Westonia, Elisabetha Johanna:

Parthenica; [...]operâ G. Mart. à Baldhoven coll. [....].

- Pragae: Paulus Sessius, [1608?]. 3 Teile, 62+39+93 S.; 8°



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Herrn Prof. Dr. Hans-Jürgen Horn zum 65. Geburtstag gewidmet.

Um 1600 verbreitete sich in der gelehrten Welt die Kunde, daß in Prag, der Residenz Kaiser Rudolfs II., ein neues Wunder weiblicher Bildung erschienen sei: Eine junge Adelige englischer Herkunft schreibe formvollendete Briefe und Gedichte in lateinischer Sprache, wie es seit Olympia Fulvia Morata (1526-1555) keine Frau mehr getan habe.

Wie andere Vertreterinnen der raren Gattung femina docta erwarb die 1581 geborene Elizabeth Jane Weston ihre humanistische Bildung, indem sie an den häuslichen Studien ihres Bruders teilnahm. Nach dem Tod des Stiefvaters im Herbst 1597 zogen Mutter und Tochter von Brüx (tschech. Most) nach Prag, um beim Hofgericht die Herausgabe ihres Erbteils, auf das die Gläubiger des Verstorbenen ihre Hand gelegt hatten, zu betreiben. Der wenig ältere Bruder Elizabeths studierte 1597 bereits in Ingolstadt. Er starb dort im Herbst 1600. In Prag fand Elizabeth gelehrte Gesprächspartner wie den lateinischen Dichter Georg Carolides von Karlsberg und den jungen schlesischen Adligen Georg Martin von Baldhofen. Mit ihren lateinischen Schriften und ihrem feinen Anstand gewann sie in Hofkreisen einflußreiche Gönner, die der Klage auf Herausgabe des Erbteils schließlich (1603) zum Erfolg verhalfen.

Baldhofen brachte 1602 in Frankfurt an der Oder eine erste Sammlung von Westonias Gedichten heraus. Eine vermehrte zweite Ausgabe wollte er schon im folgenden Jahr in Leiden, wo er inzwischen studierte, erscheinen lassen. Doch Westonia, seit April 1603 mit dem aus Eisenach gebürtigen Juristen Johannes Leon verheiratet, brauchte bis März 1605, um ein druckfertiges Manuskript ihrer gesammelten Texte herzustellen. Diese wurden erst 1608 von dem Prager Drucker Paulus Sessius in drei Teilen gedruckt. Obwohl der Titel wiederum Baldhofen als Herausgeber nennt, ist dessen Mitwirkung unwahrscheinlich. Vielmehr dürfte die Publikation auf Bitten der Autorin - wenn auch nicht ganz in ihrem Sinn - von Carolides besorgt worden sein. Anstelle der üblichen Werkbezeichnungen 'Poemata et epistolae' oder 'Opuscula' steht hier 'Parthenica', also 'Jungfrauenarbeiten'. Damit wird auf Pallas Athene als Schirmherrin geistiger Arbeit verwiesen, zugleich aber die Autorin als noch nicht verheiratete junge Frau vorgestellt - und dies, obwohl einige der abgedruckten Texte erst nach ihrer Heirat entstanden sind. Westonia gebar in neunjähriger Ehe - sie starb am 23. Nov. 1612 - sieben Kinder. Ihre literarische Produktion nahm unter solchen Umständen ab, ohne an Qualität zu verlieren.

Die hier reproduzierte Prager Ausgabe umfaßt 86 Seiten Gedichte und 33 Seiten Briefe von der Hand der Autorin. Hinzu kommen von anderen Verfassern 34 Seiten Gedichte und 21 Seiten Briefe, die an Westonia gerichtet sind oder Dritten gegenüber von ihr handeln. Ferner sind am Ende des 1. und 3. Buchs, um die leeren Seiten des letzten Druckbogens zu füllen, weitere Texte angefügt: 9 Seiten kleine Gedichte von Georg Carolides - darunter zwei Gedichte auf die Druckkunst, die nicht selten als Arbeiten Westonias genannt werden! - und ein 11 Seiten langer Katalog gelehrter Frauen der Weltgeschichte, wie er in manchen anderen Büchern der Zeit (z.B. Johannes Ravisius: Officina. 1520 u.ö., siehe z.B. Officinae epitome. - Lyon: Gryphius, 1560. T. 1. S. 264-270) zu finden war. Die Ausgabe ist nicht sehr sorgfältig gedruckt. Zur Textkorrektur sei auf die unten genannte neue Edition von D. Cheney und B. Hosington verwiesen.

Westonia pflegt die Themen und Textsorten, die für den weiblichen Humanismus charakteristisch sind: Religiöse und moralistische Dichtung (Buch 2), Huldigungsschreiben und Glückwünsche, Bittschriften und persönliche Korrespondenz. Mit einem Gedicht über die Überschwemmung Prags betritt sie das Feld der deskriptiven Poesie. Sie schreibt fast durchweg im elegischen Versmaß, dem gängigsten Metrum humanistischer Dichtung. Anspruchsvolle Formen (wie ein Akrostichon in Buch 1, fol. A8b) sind selten. Sprachlich und gedanklich nährt sich ihr Schreiben aus religiösen Schriften und den Schulautoren des Humanismus. Gelehrsamkeit und Wissenschaft im eigentlichen Sinn werden kaum berührt.

