine bis zum Jahr 1871, insbesondere über deren Beziehung zur Arbeiterbewegung.

Ausführlich erforscht wurde das Hausiergewerbe - auch für einzelne Regionen und Orte - vor der Zeit des Ersten Weltkriegs. Standardwerke dazu sind Eugen Dennig "Der Hausierhandel in Baden" und Otto Trüdinger "Das Hausiergewerbe in Württemberg". Ferner gibt es ordnungspolitische Literatur und Statistiken aus der Zeit.

I.4.5.2. Spedition und Transport

Zum Themenbereich Spedition und Transportwesen gibt es zahlreiche zeitgenössische Veröffentlichungen über Tarife, Frachtsätze und staatliche Bestimmungen für den Verkehr auf Straße, Wasser und Schiene. Daneben existieren Untersuchungen über Lohn- und Arbeitsverhältnisse in dieser Branche. Zu größeren Speditionen und Lagerhausgesellschaften wie Rhenus, Paul von Maur und Stromeyer wurden eine Reihe von Festschriften verfaßt.

I.4.5.3. Kreditinstitute, Versicherungsgewerbe

Das gesamte Bankwesen und Kreditgeschäft ist ebenfalls eines der dringenden Desiderate in der südwestdeutschen Wirtschaftsgeschichtsforschung. Neben Bankenfestschriften, die häufig einen längeren geschichtlichen Abriß der Institute liefern, gibt es kaum regionale wissenschaftliche Untersuchungen, so daß für viele Fragen die Standardliteratur zum deutschen Bankwesen bemüht werden muß. Insbesondere die wirtschaftshistorische, landeskundliche Forschung hat sich diesem Themenbereich kaum zugewandt. Zu nennen wären nur die Aufsätze von Matthias Bergner über den Konzentrationsprozeß im württembergischen Bankwesen sowie von Bernhard Kirchgässner über den Aufstieg Mannheims als Bank- und Versicherungsplatz im Deutschen Kaiserreich (1977) und zur Geschichte der Deutschen Bank Mannheim und ihrer Vorgänger (1988). Kirchgässner knüpft dabei an einige ältere Arbeiten zum Bankplatz Mannheim und Ludwigshafen (Eustach Mayr, Felix Hecht und Conrad Kleefeld von Wüstenhoff) an. Unerforscht ist der Bankplatz Stuttgart. Eine erste Arbeit dazu ist die Diplomarbeit von Wilhelm Hohmann (1988). Mehr als Handbuch zu gebrauchen listet sie mit Kurzdarstellungen die Privatbanken in Stuttgart seit 1865 auf.

Einen ersten Überblick über die Bankengeschichte Badens bietet die Arbeit von Rudolf Haas (1970), die die Entwicklung des Bankwesens im deutschen Oberrheingebiet nachzeichnet. In Ermangelung ausführlicherer Arbeiten ist diese Monographie zu einem Standardwerk geworden. Daneben finden sich mehrere ältere Studien über die rheinischen und pfälzischen Hypothekenbanken, die ländlichen Darlehenskassen und die Mannheimer Banken (Felix Hecht, 1890 - 1902) sowie einige Untersuchungen über das badische Sparkassenwesen (Viktor Homburger, Hermann Nagel, Robert Frank). Für Württemberg stehen im Vordergrund die Arbeiten von Felix Hecht "Bankwesen und Bankpolitik in süddeutschen Staaten 1819 - 1875" (1880), Rudolf Kaulla "Organisation des Bankwesens in Württemberg in ihrer geschichtlichen Entwicklung" (1908) und Arthur Löwenstein "Geschichte des Württembergischen Kreditbankwesens und seine Beziehungen zu Handel und Industrie" (1912). Allerdings fehlt bei diesen Arbeiten die gesamte Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Dennoch sind diese Arbeiten, allen voran die von Löwenstein, eine unverzichtbare Lektüre bei der Beschäftigung mit der württembergischen Bankengeschichte. Sie enthalten umfangreiches Zahlenmaterial, das nur schwer oder durch Quellenverluste gar nicht mehr zugänglich ist. Daneben gibt es noch ältere Dissertationen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg über Sparkassenwesen, Privatnotenbanken, Bodenkreditinstitute und Genossenschaftsbanken. Auch für diese Untersuchungen gilt, daß sie meist rein deskriptiv sind und moderne unternehmensgeschichtliche Fragestellungen wie Management und Marktstrategien nicht beinhalten. Hier ist ein weites Feld für zukünftige Forschungen gegeben.

I.4.5.4. Versicherungen

Satzungen und Beschreibungen der einzelnen Versicherungsarten der Versicherungsgesellschaften existieren in großer Anzahl, dagegen ist die Geschichte der Versicherungswirtschaft durch wissenschaftliche Arbeiten noch weniger erschlossen als die der Kreditwirtschaft. Das in Württemberg und Baden bedeutende Versicherungswesen, von dem viele Impulse für die gesamte deutsche Versicherungswirtschaft ausgingen, sollte daher ebenfalls einen bevorzugten Platz in der zukünftigen Wirtschaftsgeschichtsforschung einnehmen. Bis dahin sei auf die zum Teil sehr ausführlich und solide erarbeiteten Festschriften des Stuttgarter Vereins, der Allgemeinen Rentenanstalt, der Württembergischen Feuerversicherung, der württembergischen und badischen Gebäudebrandversicherungsanstalten, der Allgemeinen Ortskrankenkassen, Karlsruher Lebensversicherung und der Mannheimer Versicherungsgesellschaft verwiesen.

I.4.5.5. Versorgung und Ernährung

Die Arbeiten zur Versorgung und Ernährung beschränken sich auf die Fleisch-, Milch- und Brotversorgung, insbesondere für die Zeit des Ersten Weltkriegs und die Anfangsjahre der Weimarer Republik.

I.4.5.6. Fremdenverkehr und Gastgewerbe

Zum Thema Fremdenverkehr und Gastgewerbe ist die zeitgenössische Literatur sehr zahlreich. Neben Hotel- und Gasthausführern stehen Beschreibungen von Bädern, Mineralquellen, Heilanstalten und deren Wirkungen sowie die geographische und kulturelle Beschreibung der Kurorte und ihrer Umgebung, insbesondere von Baden-Baden, Freiburg, Stuttgart, Heidelberg und Mannheim sowie der Schwarzwald- und Bodenseeregion im Vordergrund. Seit ca. 1880 wird auch der volkswirtschaftliche Aspekt des Fremdenverkehrs zunehmend thematisiert, wobei jedoch Untersuchungen mit Anwendung moderner volks- und betriebswirtschaftlicher Instrumentarien und Fragestellungen für diesen wichtigen Gewerbezweig sehr erwünscht wären.

I.4.5.7. Nachrichtenübermittlung und Post

Bei der Nachrichtenübermittlung und Postgeschichte dominieren ältere Bestimmungen und Tarife zum Post- und Telegraphenverkehr, Posttransportordnungen und Postverträge zwischen den einzelnen Staaten. Unter sozialhistorischem Aspekt sei auf einige zeitgenössische Arbeiten zu den Personal- und Arbeitsverhältnissen der Postbeamten hingewiesen. Hilfreich zu Einzelproblemen sind die postgeschichtlichen Blätter und Hefte aus Württemberg und die "Bibliographie zur württembergischen Postgeschichte" von Hermann Wolpert. In neuester Zeit wurde die Geschichte der Thurn- und Taxis'schen Post und ihre Verbindung zu den südwestdeutschen Staaten durch die Arbeiten von Klaus Hermann und Walter Carganico gut erforscht. Interessant wäre jedoch eine gründliche und umfassende Aufarbeitung des badischen und württembergischen Postwesens unter wirtschafts- und sozialhistorischen Fragestellungen.

I.5. Verbände, Handelskammern

Zu den Wirtschaftsverbänden existieren zahlreiche Festschriften, übergreifende und zu-sammenfassende Publikationen wurden bisher nicht erstellt. Anders verhält es sich bei den Handelskammern, die sowohl durch zahlreiche ältere wie neuere Literatur, meist Festschriften, gut erschlossen sind. Die Jubiläumsschriften sind in der Regel sehr ausführlich und solide gearbeitet. Besonders hervorzuheben seien hier die Arbeiten von Franz Carl Huber, Walther Mosthaf und Harald Winkel zum württembergischen Kammerwesen, sowie für den badischen Bereich von Arthur Blaustein und Franz Kaiser über Mannheim und Freiburg.

I.6. Werbung, Ausstellungs- und Messewesen, Veranstaltungen und Museen

Zum Messe- und Ausstellungswesen gibt es eine Fülle von gedruckten Quellen in Form von Berichten, Katalogen, Rechenschaftsberichten, Verzeichnissen der öffentlichen Bekanntmachungen und Würdigungen in Zeitungen und amtlichen Blättern. Wissenschaftlich umfassend aufgearbeitet wurde in neuester Zeit das württembergische Ausstellungswesen im 19. Jahrhundert durch die Dissertation von Herbert R. Schwankl und die Diplomarbeit von Dieter Ehmann. Wünschenswert wären vergleichbare Analysen für Baden.

I.7. Konjunktur, Einkommen und Preise

Der gesamte Bereich der Konjunktur-, Einkommens- und Preisforschung ist in der südwestdeutschen Wirtschaftsgeschichte kaum Gegenstand der Forschung gewesen. Hingewiesen sei auf die Arbeiten von J. Nothardt über das Volksvermögen und Volkseinkommen in Württemberg, sowie von Adam Müller über Reallöhne und Haushaltungskosten vor und nach dem Ersten Weltkrieg unter besonderer Berücksichtigung des Arbeitsmarktes Mannheim-Ludwigshafen. Sonst existieren nur einzelne Arbeiten zur Lohnentwicklung besonderer Berufsgruppen oder zu Kosten der Lebenshaltung in einzelnen Städten (Stuttgart oder Mannheim), meist nur für den Zeitraum zwischen 1880 und 1920.

Zur Insolvenzforschung sei die Arbeit von Friedhelm Gehrmann genannt. Sie sollte jedoch nur als Anregung für ein Feld intensiver Forschung verstanden werden, da in den bisherigen Untersuchungen in der Regel nur erfolgreiche, jedoch nicht die gescheiterten Unternehmen und die Hintergründe dazu sowie die Thematik der Fehlgründungen erwähnt sind.

Auch eine systematische Darstellung der Konjunkturverläufe und die Erhebung von Preis- und Einkommensreihen bilden für die gesamte Wirtschaftsgeschichtsforschung eine unverzichtbare Basis. Für den badischen Bereich fehlen sie ganz. Für Württemberg kann die Arbeit von Loreth genauere Forschungen nicht ersetzen, da viele Zahlenreihen lückenhaft oder hypothetisch sind. Da es sich hierbei um zentrale Grundlagenforschung handelt, sollte dieser Bereich möglichst bald in das Blickfeld der Forschung gerückt werden.

II. BEVÖLKERUNG UND SOZIALES

Der Bereich der Bevölkerungsentwicklung ist in der Aufarbeitung weiter fortgeschritten. Es existieren bereits seit den 1920er Jahren sowohl flächendeckende als auch lokale Untersuchungen. Neuere Arbeiten von Wendelin Klaer (1963), Gerhard Kröner (1976) und Josef Kerkhoff mit seinem Beitrag zum Historischen Atlas Baden-Württemberg berücksichtigen auch den Zeitraum des Nationalsozialismus und des Wiederaufbaus. Einen interessanten und nicht allein auf statistischen Reihen beruhenden Forschungsansatz der historischen Demographie zeigt Renate Karoline Adler mit ihrer Dissertation über die Entwicklung des menschlichen Reproduktionsverhaltens am Beispiel der Schwarzwalddörfer Aach und Schönmünzach (Kreis Freudenstadt).

Zur Entwicklungsgeschichte der Sozialstruktur in Baden und in Württemberg verdienen vier Dissertationen aus den 1920er Jahren Beachtung. Sie umfassen die berufliche und soziale Schichtung der Bevölkerung im ehemaligen württembergischen Schwarzwald-, Donau- und Jagstkreis sowie der Landeskommissariatsbezirke Konstanz und Freiburg zwischen 1850 und 1907. Darüber hinaus fehlen Regionalstudien und ein Gesamtüberblick für die Länder Baden und Württemberg. In jüngster Zeit haben Wolfgang von Hippel und Sylvia Schraut anhand ausgewählter Beispiele wie Ludwigshafen, Mannheim und Esslingen die regionale und soziale Herkunft der Bevölkerung untersucht, Peter Kühn die der Mannheimer Unterschichten. Peter Borscheid leistete mit seiner Untersuchung zur materiellen Lage alter Menschen in Südwestdeutschland (1983) einen Beitrag in einem bislang unbearbeiteten Gebiet der Sozialgeschichte.