Die hyperbolische Bewertung von Westonias schmalem Oeuvre durch die gelehrten Zeitgenossen ist dem Enthusiasmus zuzuschreiben, mit dem die res publica doctorum das Phänomen der virgo docta schon seit den Anfängen des Renaissancehumanismus aufzunehmen pflegte. Westonia selbst bewahrte angesichts solcher Lobsprüche eine nüchterne, ja skeptische Selbsteinschätzung. Bedenkt man jedoch ihre Jugend und die materielle und soziale Notlage, in der sie ihre Verse und Briefe verfaßte, so muß man den Umfang ihrer literarischen Bildung, ihr sicheres Erfassen der Themen, ihre Besonnenheit, ihren Takt und ihre Gewandtheit im Ausdruck bewundern.

Porträt: Zeitgenössische Federzeichnung; Hessisches Landesmuseum Darmstadt.

Literaturhinweise::

Killy, Walther (Hg.): Die deutsche Literatur, Bd. 12, 1992, S. 276f. (Wilhelm Kühlmann).

Wiegand, Hermann; Pia Stancic: Quadriga feminarum doctarum. In: Der Altsprachliche Unterricht 1992, Heft 6, S. 60-87.

Bassnett, Susan E.: Elizabeth Jane Weston - The hidden roots of poetry. In: Fucikova, Eliska (Hg.): Prag um 1600. Bd. 2: Beiträge zur Kunst und Kultur am Hofe Rudolfs II. - Freren: Luca Verlag, 1988, S. 9-15.

Binns, James W.: Intellectual Culture in Elizabethan and Jacobean England. The Latin Writings of the Age. - Leeds: Francis Cairns, 1990, S. 110-114 (ARCA 24).

Hosington, Brenda M.: Elizabeth Jane Weston and Men's Discourse of Praise. In: Bastiaensen, Michel (Hg.): La femme lettrée à la Renaissance. - Brussel: Peeters, 1997. S. 107-118.

Cheney, Donald: 'Virgo Angla': The Self-Fashioning of Westonia. In: Bastiaensen, Michel (Hg.): La femme lettrée à la Renaissance. - Brussel: Peeters, 1997. S. 119-128.

Von zwei jüngst erschienenen Ausgaben der Schriften Westonias erhielten wir erst nach Abschluß unserer Arbeit Kenntnis:

Weston, Elizabeth Jane: Collected writings; edited and translated by Donald Cheney and Brenda M. Hosington; with the assistance of D.K. Money. - Toronto: University of Toronto Press, 2000. xlii, 448 S.

Neo-Latin Women Writers: Elizabeth Jane Weston and Bathsua Reginald (Makin) (The Early Modern Englishwoman: A Facsimile Library of Essential Works) Ed. by Donald Cheney, Betty S. Travitsky and Patrick Culien. Ashgate Pub. Co., 2000.

Einleitung geändert am 26.6.2001

Inhalt:

Vorbemerkung: Das folgende Resümee beruht auf der Selektion wesentlicher Aussagen, die wir teils in raffender Zusammenfassung, teils auch in annähernd wörtlicher Übertragung wiedergeben. Übergangen wurden vor allem die Partien, die wenig zur Charakteristik der Westonia beitragen. Die Sigle DBIoo bedeutet: Im Deutschen Biographischen Index nicht nachgewiesen.


L. 1, fol. A1a Titel: 1. Buch der Schriften, die Elisabetha Johanna Westonia, eine adlige Jungfrau, ausgezeichnete Dichterin und Kennerin vieler Sprachen, vor ihrer Eheschließung verfaßt hat; gesammelt und auf Wunsch der Freunde erneut herausgegeben von Georg Martin von Baldhofen aus Schlesien.

L. 1, fol. A1b Privileg.

L. 1, fol. A2a WESTONIA an KAISER RUDOLF(II.): Wie der Gott im Himmel die geringen Opfergaben seiner Diener gnädig annimmt, so empfange auch du als Gott auf Erden, Kaiser, die unterwürfig dargebrachte Erstlingsgabe Westonias. Wie Gott dem Bittenden oft spät erst Beistand gewährt, um unseren Glauben zu prüfen, so wirst auch du ich vertraue darauf mir jetzt Hilfe gewähren. Nimm die kleine Gabe gnädig an, Kaiser auch kleine Dinge sind manchmal gern gesehen, und tröste meine traurige Muse.

L. 1, fol. A2b WESTONIA an KAISER RUDOLF: Ich bitte dich, sei du mein Abdias - der Ernährer der Propheten, sei mein Alexander der Große der Helfer einer verarmten Jungfrau, dann wirst du auch mein Kaiser sein, mein Augustus der Förderer der Künste. Mögest du meine Bitten erhören, so wahr du die aufrührerischen Türken besiegen wirst.

WESTONIA an KAISER RUDOLF: Sei gegrüßt, Kaiser; du bist die letzte Hoffnung deiner Dienerin.

L. 1, fol. A3a Wie die Erde ohne das Licht der Sonne verkümmert, so bleiben wir Elenden ohne die Zuwendung des Kaisers im Dunkel. Seit einigen Jahren hat uns die Armut Hunger und Durst, Kälte und Sorgen gebracht, und nur fremde Hilfe hat uns am Leben erhalten. Ich weine über die Armut meiner Mutter, und diese leidet unter dem traurigen Los ihrer Tochter. Ordne an, daß uns ein Teil unseres Besitzes zurückgegeben wird, so daß wir ein Auskommen haben.

L. 1, fol. A3b Was du tun wirst, Kaiser, wird Gott dir reichlich vergelten. Erhöre in deiner Milde die ledige Waise und die Witwe.