Für die Stellung und Einordnung des württembergischen Adels im konstitutionellen Staat ist die Dissertation von Gisela Herdt (1970) zu empfehlen. Weitere Untersuchungen über Baden oder z. B. über Standesverhalten des Adels im fortschreitenden Industrialisierungsprozeß und dessen wirtschaftliche Beteiligungen blieben aus. Das bürgerliche und bäuerliche Sozialverhalten in Württemberg und Baden sollte vermehrt zum Gegenstand der Forschung werden.

Bei den Darstellungen zu Berufsgruppen dominieren Untersuchungen zur Arbeiterschaft. Richtungsweisend für die neuere Forschung sind dabei die seit Mitte der 1970er Jahre erschienenen, von Werner Conze angeregten Arbeiten von Heilwig Schomerus über die Arbeiterschaft der Maschinenfabrik Esslingen und von Peter Borscheid über die Textilarbeiterschaft in der Industrialisierung. Die Arbeiten bieten wesentliche Aufschlüsse über Ausbildung, Aufstiegsmöglichkeiten, soziale Differenzierung bzw. Nivellierung der Fabrikarbeiterschaft sowie Saisonarbeit und Fluktuation einer mobilen Arbeiterschaft.

Mehrere ältere Arbeiten aus dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts beschäftigen sich mit der wirtschaftlichen Lage bestimmter Arbeitergruppen bzw. mit Arbeitern aus verschiedenen Branchen und Firmen. Beispielhaft sei hier die Dissertation von Rudolf Haible (1923) über die Arbeiter der Maschinenfabrik Weingarten genannt, die einen sehr informativen Einblick in Arbeits- und Lohnbedingungen, soziale Herkunft der Arbeiter, Beruf der Eltern, Ausbildung, Freizeit, Wohn- und Lebensverhältnisse in der Maschinenfabrik Weingarten gibt. Interessant ist das Untersuchungsfeld Erfolgsbeteiligungen und Vermögensbildungen, die Jürgen Mulert bei Bosch für die Zeit von 1886 bis 1945 erforscht hat.

Fragen über die Entstehung der Arbeiterbewegung wurden seit den 1980er Jahren intensiver nachgegangen, so für die Stadt Singen am Beispiel der Georg Fischer AG und der Firma Maggi (Gerd Zang Hg.). Andrea Hinsche legte 1989 eine Dissertation über den württembergischen Landesverband evangelischer Arbeitervereine vor. Zur bislang kaum beachteten Geschichte der Streiks im Südwesten haben Uta Stolle und vor allem Marlis Prinzing mit ihrer Arbeit über den Streik bei Bosch im Jahre 1913 neue Einblicke vermittelt: Nicht der konjunkturbedingte Lohnabbau oder ein sich verstärkender Rationalisierungsdruck, sondern vor allem die strukturelle Krise der Gewerkschaftspolitik führte zum Streik von 1913. Auch hier ist zu hoffen, daß weitere Forschungen der Gewerkschaftsgeschichte Südwestdeutschlands folgen.

Über Beamtentum und Beamtenpolitik in Baden gibt es eine neue Untersuchung von Hans-Georg Merz. Eine vergleichbare Analyse der Themenkreise sozialen Verhaltens und sozialer Strukturen, wie sie Hans-Joachim Henning in seiner Habilitationsschrift für die preußischen Westprovinzen vorlegte, fehlt bisher.

Wenig untersucht ist die wirtschaftliche und soziale Lage des Bauernstandes und des Gesindes sowie die der Handwerkerschaft in der Industrialisierung. Neben einigen älteren Arbeiten zur wirtschaftlichen Lage, zu Lehrverhältnissen, Gesellenwesen, Kontorlehrlingen gibt die Dissertation von Edgar Hanns Dittmann eine gute Übersicht über die Geschichte des Lehrlingswesens im badischen Handwerk. Ferner wurde 1984 von Ulrich Engelhardt ein Sammelband herausgegeben, der sich mit dem Handwerk und der Problematik dieser Berufsgruppe in der Industrialisierung beschäftigt (Organisation, wirtschaftliche Lage der Meister und Gesellen, Wanderung, politisch-soziale Interessen, Konflikte, Verhalten zwischen Handwerkern und Arbeitern). Zur sozialen Lage der Unter- und Mittelschicht mit ihren zunehmenden Aufstiegsmöglichkeiten in der Industrialisierung existiert überwiegend ältere Literatur. Hingewiesen sei nochmals auf die neuere Arbeit von Sylvia Schraut. Aber auch hier bedarf es noch moderner, lokal- und regionaldifferenzierter sozialhistorischer Analysen.

Untersuchungen über die Unternehmerschaft leiden daran, daß sie meist rein genealogisch deskriptiv sind und sozialhistorischen Fragestellungen nach Herkunft, Heiratsverhalten, kulturellem und politischem Engagement nicht nachgehen. Bis in die 1970er Jahre hatte sich selbst die neuere unternehmensgeschichtliche Forschung dieses Themenkomplexes nur marginal angenommen. Solche Ansätze finden wir erst in neueren Untersuchungen wie die von Sibylle Hoffmann und Gertrud Streit über das soziale und kulturelle Wirken der Textilunternehmerfamilien Schachenmayr-Bareiß oder Tenbrink, sowie in den Beiträgen über die Industriellenfamilie Staub in der bereits erwähnten Monographie über Dorf und Baumwollspinnerei Kuchen (Hg. von Christel Köhle-Hezinger und Walter Ziegler). In Bearbeitung sind die Untersuchungen von Gerhard Bleifuß über die Textilunternehmer-Familie Otto und von Wolfgang Strümper über die Mannheimer Unternehmerschaft.

Nahezu ausgeklammert von der Forschung blieben bisher Untersuchungen zum Stand der Freiberufler wie Anwälte und Steuerberater; über Ärzte in Württemberg arbeitete Annette Drees.

Fragen zu Untersuchungen des Armenwesens, der Armenpolitik und besonders über Sozialverhalten und Möglichkeiten zur Veränderung des Standes durch die Industrialisierung wurden zwar teilweise in Arbeiten aufgegriffen, jedoch nie umfassend in einer schichtspezifischen Analyse behandelt, ebensowenig das in den letzten Jahren moderne Thema "Frauen in der Geschichte". So gibt es zwar einige zeitgenössische Abhandlungen zur Frauenbewegung und Frauenarbeit, kleinere Untersuchungen über herausragende Persönlichkeiten sowie die Arbeiten von Christel Köhle-Hezinger über die Frauen in der Maschinenfabrik Esslingen, von Marie Baum über die Lohnarbeiterinnen in Karlsruhe sowie von Maria Bidlingmaier über Bäuerinnen, jedoch fehlen geschlechtsspezifische Untersuchungen über Arbeiterinnen und Angestellte in den einzelnen Branchen.