WESTONIA an KAISER RUDOLF: Themis bittet dich bei deinem Szepter, erhabener Kaiser, der Armen und ihrer armen Mutter zu helfen. Erhöre in deiner Güte meine Bitten; dann wird Gott dir eine lange Herrschaft und Erfolg gewähren.

WESTONIA an den adligen Herrn PETER WOK VON ROSENBERG (DBIoo), ihren gütigsten Mäzen: Wie der Mond unter den Sternen,

L. 1, fol. A4a so strahlst du unter den Fürsten hervor durch Frömmigkeit, Förderung der Wissenschaft und Mildtätigkeit. Der Besitz, den du meinem Vater verliehen hast, hat uns der Neid genommen. Meine Mutter und ich können dir nicht danken, wie es sich gehört, sondern dir nur ein friedvolles Leben

L. 1, fol. A4b und einen seligen Tod wünschen.

WESTONIA an den kaiserlichen Hofrat und königlich böhmischen Kanzler ZDENKO ADALBERT POPEL VON LOBKOWITZ (DBIoo), ihren gütigen Herrn: Nimm das Bittgedicht einer armen Jungfrau gnädig auf. Ich bitte um Gerechtigkeit. Veranlasse bitte, daß uns ein angemessener Teil unseres Vermögens zurückgegeben wird.

L. 1, fol. A5a Dann soll dir auch alles gelingen.

WESTONIA zum Geburtstag des Kaiserlichen Hofrats und Königlichen Vizekanzlers HEINRICH VON PISNITZ (Jöcher/Adelung+), ihres verehrten Gönners: Ich bin dir für deine Wohltaten verpflichtet. Mit diesem Gedicht will ich dich mir weiterhin als Beschützer verpflichten. Wenn du mir, wie ich glaube, hilfst, werde ich Gott alljährlich bitten, er möge dich mir und anderen Bedürftigen lange erhalten und dich vor den Angriffen der Neider schützen.

L. 1, fol. A5b Darum werde ich mit meiner Mutter beten.

WESTONIA an HEINRICH VON PISNITZ auf den Tag der heiligen Elisabeth (5. November): An meinem Namenstag richtest du für meine Gäste ein Mahl aus. Dafür danke ich dir mit Segenswünschen für dich, deine Gemahlin und deine Kinder. Auch meinen Gästen wünsche ich alles Gute. Für deine Wohltaten bin ich dir verpflichtet.

WESTONIA an den kaiserlichen Hofrat und Sekretär, den Rechtsgelehrten JOHANN BARWITZ (DBIoo), ihren verehrten Gönner:

L. 1, fol. A6a Höre, großer Herr, die bedürftige Tochter einer bedürftigen Mutter gnädig an. Wir wollen nur Gerechtigkeit. Unseren Besitz hat böser Wille verschleudert. Dies geschah im Namen des Kaisers, der davon nichts Genaues weiß. Den Erlös und selbst das Eigengut der Mutter enthält man uns wegen angeblicher Verschuldung vor.

L. 1, fol. A6b Der Kaiser hat angeordnet, jedem zu erstatten, was ihm zusteht. Doch das Urteil wird verschleppt. Unsere Armut zwingt uns, deinen Beistand zu erflehen. Man soll uns entweder den uns gebührenden Teil unseres Besitzes oder, wenn dieser bereits verkauft ist, des erzielten Erlöses geben.

L. 1, fol. A7aWenn wir jetzt nicht erhalten, was uns zusteht, müssen wir verhungern. Hilf daher uns Bittstellern. Dann wird auch Gott dich niemals im Stich lassen.

WESTONIA an JOHANN BARWITZ: Ich suche bei dir Schutz. Du hast meine Bitten erhört. Trotzdem enthält man uns unser Eigentum vor. O Gott, nimm uns zu Dir, um unser Leiden zu enden, oder verschaffe uns Gerechtigkeit, indem Du den Sinn des Kaisers lenkst, so daß er uns hilft.

L. 1, fol. A7b Möge er es bald geben, was er uns bestimmt hat. Höre meine Klagen, mein Gönner. Baue auf die Unterstützung deines Pisnitz und unterbreite die Angelegenheit dem Kaiser. Nur wenn ich lebe, kann ich dir ja Dank singen.

WESTONIA an JOHANN BARWITZ: Möge der Kaiser dieses Schreiben von Barwitz lesen und den Notleidenden helfen. So möge auch Gott dir im Unglück helfen und dir Glück gewähren.

WESTONIA an JOHANN BARWITZ: Du nimmst Anteil an meinem Unglück, Barwitz, und stellst mir Hilfe vom Kaiser in Aussicht.

L. 1, fol. A8a Schon hat er Sternberg Anweisungen gegeben. Warum aber bleibt die Hilfe immer noch aus? Beseitige das Hemmnis, Barwitz; stelle dir vor, wie sehr wir Hunger leiden.

WESTONIA über den Garten von JOHANN BARWITZ: In deinem Garten, den du mit wohlriechenden Kräutern bepflanzt hast, Barwitz, erholst du dich von den Anstrengungen des Hofdienstes. Hier triffst du deine Freunde und empfängst Bittsteller. Diesem Garten wünsche ich linde Lüfte und vielfältige Frucht, seinem Herrn aber Schutz vor höfischem Neid.

L. 1, fol. A8b WESTONIA zum Geburtstag des edlen jungen Herrn WILHELM FRIEDRICH VON PISNITZ (Akrostichon): Ich gratuliere dir, Musensohn, Freude deiner Eltern und Vorbild deiner jüngeren Brüder. Zwei Göttinnen begleiten dich, die fromme Pflichterfüllung und der würdige Ernst. Du kannst nicht anders, als dem hervorragenden Beispiel deiner Eltern zu folgen.

L. 1, fol. B1a Wachse und erreiche das Alter Nestors. Nimm diese wenigen Verse an und sende mir auch einige zu, damit du mir nichts schuldig bleibst und nicht der Unterlegene bist.

WESTONIA an WILHELM FRIEDRICH VON PISNITZ: Deine Gaben haben mich dir verpflichtet, und ich erwidere sie, um mich meiner Verbindlichkeit zu entledigen. Doch soll unsere freundschaftliche Verbindung im Zeichen der Musen fortbestehen. Ich bleibe dir und deiner Familie ergeben, so wie ihr mir gewogen seid.

WESTONIA an WILHELM FRIEDRICH VON PISNITZ: Sei mir gegrüßt, edler Wilhelm,

L. 1, fol. B1bdiene den Musen und der Göttin Athene. Spiele die Leier und singe süße Lieder, um deine Zeit anständig und fleißig zu verbringen. Spare keine Mühe und freue dich auf den verdienten Lohn. Das Spiel des Witzes zeugt von Geschicklichkeit.

L. 1, fol. B2a Auch das Studium der Pflanzen, das Aufstellen von Vogelnetzen, die Jagd mit Hunden und der kriegerische Kampf vertreiben das Nichtstun. Denke bei alledem auch an die mühevolle Dichtkunst und suche die jeweils passenden Worte. Verzeih mir das ungehobelte Gedicht, das ich dir ehrlichen Sinnes darbringe. Lebe wohl

L. 1, fol. B2b und kehre mit deinen Brüdern glücklich nach Hause zurück.

WESTONIA an den gelehrten jungen Herrn JOHANN HEINRICH VON PISNITZ: Ich kann noch nicht aufhören zu dichten, zumal deine Bildung und Tugend dein Andenken bei mir wachhalten. Schmücke die vom Vater ererbte Tugend mit den Gaben der Musen, auch wenn du die Rechte studierst. Die Dichtung hat Bestand; sie gefällt Göttern und Menschen. Schreibe mir kurz, wie es dir geht. Wie geht es deinen Brüdern und deinem Vater? Sind sie gesund?

L. 1, fol. B3a WESTONIA an den Kaiserlichen Appellationsgerichtsrat NIKOLAUS MAI (DBIoo), ihren väterlichen Freund: Wie kann ich mich bei dir für das Lob meiner Arbeiten bedanken? Meine Muse beweint den Vater und Lehrer, den ich verloren habe. Sie wird niedergedrückt vom Schmerz, von Intrigen und einem Rechtsstreit.

L. 1, fol. B3b Ein feindliches Geschick entfremdet mich den göttlichen Musen, die sich nur in heiterer Ruhe entfalten. Ein deiner würdiges Lob mögen diejenigen singen, denen das Glück hold ist. Bei der Fülle deiner Vorzüge weiß ich nicht, was mein ungehobeltes Gedicht an dir zuerst hervorheben soll. Mehr noch als deine adlige Herkunft sind deine eigenen Verdienste zu schätzen, mehr als dein Reichtum an vergänglichen Gütern deine Tugend. Die Künste von Themis, Pallas und Apoll sind dir zu eigen,

L. 1, fol. B4a Frömmigkeit und offene, anmutige Rede. Wie der Mai die kostbarste Zeit des Jahres ist, so strahlst du, Mai, vor anderen. Alles andere überlasse ich wortreichen Dichtern zu sagen. Blühe fort, genieße dauernden Ruhm und vergiß nicht das Mädchen in Not.

WESTONIA an NIKOLAUS MAI, als er in Prag an einer bedrohlichen Krankheit litt: Zu Recht wunderst du dich, daß ich dir keine Gedichte schreibe.

L. 1, fol. B4b Ängstliche Besorgnis hindert mich daran. Wenn Phoebus trauert, schweigen die Musen. Das Werk der Dichtung verlangt ein ruhiges Gemüt. Ist die Gefahr vorbei, dann werde ich wieder zur Leier greifen. Werde du nur wieder gesund und lebe lange, grünender Mai.

L. 1, fol. B5a WESTONIA an NIKOLAUS MAI: Wo alle Dichter, blühender Mai, sich vereinen, dich zu grüßen, fragst du wohl, weshalb meine Muse schweigt. Ich bin dir verpflichtet und müßte schreiben. Nur fürchtete ich, mich allzu unbeholfen auszudrücken. Doch deine Verdienste ermuntern mich, mich den anderen Poeten anzuschließen. So höre bitte mein Lied. Deine Frömmigkeit, deine Geistesgaben, deine Tugend erheben dich noch über deine Vorfahren. Man kennt deine Zuverlässigkeit, deine reiche Erfahrung, deine Aufrichtigkeit. Deshalb hat Kaiser Rudolf dir die Erzgewinnung anvertraut und dich jetzt zu seinem Rat ernannt.