Besser untersucht ist die Kinder- und Jugendfürsorge sowie die Jugendkultur durch die neu erschienenen Dissertationen von Angelika Schwall-Düren, Andreas Gestrich und Gebhard Stein. Reizvoll wären gerade im Bereich der Jugendkultur vergleichende Analysen zwischen verschiedenen Industrieplätzen sowie zwischen dörflichen und städtischen Gebieten und die sich daraus ableitenden Auswirkungen auf Sozialverhalten und Beruf.

Zur Geschichte der Juden, jüdischen Gemeinden und rechtlichen Stellung der Juden in beiden Landesteilen gibt es eine Fülle von Arbeiten, seit den letzten 20 Jahren verstärkt über die Bedeutung der Juden für die Entwicklung der Privatwirtschaft in Städten (Hechingen, Göppingen, Laupheim, Mannheim, Stuttgart). Jedoch fehlen zu diesem wichtigen Fragenkomplex noch umfassende und detaillierte Studien, ebenso wie für jüdische Unternehmer, ihre Aufstiegsmöglichkeiten, ihr Sozial- und Heiratsverhalten sowie zur Sozialstruktur. Fast unerforscht sind wissenschaftlich fundierte Biographien über herausragende jüdische Industrielle und Bankiers wie Alexander Pflaum oder Hermann Rothschild sowie über jüdische Unternehmerfamilien. Der Aufsatz von Paul Sauer über jüdische Industriepioniere und Sozialreformer kann hierbei als Anregung gelten. Längst überfällig ist eine ausführliche Darstellung vom Leben und Werk Kilian Steiners, der einer der fähigsten Bankiers in Württemberg war und die Bankenstruktur des Landes wesentlich und nachhaltig beeinflußte. Über die jüdische Textilindustrie Württembergs sei nochmals auf die Arbeit von Jacob Toury verwiesen.

Zur Migrationsgeschichte gibt es einige grundlegende Untersuchungen, zuletzt die Arbeit von Wolfgang von Hippel "Auswanderung aus Südwestdeutschland". Zur Auswanderungsbewegung sind zahlreiche Arbeiten erschienen, die sich vor allem mit Auswanderungsgründen, Auswanderungspolitik und Auswanderungsförderung befassen, so daß dieser Themenbereich bereits gut aufgearbeitet wurde.

Seit den 1880er Jahren bis in die Weimarer Zeit waren Wohnverhältnisse, Miete, Wohnungsnot und Wohnungspolitik häufig Forschungsgegenstand. Insbesondere für die großen Städte wie Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe, Freiburg und Stuttgart wurden spezielle Untersuchungen durchgeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandte sich die Forschung mehr der Entwicklung des Städtebaus, der Wohnarchitektur, der Arbeiter- und bürgerlichen Wohnkultur sowie der Arbeiterwohnsiedlungen zu. Zu diesem Bereich legte Peter Kirsch (1982) eine umfassende Dissertation für Württemberg in der Zeit des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkriegs vor. Zum Arbeiterwohnungsbau erschienen die neueren Arbeiten von Jörg Haspel über Württemberg und Karl-Heinz Ruess über Ulm, Barbara Hahn erforschte den geförderten Wohnungsbau in Mannheim. Über den Baugenossenschaftsgedanken, das Siedlungswesen und das Bausparkassenwesen stehen solche Untersuchungen noch aus. Wolfgang von Hippel, Ute Mocker und Sylvia Schraut haben mit sozial- und wirtschaftshistorischen Fragestellungen das Wohnen im Zeitalter der Industrialisierung am Beispiel Esslingens erforscht. Bautätigkeit, Städteentwicklung, Wohnen, Haustypen und Wohnausstattungen werden unter Berücksichtigung der Bevölkerungsentwicklung, sozialer Gruppenzugehörigkeit, der Sozialprofile von Straßen und Stadtteilen sowie schicht- und gruppenspezifischen Wohnverhaltens dargestellt - eine Studie, die auch für andere Städte durchgeführt und auch auf das zwanzigste Jahrhundert ausgedehnt werden sollte. Zu diesem Forschungsbereich gehören auch Untersuchungen zur Wohnkultur bürgerlicher Oberschichten, wie sie Gert Kollmer und Julius Fekete für Esslingens Fabrikantenvillen vorlegten.

Ein insgesamt kaum erforschtes Gebiet ist die Arbeitswelt von Arbeitern und Angestellten, Technikern und Kaufleuten seit dem Beginn der Industrialisierung. Gut belegt sind die Fabrikinspektion (z. B. Wolfgang Bocks) und Dienstanweisungen für den Öffentlichen Dienst durch zeitgenössische gedruckte Quellen, die Arbeitslosenfürsorge und Arbeitsverwaltung durch Festschriften. Jedoch zur Arbeiter- und Angestelltenkultur in ihrer berufsspezifischen Ausprägung wurde für den Südwesten kaum geforscht. Beispielhaft seien hier der Aufsatz von Christel Köhle-Hezinger über die Beamten der Maschinenfabrik Esslingen, die Arbeiten von Fritz Schumann, Karl Keck, Friedrich Woerishoffer, Heilwig Schomerus, Peter Borscheid und Eduard Föhlisch angeführt. Hier müßten weitere branchenspezifische Untersuchungen folgen und Vergleichsanalysen angestellt werden. In Bälde wird die Dissertation von Gerhard Mauch "Entwicklung und Ausgestaltung betrieblicher Sozialleistungen in Württemberg im 19. Jahrhundert" erwartet, in der auch Fabrikordnungen ausgewertet sind. Völlig unbearbeitet ist die Verbindung zwischen Technik und Arbeitswelt. So wäre es eine interessante Fragestellung, wie sich technische Innovation und Investitionen auf die Arbeitswelt auswirken.

Zur Entwicklung des Genossenschaftswesens gibt es neben Statuten und Satzungen Festschriften und wissenschaftliche Arbeiten zu den verschiedensten Ausprägungen des Genossenschaftsgedankens. Die neueste Arbeit auf diesem Gebiet ist die Dissertation von Hans Heß über die Gründung und Entwicklung der württembergischen Konsumgenossenschaften. Neue Untersuchungen für den badischen Bereich stehen noch aus.

Zum Gesundheitswesen erschienen neben zeitgenössischen Medizinalberichten einige ältere und neuere Arbeiten zur Geschichte von Krankheiten und Epidemien, zur Gesundheitspflege, zur Ärzteversorgung sowie zur Impfgesetzgebung. Dabei dominieren Untersuchungen für Württemberg. Im Bereich der Heil-, Pflege- und Krankenanstalten sowie der Wohlfahrtspflege und des Fürsorgewesens wurden zahlreiche Aufsätze und Festschriften geschrieben. Auch dem Apothekenwesen hat sich die Forschung zugewandt. Jedoch wurde der gesamte Bereich des Gesundheitswesens in der regionalen Sozial- und Medizingeschichte der letzten zwanzig Jahre zu wenig berücksichtigt. Arbeiten über die staatliche Gesundheitspolitik und die Ausbreitung von Krankheiten nach dem Ersten Weltkrieg sind kaum vorhanden. Überhaupt sollte sich die allgemein ausgerichtete Geschichte der Medizin wie die Wirtschaftsgeschichte mehr der Regionalforschung zuwenden.

III. STAAT, VERFASSUNG, RECHT

Neben einer fast unübersehbaren Anzahl von Orts- und Stadtgeschichten gibt es auch einige Gesamtdarstellungen zur südwestdeutschen, zur badischen und württembergischen Geschichte. Bedauerlicherweise sind diese Gesamtdarstellungen sehr allgemein gehalten und berücksichtigen die Wirtschafts- und Sozialgeschichte kaum - im Gegensatz zu Orts- und Stadtgeschichten, die häufig diese Disziplinen anwenden. Bei der Aufarbeitung der Lokalgeschichte wäre es wünschenswert, wenn mehr Arbeiten entstünden, die die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Interdependenzen zum Gegenstand hätten, ähnlich wie Tiessen dies für Esslingen durchgeführt hat. Politik und Wirtschaft sollten nicht isoliert, sondern es sollten gerade deren Verbindungen dargestellt werden.

Eine große Anzahl von zeitgenössischer Literatur existiert zu dem Themenkreis Zollverein. Von hohem Aussagewert sind dabei vor allem Publikationen zu Zolltarifen, Zollgesetzen, Zollparlament, Zoll- und Handelsverträgen sowie zeitgenössische Urteile und Einschätzungen über die Vor- und Nachteile des Zollvereins. Eine gute Einführung in die Entstehung und den Verlauf des Zollvereins unter Berücksichtigung regionalstaatlicher Interessen ist nach wie vor das Standardwerk von Wilhelm Weber "Der Deutsche Zollverein" aus dem Jahre 1869. Auch in neueren Werken zum Deutschen Zollverein (Hans-Werner Hahn) finden sich immer wieder Hinweise auf einzelne deutsche Staaten wie Baden und Württemberg. In der Forschung interessierte meist die Frage nach den Gründen der Entstehung des Deutschen Zollvereins. Dazu sind neuere Arbeiten, vor allem unter politischer Fragestellung erschienen (Hans Peter Müller und Ruth Kappel). Wenig neue Literatur befaßt sich mit den Folgen und Krisen des Zollvereins in politischer wie wirtschaftshistorischer Sicht. Mit den Folgen des Zollvereins für die württembergische Industrie beschäftigt sich Gert Kollmer in den mikroökonomischen Untersuchungen "Folgen und Krisen des Zollvereins" und "Zollverein und Innovation. Die Reaktion württembergischer Textilindustrieller auf den Deutschen Zollverein 1834 - 1874". Hier wird nach den Auswirkungen von handelspolitischen Vorgaben auf die württembergische Privatwirtschaft, d. h. auf die Markt- und Absatzstrategie einzelner Unternehmen, gefragt. Es fehlt immer noch an Arbeiten über den Zollverein im badischen Raum. Wünschenswert wäre eine Fortführung der Arbeit von Kollmer für Baden und eine Ausdehnung der dort aufgeworfenen Fragen für andere wichtige Branchen wie Metall, Papier und Chemie.

Das Thema staatliche Gewerbepolitik ist verhältnismäßig gut dokumentiert durch eigene Publikationsorgane, die Jahresberichte der Gewerbeaufsichtsbeamten, Kommentare zur Gewerbeordnung, ausführliche Festschriften der Landesgewerbeämter sowie Monographien. Das Schwergewicht der Arbeiten liegt bei Württemberg. Hier sei auf Otto Bechtle und Lene Wiest, für Baden auf Frank Haverkamp verwiesen. Auffällig ist, daß in der württembergischen Landeshistoriographie die Gewerbeförderung stets sehr positiv gewertet und vor allem dem zweiten Präsidenten der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, Ferdinand von Steinbeis, eine große Bedeutung zugemessen wird. Eine kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Wirkungen der Gewerbeförderung und den dafür verantwortlich zeichnenden Personen steht immer noch aus.

Fast unerforscht blieb die staatliche Agrarpolitik und deren Auswirkungen auf die Landwirtschaft. Hier sind grundlegende Studien für beide Länder wünschenswert, für Württemberg erschienen die Arbeiten von Robert Kreidler und Klaus Lang.

Eine große Forschungslücke klafft zu allen Fragen, die sich aus dem Komplex Kommunalpolitik und Wirtschaft ergeben. Insbesondere sei dabei auf kommunaleigene Unternehmen, die kommunale Flexibilität bei der Ansiedlung von Industrieunternehmen, den Einfluß der Unternehmer auf die Kommunalpolitik und das Engagement der Unternehmer in den städtischen Selbstverwaltungsgremien hingewiesen.

Auch über die Sozialpolitik und die Sozialleistungen geben die beiden Standardarbeiten zur Sozialgeschichte Südwestdeutschlands (Arnold Weller, Willi A. Boelcke), einen knappen Überblick. Detailuntersuchungen zu Arbeitslosigkeit, Krankenkasse und Unfallversicherung, betriebliche Sozialleistungen sowie zum Armenwesen entstanden meist in den 1920er Jahren. Neuere Forschungen wurden kaum durchgeführt, so daß auch die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wenig Berücksichtigung fand. Hingewiesen sei nochmals auf die demnächst erscheinende Arbeit von Gerhard Mauch über die Entwicklung und Ausgestaltung betrieblicher Sozialleistungen in Württemberg im 19. Jahrhundert.

Zu den Staatsfinanzen und dem staatlichen Haushaltswesen liegen neben gedruckten Quellen fast ausschließlich Arbeiten von vor dem Ersten Weltkrieg vor.