L. 1, fol. B5b Ergreife, was du verdient hast, und laß den Neid murren.

WESTONIA an PAULUS MELISSUS, Pfalzgraf und Bürger von Rom: Du hast deinen Namen von der Ergiebigkeit deines Wesens und deiner Muse erhalten. Dein Mund scheint sich aus Bienenwaben zu nähren und mir Harmonie und Honig zugleich zu geben. Du wetteiferst mit Horaz und Vergil und auch den griechischen Dichtern. Lebe lange und lebe wohl. Jetzt danke ich dir nicht mehr für den lyrischen Honigseim, sondern für den Lorbeer. Wenn mein Lied künftig reicher und kunstvoller ertönt, werde ich dir, beredter Phoebus, Opfer weihen.

L. 1, fol. B6a WESTONIA an PAULUS MELISSUS: Wie staunte ich, als ich sah, wie viele Gedichte deine reiche Begabung hervorbringt. Ich sprach: Ihr Jünger Apolls, euch ist ein zweiter Apoll geboren. Dich sollen die Musen, wenn es sie noch gibt, als ihre Gottheit verehren.

WESTONIA auf den Tod des PAULUS MELISSUS: Ich kann die schmerzliche Klage nicht zurückhalten, großer Melissus, nachdem ich von deinem Tod erfahren habe. Ich hatte schon die erbetenen Verse für dich vorbereitet. Von dir angeleitet, hoffte ich, so dichten zu lernen, daß ich Lob verdiene. Du hattest das rechte Urteil und wußtest, worauf es in der Dichtung ankommt. Da genügt nicht das bloße Metrum, sondern erst eine Ordnung,

L. 1, fol. B6b die von einem gottbegeisterten Sinn geschaffen ist. Das war bei Melissus, dem König der Dichter, der Fall. Weil die Welt aber die goldenen Gedichte gering schätzt, bist du in den Himmel aufgenommen worden, um die Chöre der Engel zu begleiten. Nimm, Melissus, die letzte Gabe deiner Westonia. Sie wird dir für den Lorbeer Jahr für Jahr Veilchen darbringen.

WESTONIA an CHRISTOPH VON BELWITZ, den Gesandten Kurfürst Friedrichs(IV.) von der Pfalz am Kaiserhof: Vielleicht wunderst du dich, von mir ein Gedicht zu erhalten. Doch mir ist zu Ohren gekommen, daß dir meine Dichtung gefällt und du Mitgefühl mit mir und meiner Mutter hast, weil wir unser Vermögen verloren haben.

L. 1, fol. B7a Dieser Verlust macht mich immer wieder weinen, und meine Muse kann nur klagen. Dadurch suche ich Trost in meinem Leiden. Abhilfe erhoffe ich kaum noch. Mißgünstige Menschen haben uns den Vater und unser Vermögen geraubt. Unschuldig sind wir. Uns geschieht Unrecht. Mißgunst, birst vor Ärger;

L. 1, fol. B7b doch du, Christoph, sei uns weiterhin wohlgesonnen und hilf mir mit deinem Rat. Dann will ich für das Wohl der Familie Belwitz zum Himmel beten.

WESTONIA an Ehrwürden GEORG BARTHOLD VON BREITENBERG (DBIoo), Propst der Hauptkirche zu Prag, ihren verehrten Gönner: Dafür, daß du unsere Armut fromm durch reiche Gaben milderst, sagen meine Mutter und ich dir unendlichen Dank. Unser erster Gönner ist Philippus de Monte, der berühmte Musiker; der zweite ist Heinrich von Pisnitz; der dritte bist du. O, möge doch der Kaiser sich anschließen und mir den Besitz zurückgeben, der mir genommen wurde!

L. 1, fol. B8a Dann werde ich mich mit meinen Musen und meiner Mutter glücklich preisen. Lebe wohl, gottgefälliger Prälat, Liebling der Musen, und hilf uns weiterhin durch dein Gebet und deine Gunst.

WESTONIA an PHILIPP DE MONTE, Leiter der Kaiserlichen Hofkapelle: Auch dir schulden meine Mutter und ich Dank. Ich will dich mit meinem Gedicht preisen. Mit deiner lieblichen Musik erscheinst du mir als Phoebus. Du besänftigst Gottes Zorn wie Amphion, rührst die Steine und sogar die Unterwelt wie Orpheus. Der Kaiserhof und selbst das glanzvolle Rom erkennen das an.

L. 1, fol. B8b Auch Frankreich, Italien und Spanien rühmen dein Genie. Die Musik stärkt als Gabe Gottes den Geist. Sie richtet auf und tröstet, vertreibt Sorgen und Mißmut. Im Frieden erfüllt sie die Kirchenkuppeln mit ihrem Klang. Im Krieg besänftigt sie den Feind. Bei schwerer Anstrengung wirkt sie als Medizin. Sie lenkt die Gemüter und richtet sie auf die Tugend aus. Gott selbst heißt sie in der Kirche willkommen, damit er im Psalm gebührend verehrt werden kann. Die Musik erhält gesund. Sie macht die Sinne dem Geist gefügig und erhebt diesen zum Himmel. Ich spreche ja nicht von der verführerischen, gefährlichen Musik, sondern von der deinen, Philipp,

L. 1, fol. C1a die zumHimmel erhebt. Lebe wohl, damit du auf der ganzen Erde gesungen und besungen werden kannst.

WESTONIA an den edlen und gelehrten JOHN FRANCIS WESTON, ihren Bruder: Wundere dich nicht darüber, daß ich dir einen Segenswunsch in Versen darbringe. Die Dichtung tröstet im Leid. Das Schicksal hat uns unseren Vater entrissen. Nimm also die noch nicht ausgereiften Verse wohl auf. Ich wünsche dir alles erdenkliche Glück. Mögest du einst, wenn du älter und leistungsfähig geworden bist, dich selbst und die deinen versorgen können.

L. 1, fol. C1b Stärke dein Gemüt mit der Rüstung der Musen, wie ich es tue. Tag für Tag muß ich in unserem Rechtsstreit etwas Neues unternehmen und neue Rückschläge hinnehmen. Doch da hilft keine Klage. Nur die Hoffnung erleichtert das schwere Schicksal. Der Kaiser ist gnädig gesonnen, doch ist mir der Zugang zu seinem Ohr verwehrt.

L. 1, fol. C2a Er ist mein Rettungsanker, er wird mich am Ende in Sicherheit bringen. Vertraue auch du, lieber Bruder, auf Gott und vergiß nicht, wo immer du auch sein magst, deine Schwester.

WESTONIA: Grabschrift auf den Tod ihres Bruders [JOHN FRANCIS WESTON], verfaßt am 4. November 1600: An den Leser: Fragst du wohl, wer hier begraben liegt? Ach, ein junger Mann in der ersten Blüte seiner Jahre, John Francis Weston, der von England nach Böhmen kam, um die Künste Apolls zu studieren. Ihnen widmete er sich eifrig. Kaum war er zwanzig Jahre alt, da schloß ein trauriges Schicksal ihm die Augen. Er war der einzige Sohn seiner Eltern.

L. 1, fol. C2b Er läßt eine Schwester und die Mutter in Trauer zurück, löst die Dreiheit auf, die eine eng gefügte Einheit war. Welche Worte könnten unseren Schmerz ausdrücken? Nimm, Bruder, die letzte Liebesgabe an, die deine Schwester Elisabeth deinem Grabe darbringt. Lebe wohl, bis wir uns einst im Himmel wiedersehen.

WESTONIA an Dr. iur. ERICH LIMBURCH (DBIoo), Gräflich Oldenburgischen Rat: Willst du mich über Gebühr rühmen, du edler Wahrer des Rechts? Eine so überschwengliche Sprache verdient meine Muse nicht, da sie nur am Boden dahinkriecht. Sie beweint den Tod des Bruders, sucht nicht eitlen Ruhm, sondern die Zustimmung rechtschaffener Menschen, wie du es bist. Bleibe mir wohl gesonnen und lebe wohl.

L. 1, fol. C3a WESTONIA an ERICH LIMBURCH: Daß ich mit meinen Gedichten Praxilla, Sappho und die gelehrte Corinna überträfe, wird man nicht behaupten können. Ich will auch dir, gelehrte (Olympia) Fulvia (Morata), nicht vorgezogen werden, habe ich doch nur eine schwache poetische Ader. Wenn nur meine Dichtergabe derjenigen von Morels redegewandten Töchtern gleichkäme! Dann erwüchse mir Ruhm aus meinen Gedichten. Wenn du dennoch meinst, ich käme an Talent, sittlicher Haltung, Kunstfertigkeit und poetischem Stil den heiligen Dichtern nahe, dann werde ich zwar vor deinem Urteil nicht bestehen können, mich aber mit deinem Beistand dennoch über die Drohungen der Neider hinwegsetzen.

WESTONIA auf die medizinischen Schriften des hochangesehenen Dr. phil. und Dr. med. OSWALD CROLLIUS (* um 1560, gest. 1609): Crollius setzt sich mutig der Mißgunst aus, indem er seine von den weisen Ärzten anerkannten Schriften ans Licht gibt. Er setzt seiner Tüchtigkeit ein Denkmal und tut ein frommes Werk. Daher ist er für mich Phoebus Apollo.

L. 1, fol. C3b Und noch einmal: O Crollius, du Koryphäe unter den Ärzten aller Zeiten: Wer die spagirische Kunst kennt, zollt dir den gebührenden Dank. Die Schar der Neider aber mag lärmen und sich aufblähen. Den anerkannten Wissenschaftler erreicht ihr Blitzstrahl nicht.

WESTONIA an MATTHÄUS DENICH (DBIoo), Arzt in Prager Neustadt, ihren besonderen Freund: Kräuterkundiger Arzt, die wohlklingenden Gedichte des Poeten (Georg) Carolides (von Karlsberg), die du mir geschickt hast, habe ich dankbar aufgenommen. Doch die ungünstigen Umstände gönnten mir nicht die Muße, Dankesverse zu dichten. Du kennst ja mein Leid und nimmst daran Anteil. Du weißt auch, daß mein Dichten ohne Kraft und Glanz ist. Doch gib meine Verse immerhin dem Dichter und bete für mich um Glück.

L. 1, fol. C4a WESTONIA an den Kaiserlichen Hofdichter GEORG CAROLIDES VON KARLSBERG (1579-1612): Mein eilig hingeworfenes Gedicht auf die Geburt Christi, von unsicherer weiblicher Hand geschrieben, hat dir wohl deshalb gefallen, weil das Sujet lieb und vertraut ist und offene Ohren findet. Was könnte tröstlicher und würdiger sein als das Opferlamm, das alle Sünden der Welt auf sich nahm? Meine Muse suchte mit diesen Versen nicht ihren eigenen Ruhm, sondern den Christi zu künden. Ihr Ziel ist es, Gott zu gefallen und dafür von guten Menschen geschätzt zu werden.