Grundsätzliche Untersuchungen zu den Staatshaushalten in Baden und Württemberg wären wichtige Basisstudien zur Geschichte der staatlichen Finanzpolitik. Die dazu vorliegenden Arbeiten entbehren moderner Untersuchungsmethoden und berücksichtigen das 20. Jahrhundert kaum. Zu den Haushalten größerer südwestdeutscher Städte wurden nur wenige Einzelmonographien durchgeführt.

Zum Themenkomplex Steuern steht der Forschung eine große Anzahl von Abhandlungen und Denkschriften zu Verbesserung und Neuordnung des Steuerwesens, Steuergesetzen, Besteuerung einzelner Branchen und Steuerarten (insbesondere Vermögen-, Einkommen- und Verbrauchssteuer) aus der Zeit vor 1918 zur Verfügung. Das Schwergewicht bei den Untersuchungen zu den einzelnen Steuerarten liegt auf der Gewerbe- und Einkommensteuer. Zu diesem Forschungszweig hat Eckart Schremmer mit einigen Aufsätzen richtungsweisende Fragestellungen aufgeworfen. So beschäftigt er sich mit den Zusammenhängen zwischen Katastersystem, Wirtschaftswachstum und Wirtschaftsstruktur, untersucht den durch das Steuergesetz begünstigten Kapitaleinsatz im Handwerksbetrieb, die Subvention des Gewerbesektors zu Lasten des Agrarsektors sowie die badische Gewerbesteuer und die Kapitalbildung in gewerblichen Anlagen und Vorräten. Die Steuerbelastung von Unternehmen, unternehmenspolitische Reaktionen auf Steuerveränderungen, Zusammenhänge zwischen Steuer und Unternehmensform sowie zwischen Steueraufkommen und Steuerverwendung sollten in der zukünftigen Forschung im Vordergrund stehen. Auch mangelt es an einer grundlegenden und zusammenfassenden Aufarbeitung zur Entwicklung der Steuersysteme Badens und Württembergs.

Von der umfangreichen Rubrik Recht sei hier speziell auf das die Wirtschaft in stärkerem Maße tangierende Gewerbe-, Handels-, Patent-, Schulden- und Konkursrecht sowie das Unternehmensrecht eingegangen. Kaum eine Fragestellung wert war der Forschung bislang das Aktienrecht bzw. die Rechtsform der Aktiengesellschaften vor Einführung einer reichseinheitlichen Regelung. Hier wäre interessant, welche Handelsbräuche in Baden und Württemberg vor dem Aktiengesetz des Deutschen Reiches üblich waren. Ebenso wäre eine Untersuchung zur Entwicklung der Gewerbe- und Sozialgesetzgebung und der ihr vorangehenden Diskussion und Meinungsfindung interessant. Hingewiesen sei auf den Aufsatz von Hans Peter Münzenmayer über das Patentwesen im Königreich Württemberg und auf die Dissertation von Eugen Möhler von 1927 über die Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes in Württemberg. Die Arbeit enthält eine nützliche Statistik zur Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenerteilung zwischen 1820 - 1926. Eine entsprechende Untersuchung für Baden steht immer noch aus. Zum Unterpfands-, Mahn-, Schulden-, Konkurs- und Wechselrecht gibt es ältere juristische Abhandlungen, die sich jedoch auf rein juristische Probleme beschränken. Analysen, die diese Aspekte des Wirtschaftsrechts mit empirischen qualitativen Untersuchungen verbinden, stehen bislang noch aus.

Zum Polizei- und insbesondere zum Militärwesen interessieren vor allem sozialgeschichtliche Untersuchungen. Dazu seien erwähnt die Arbeit von Joachim Fischer über Vorbildung, soziale und geographische Herkunft, Konfession sowie politische Einstellung des württembergischen Offiziercorps in der Zeit zwischen 1866 - 1918 und die in Bälde erscheinende Dissertation von Heinfried Voß "Das neue Haus der Reichswehr. Militärische Sozialisation im politischen und militärischen Übergang. Der Aufbau der vorläufigen Reichswehr 1919 - 1920 und ihre politische Funktion in der Republik, dargestellt an ihren badischen Truppenteilen". Weitere Untersuchungen auf wirtschaftshistorischem Gebiet, wie über das Militärbeschaffungswesen und die Militäraufträge, insbesondere über ihre Bedeutung für die einzelnen Wirtschaftszweige, ferner über die Bedeutung der Kriegswirtschaft für die südwestdeutsche Industrie und die Wiedereingliederung der Soldaten und zurückkehrenden Kriegsgefangen in den Wirtschaftsprozeß nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, wären wünschenswert.

Zum Thema Arbeiterbewegung dominieren Festschriften von Gewerkschaften auf lokaler Ebene, ältere Untersuchungen zu christlichen Gewerkschaften und Arbeiterbildungsvereinen. Fundierte Studien über soziale Verhältnisse der Arbeiterschaft und ihre gewerkschaftliche Organisation stehen für den Untersuchungszeitraum vor und nach dem Ersten Weltkrieg noch für die wichtigsten Industriezentren wie der Mittlere Neckarraum, Mannheim und Karlsruhe aus, ebenso Arbeiten zu einzelnen Großunternehmen, wie sie z. B. Rudolf Vetterli 1978 für die Georg Fischer AG durchführte, oder die bereits erwähnte Studie von Marlis Prinzing über den Streik bei Bosch im Jahre 1913. Die Arbeit geht der Frage nach, inwieweit sich der Streik aus betriebsinternen Faktoren oder aus politischen Motiven erklären läßt, und untersucht dabei die Einkommensverhältnisse der Arbeiterschaft und den Rationalisierungsgrad bei Bosch. Es ist zu hoffen, daß eine Beschäftigung mit diesem Themenkreis weitergeführt wird.

IV. SIEDLUNG UND RAUMERSCHLIEßUNG

IV.1. Siedlungswesen

Zum Wandel von Siedlungsraum und Raumerschließung erschienen einige wirtschaftsgeographische Regionaluntersuchungen. Das Schwergewicht im Forschungsbereich des Siedlungswesens liegt aber bisher auf der Untersuchung von Bodenwerten, Grundstücksmarkt, Bau- und Bodenpolitik, Wohnungspolitik, Entwicklung von Stadtbildern, Vorortbildung, Stadtentwicklung und Stadtteilbildung in der Industrialisierung. Diese Studien konzentrieren sich bevorzugt auf die Städte Freiburg, Mannheim, Heidelberg, Stuttgart, Ulm, Ludwigsburg und Esslingen, während andere weitgehend unberücksichtigt geblieben sind. Daneben gibt es noch einige vergleichende Analysen zu den Kleinstädten Oberschwabens, des Schwarzwaldes und von Hohenlohe.