L. 1, fol. C4b Ich will nicht den Dichterinnen des Altertums vorgezogen werden, ihnen ihren Rang nicht streitig machen. Nur an Rechtschaffenheit soll unsere Spätzeit jene Vorzeit übertreffen. Du aber bete darum, daß ich Sappho in einem gleichkomme – im Wohlstand. Dann erst werde ich dir das schuldige Dankgedicht erstatten können.

WESTONIA an JOHANNES LEON (DBIoo) wegen der Veröffentlichung ihrer Weihnachtsgedichte: So wahr du etwas für die Musen übrig hast, Johannes, so höre: Ich habe Gedichte über die Geburt Christi geschrieben. Diese übergebe ich dir, damit du sie zum Drucke gibst. In Zukunft hoffe ich noch geschmeidiger zu dichten.

WESTONIA an JOHANNES LEON: Wie soll ich dir meine Dankesschuld erstatten?

L. 1, fol. C5a Ich habe nichts mehr, womit ich mich von dieser Verbindlichkeit befreien könnte. Einst wird, so hoffe ich, der Tag dafür kommen. Bis dahin muß ich dir wohl verpflichtet bleiben, und zwar in gelehrter Freundschaft.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN: Meine untätigen Musen müssen sich befleißigen, dir für dein Gedicht zu danken. Du hast mich darin als Dichterin gefeiert und brillierst doch selbst mehr als ich. Geschmeidig und gleichmäßig ist dein Stil, wie der Ovids. Doch ich beginne erst, mich am Musenquell zu stärken, und habe nicht die nötige Muße.

L. 1, fol. C5b Bemerkst du also einen Fehler, dann sage nur: Es ist die Arbeit eines Mädchens. Irgendwann werde ich von Sorgen frei sein und Besseres leisten.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN: Mein Unglück rührt dich. Du bist ein wahrer Freund. Höre nun, wie traurig und dunkel mein Schicksal geworden ist. Kraftlos schluchze ich nur, und selbst das kann ich kaum noch. Ach, würde die Mißgunst mich doch ein für alle Mal vernichten und so mein Leid verkürzen! Du aber stehe mir beständig bei!

WESTONIA auf OVID, Tristia 2: Dein Schicksal, Naso, der Lohn deiner Kunst, gleicht in vielerlei Hinsicht meinem Elend,

L. 1, fol. C6a das noch größer ist als die Menge meiner Tränen. Ich zwinge die Musen, mich in diese ausweglose Notlage zu begleiten. Auf der Suche nach Trost wede ich durch deine Klagegedichte, Naso, tief berührt. In ihnen finde ich trotz unterschiedlicher Umstände das gleiche Geschick. In dem Monat, der dich nach Sarmatien verschlug, nahm auch mein Verhängnis seinen Anfang. Du bezahltest in den Stürmen des Meeres schwer für deine Schuld; mir bereitet ein fremdes Land noch größeres Leid. Du kamst in ein Land mit viel Eis; hier aber verbergen Wolken in einem langen Winter die Sonne. Dich bedrängt die rauhe See, mich aber eine gehässige Meute. Dein Papier besprengt die Gischt des Meeres; mein Manuskript aber ist von Tränen durchnäßt.

L. 1, fol. C6bDu beweinst die Unannehmlichkeiten deiner Lage, mich aber quält vieles auf einmal, was eine Freigeborene kaum ertragen kann. Du hast doch noch deine Freunde in der Heimat; ich aber habe meinen Vater und damit meine Heimat verloren. Du wirst immer wieder bestohlen, ich aber werde beraubt, indem man mir mein Eigentum vorenthält. Du wurdest für einen Fehltritt und deine Dichtung bestraft, ich aber für fromme Pflichterfüllung übel belohnt. Dein Klagen hatte Aussicht auf Erfolg. Wen sollte da nicht auch die Wehklage eines schwachen Mädchens rühren und seine Not, die selbst von Geten nicht schlimmer hätte bereitet werden können? So darf ich mir in meinem Unglück wohl deinen Schmerz borgen. Ach, um wieviel leichter ist dein Schicksal!

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN: Meine Gedichte verdienen es nicht, durch den Druck bekannt zu werden. Doch auf deine Empfehlung hin treten sie aus der Verborgenheit hervor. Mögen sie nicht von ätzender Kritik befleckt werden! Denn ich sage nur die Wahrheit, wenn ich mein Unglück beklage und Kaiser Rudolf um Hilfe anflehe.

L. 1, fol. C7a Möge er die Seufzer eines unschuldigen Mädchens erhören und sagen: Deine Bitten, Westonia, werden dir nach Gebühr erfüllt.

WESTONIA an die neuvermählte MARGARETHA, Tochter des seligen Martin von BALDHOFEN Senior: Auf Bitten deines Bruders, Margarete, bringe ich dir zur Hochzeit gute Wünsche in Versen dar, wie ich sie selbst einmal als Braut zu bekommen wünsche. Liebe deinen Bräutigam aufrichtig, damit auch du geliebt wirst. Bemühe dich in jeder Weise, ihn in milder Stimmung zu erhalten, um häufigen Ehekrach zu vermeiden. Der Mann ist das Haupt, wir sind die Glieder, so wie Christus das Haupt der Kirche ist. Sei, wie dein Name es glückverheißend anzeigt, die kostbare Perle deines Mannes. Wie die Einfassung aus Gold die Perle dem Tragenden noch wertvoller macht,

L. 1, fol. C7bso sollen dich Frömmigkeit und Sittsamkeit zieren. Was sonst noch zur Ehe gehört, kann nicht ich – das wird dich die Liebe lehren. Lebt in Liebe und Eintracht zusammen und erlebet die Erfüllung eurer Wünsche.