IV.2. Verkehr

Im Vordergrund der Forschung über die allgemeine Verkehrsentwicklung und Verkehrspolitik steht Baden und hier insbesondere die Drehscheibe Mannheim-Ludwigshafen sowie der badische Bodenseeraum. Ungeachtet einer Vielzahl von Untersuchungen unterblieben größere Studien auf der Grundlage umfangreicher Zahlenentwicklungen und Zahlenreihen. Bisher wurden Daten ausschnittsweise für bestimmte Jahre und fast immer nur für Teilregionen erhoben. Ferner wurde viel zu wenig aus historischer Sicht auf die Frage des Wettbewerbs der verschiedenen Verkehrsarten von Straße, Wasser und Schiene Wert gelegt. Beachtung verdienen die Arbeit von Franz Joseph Baer über den badischen Straßenbau, der eine Statistik über Aufwand und Unterhaltung der badischen Straßen publizierte, sowie die Arbeiten von Heinrich Cassinone und Ernst Lepp über das badische Straßenwesen. Lothar Würtz legte 1970 eine Monographie über die geschichtliche Entwicklung des Straßennetzes in Baden-Württemberg vor. Hingewiesen sei noch auf die Studien von Fritz Klingmann über die badischen Landstraßen und Erich Kornmann über den Automobilverkehr Südwestdeutschlands. Darüber hinaus gibt es einzelne Untersuchungen über bestimmte Paß- und Handelsstraßen.

Die zahlreich vorhandene zeitgenössische Literatur zum Eisenbahnwesen in Baden und Württemberg besteht in erster Linie aus Denkschriften und Eingaben über Eisenbahnprojekte, Bau von Eisenbahnteilstrecken, Anbindungen von Regionen und Städten, Bemerkungen und Gutachten über Rentabilität und Notwendigkeit von Bahnstrecken. Daneben gibt es zahlreiche Zusammenfassungen zur Entwicklung der staatlichen Eisenbahn, Politik und des gesamten Eisenbahnwesens in beiden Ländern bis zur Übernahme durch die Deutsche Reichsbahn, die auch die Gesetzgebung, Organisation, das Tarifwesen sowie Statistiken und technische Entwicklungen von Lokomotiven und Wagen enthalten. Insgesamt ist die Entwicklung des Eisenbahnwesens für beide Länder immer wieder Gegenstand der Forschung gewesen und in den Grundzügen ordentlich aufgearbeitet. Hinzu kommen zahlreiche Festschriften zu den einzelnen Bahnen und wichtigen Bahnstationen. Desweiteren existieren Untersuchungen zur sozialen Lage des Eisenbahnpersonals. In der jüngsten Zeit entstanden zwei Arbeiten über die sozialen Probleme und die Personalkosten der Eisenbahnbauarbeiter (Bernhard Stille und Hans-Jürgen Enzweiler) - ein Thema, das noch nicht umfassend aufgearbeitet wurde. So sind Probleme der Herkunft, Fluktuation, Einflüsse des Eisenbahnbaus auf die lokale und regionale Wirtschaft unter modernen wirtschaftshistorischen Fragestellungen noch nicht flächendeckend behandelt worden. Den bisher vernachlässigten Themenkreis der strategischen Bahnen und deren Auswirkungen auf die badische Wirtschaft arbeitet derzeit Uwe Sieg in einer Dissertation (Wirtschaftlicher Nutzen und militärisch-strategische Bedeutung südbadischer Eisenbahnlinien 1864 - 1918) auf.

Vergleichbar der über den schienengebundenen Verkehr ist die Fülle an zeitgenössischer Literatur zur Binnenschiffahrt und insbesondere zu Kanalbauprojekten, die immer wieder im Interesse von Forschung und Politik standen. Zahlreich sind ältere Veröffentlichungen zur Entwicklung der Rhein-, Neckar-, Donau- und Murgschiffahrt, der Kettenschleppschiffahrt, der Flößerei und der Dampfschiffahrt auf dem Bodensee sowie über wichtige Binnenhäfen. Den weitaus breitesten Raum nehmen Kanalbauprojekte, Rentabilitätsüberlegungen und die Bedeutung der Kanäle ein. Als jüngste Untersuchung sei hier auf Wolf-Ingo Seidelmann "Der Neckar-Donau-Kanal" hingewiesen, der sich mit den Planungen einer Überlandstrecke vom Neckar zur Donau und weiter zum Bodensee beschäftigt. Auch die Flößerei, insbesondere die Murgschiffer und der damit verbundene Holzhandel (Casimir Katz, Max Scheifele) wurde in jüngster Zeit wieder Gegenstand von Untersuchungen.

IV.3. Ver- und Entsorgung

Durch aktuelle Umweltschutzdiskussion angeregt, rückte auch die Geschichte der öffentlichen Wasser- und Abwasserversorgung ins Blickfeld der Forschung, wobei eine zusammenfassende Schrift über diesen Bereich kommunaler Infrastruktur, die auch Aspekte der Politik und Finanzwirtschaft beleuchtet, noch aussteht. Dieselbe Lücke ist bei der Gaswirtschaft zu konstatieren. Die Entwicklungsgeschichte der Elektrizitätswirtschaft wird überwiegend durch Festschriften vermittelt. Hilfreich ist die "Bibliographie zur Elektrizitätswirtschaft Württembergs" von Rolf Zürn, die den Publizitätsstand bis zum Jahre 1982 zeigt. Hingewiesen sei auf die zahlreichen Veröffentlichungen von Wolfgang Leiner zur Entwicklungsgeschichte der württembergischen Elektrizitätswirtschaft. Zur Entwicklung in Baden und Württemberg sei auf wissenschaftliche Arbeiten von Hugo Ott "Elektrizitätsversorgung von Baden, Württemberg und Hohenzollern 1913/14" und seine von ihm herausgegebene Statistik öffentlicher Elektrizitätsversorgung Deutschlands 1890 - 1913 sowie die Bibliographie zur Geschichte der Energiewirtschaft in Deutschland hingewiesen. Ausgeblieben sind bisher detailliertere Studien zu den Kosten der Elektrifizierung, der Einführung der Elektrizität in der Industrie - differenziert nach den wichtigsten Branchen -, über den Konzentrationsprozeß der südwestdeutschen Elektrizitätswirtschaft oder die Finanzierungsproblematik der Stromwirtschaft, ebenso Untersuchungen über Unternehmenspolitik, Marktverhalten und Rentabilitätsüberlegungen der Stromversorgungsunternehmen mit besonderer Berücksichtigung der Kommunalverwaltungen.

IV.4. Vermessungswesen, Kartographie und Statistik

Die wichtigsten Statistikpublikationen sind amtliche Beiträge wie z. B. für Baden "Beiträge zur Statistik der inneren Verwaltung", "Die Statistik der Bewegung der Bevölkerung sowie die medizinische und geburtshilfliche Statistik des Großherzogthums Badens", und für Württemberg die "Württembergischen Jahrbücher zur Statistik und Landeskunde". Die Benutzung dieser Reihen sind für den wirtschafts- und sozialhistorisch arbeitenden Forscher unentbehrlich, da sich darin eine unübersehbare Fülle von Daten zur Wirtschaft und dem Sozialbereich verbirgt wie zu Bevölkerung, Kommunalfinanzen, Berufsstatistik, Gewerbe- und Industriestatistik, Straßenbau und Schulwesen, infrastrukturelle Entwicklungen, Medizinalwesen, Staatsfinanzen, Sparkassen und Banken, Löhne und Preisstatistik, Zwangsvollstreckungsstatistik, Land- und Forstwirtschaftstatistik. Hervorzuheben sind im besonderen die ausführlichen Beiträge zur Statistik der Stadt Mannheim und Karlsruhe sowie die Monographien von Rudolph Dietz über Gewerbestatistik im Großherzogtum Baden bis zum Beginn der 1860er Jahre.

V. WISSENSCHAFT, KUNST, BILDUNG UND AUSBILDUNG

Reichhaltig ist vor allem die zeitgenössische Literatur zum Schulwesen beider Länder, die sich mit Schulgesetzgebung, Denkschriften und Eingaben, Schulreformen, Kosten des Unterrichtswesens, Einkommen der Lehrer, Lehrerbildung, Schulaufsicht und Schulstatistik befaßt. Dabei steht das Volksschulwesen im Vordergrund. Daneben gibt es Autoren, die sich immer wieder mit der Entwicklung der einzelnen Schularten und der staatlichen Schulpolitik beschäftigt haben und in neuester Zeit auch Fragen wie Industrialisierung und Schule, Politik und Elementarbildung, nachgegangen sind. Dem Forschungsansatz von Peter Koppenhöfer (1980) über die soziale Herkunft der höheren Schüler Badens sollte weiter nachgegangen werden. Wünschenswert wäre eine Untersuchung über die Herkunft der Berufsgruppe der Lehrer an den unterschiedlichsten Schultypen. Mit einer neuen Fragestellung beschäftigt sich Konrad Elsässer in seiner Dissertation über Bildung und Organisation des Schulwesens in der badischen Sozialdemokratie zwischen 1890 und 1914 - ein Themenbereich, der für Württemberg gänzlich fehlt. Ebenfalls zahlreich ist die Literatur zum Komplex des Berufsschulwesens, die sich vor allem in den älteren Werken mit den oben genannten Bereichen beschäftigt. Die Geschichte einzelner Gewerbeschulen, Handelsschulen und Landwirtschaftsschulen ist meist in Form von Festschriften publiziert. Eine erste zusammenfassende Studie zu diesem Thema legte 1968 Karl Roth über "Die Entstehung und Entwicklung des gewerblichen und kaufmännischen Schulwesens in Württemberg." vor. Die neueste Arbeit zum kaufmännischen Schulwesen (Kaufmännische Berufsschulen und Vollhandelsschulen) von den Anfängen bis 1945 erstellte Harald Görlich (1991). Beachtenswert ist das Ergebnis der Studie, die die angenommene These Karl Roths, in Württemberg sei im Gegensatz zu anderen Ländern die gesamte kaufmännische Schulausbildung stets eine staatliche Aufgabe gewesen, widerlegt.

Zur Geschichte des gesamten Hochschulwesens existieren in erster Linie Festschriften der einzelnen Landesuniversitäten und Fachhochschulen, die teilweise ausführliche Beiträge zur individuellen Entwicklung enthalten. Daraus können gezielt Informationen zu den unterschiedlichsten Hochschularten wie z. B. der Technik, des Bauwesens oder der Kunst gewonnen werden. Eine die Landesuniversitäten bzw. Fachhochschulen zusammenfassende Untersuchung fehlt weitgehend. In den letzten Jahren erschienen einige Ansätze, die die Universitätsgeschichte mehr unter sozialhistorischen Gesichtspunkten beleuchten, wie die Arbeit "150 Jahre Promotion an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen". Diesem Forschungsansatz sollte intensiver nachgegangen werden, ebenso der Erforschung von bestimmten Berufsausbildungen, wie sie Gerhard Zweckbronner über die Ingenieurausbildung im Königreich Württemberg vorgelegt hat.

Bei den Publikationen zum Buch- und Verlagswesen dominieren Festschriften der einzelnen Verlage, Buchhandlungen und Zeitungen. Wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich häufig mit der Geschichte des Pressewesens, die jedoch meist politischen und nicht betriebswirtschaftlichen Fragestellungen wie nach Löhnen, Rentabilität, Bezugs- und Anzeigenentwicklung und dem Konzentrationsprozeß im Pressewesen nachgehen.

VI. RELIGIONEN UND WELTANSCHAUUNG

Im Zentrum des wirtschaftshistorischen Interesses an der Geschichte der Religionen und Kirchen in Südwestdeutschland steht die umstrittene These Max Webers zum Einfluß des Protestantismus bzw. Pietismus oder anderer religiöser Gemeinschaften, wie z. B. die Methodisten, auf die Industrialisierung. Dazu gibt es Erklärungsversuche von Otto Borst, Martin Scharfe, Kurt Georg Kiesinger und Joachim Trautwein. Ungeachtet dessen wurde das Thema bisher nicht ausgiebig genug erforscht, sondern in seiner Problematik nur umrissen und es wurden weitere Thesen und Antithesen zu Max Webers Aussage aufgestellt. Interessant wären Fragestellungen über Konfession und soziale Schichtungen in Südwestdeutschland, über die Sozialleistungen der Kirchen und die dadurch dem Staat ersparten Ausgaben sowie zur Finanz- und Vermögenslage der großen Konfessionen mit Aufbringungs- und Verwendungsrechnungen seit der Industrialisierung.

 


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