WESTONIA an Herrn EGBERT MAI (DBIoo), den Geheimen Rat des Grafen zur Lippe: Für dein Wohlwollen schulde ich dir Dank. Doch du lobst mich allzu sehr.

L. 1, fol. C8a Nachdem ich die Auen der Musen gerade erst betreten hatte, ließ mich ein mißgünstiges Schicksal nicht weiter vordringen. Meine Calliope kann gerade nur ihre Seufzer in unsicheren Worten ausdrücken. In meinem jungen Leben findest du nichts Liebenswürdiges. Das muß ich gar nicht erst schreiben, weil es ohnehin offenkundig ist. Dennoch kann ich dein Lob, bin ich auch seiner nicht wert, nicht tadeln.

WESTONIA an JOHANN CASIMIR GERNAND (DBIoo), als er in seinem dreizehnten Jahr den zweiten philosophischen Grad erwarb: Nicht nur die Nachricht deines stolzen Vaters sowie des großen Melissus und das Wirken Gruters,

L. 1, fol. C8bnein, deine eigenen Veröffentlichungen beweisen deine große Begabung. Danke Gott, der dir schon so früh solche Gaben verliehen hat.

WESTONIA an JOHANN CASIMIR GERNAND: Ich gratuliere dir zu der Ehre, mit der Gott dich verdientermaßen beglückt. Ich treibe dich nicht noch mehr an, da du doch das Ziel der Ehre zügig verfolgst. Laß dich durch nichts ablenken. Du wirst den ererbten Namen für immer berühmt machen. Laß die Vorzüge deines Geistes sehen und bleibe nicht hinter den Erwartungen deines Vaters zurück.

WESTONIA an den gekrönten Dichter HERMANN FABRONIUS (1570-1634) aus Hessen: Was rühmst du die Texte dieses schlecht ausgebildeten Mädchens?

L. 1, fol. D1aSie sind doch nur der Ausdruck ihres traurigen Schicksals. Nicht Apolls Nektar, sondern meine Tränen benetzten mir die Lippen. Sie sind von jeher der Inhalt meines Dichtens, das deshalb auch so schwerfällig ist.

WESTONIA an THOMAS BLASIUS (DBIoo): Dem heiligen Thomas, auf dessen Namen du getauft bist, leuchtete das Licht Gottes. Für das Geburtstagsgedicht, das du mir neulich gewidmet hast, danke ich dir mit Gleichem: Möge dieser Tag dir noch oft erscheinen und dir frohe Zeiten bringen.

WESTONIA an Dr. iur. JOHANN HELLER (DBIoo): Wenn dir, Heller, die Gedichte meiner jungen Muse gefallen,

L. 1, fol. D1b freut es mich, denn es ist eine Ehre, gelehrten Dichtern zu gefallen, und zu diesen zählst du ja vielleicht. Doch sage mir, kann ein Hexameter aus mehr als sechs Füßen bestehen? Gern will ich etwas Neues von dir lernen.

JOHANN HELLER an WESTONIA: Ich will es an einer entsprechend scherzhaften Antwort auf deine Frage, meine liebe Pallas, nicht fehlen lassen. Mir erschien Vulkan vom Himmel und schleppte mit seiner Redseligkeit einen überzähligen Fuß ein. Im Traum sehe ich Westonia an einem Stock gehen und auf den Weg mehr Schritte als gewöhnlich setzen.

L. 1, fol. D2a Das also mag die Neuheit sein, mit der ich den siebenfältigen Chor der Musen nachahmte. Die beiden Irrtümer und deine Zurechtweisung sind mir gleich lieb. Möge zwischen uns wieder Frieden einkehren, und mögest du zu deinem Recht kommen.

Antwort von WESTONIA an Dr. iur. JOHANN HELLER: Ich hatte es aber doch erst gemeint und von dir, dem gelehrten Poeten, als ungebildetes Mädchen Belehrung erbeten. Nun erzählst du mir von Vulkan und Morpheus.

L. 1, fol. D2b Entschuldige bitte, ich wollte doch nur von dir lernen. Was mir aber sonst seit langem ohne Erfolg versprochen wird, möge endlich eintreten. Dann wirst du meine Dankbarkeit erfahren. Möge es nur schnell geschehen. Dann werde ich dir als meinem Beschützer bald ein größeres Gedicht zusenden.

An WESTONIA einige kurze Gedichte von GEORG CAROLIDES VON KARLSBERG.

Füge deinen Gedichten, Johanna, meine hinzu, damit in deinem Gedichtbuch keine Seite leer bleibt. Wenn der Leser fragt, weshalb, dann antworte ihm: Alles, was Carolides gehört, gehört auch mir, und umgekehrt.

L. 1, fol. D3a Oft entsteht unter Dichtern Streit um ein Gedicht, doch diese Gedichte sollen von unserer Freundschaft künden.

I. Der Buchdruck, den Johannes Gutenberg aus Straßburg [sic] am 2. Januar 1440 in Mainz [sic] erfand.

L. 1, fol. D3b "

L. 1, fol. D4a II. Über die Drucker – zu ihrer Verteidigung.

III. Jedes Übermaß ist der Natur feind.

IV. Deinem Schicksal versuchst du vergeblich zu entgehen.

V. Das Erdulden.

L. 1, fol. D4b VI. Die Pflicht eines jeden Menschen.

VII. Hof und Höfling.

L. 1, fol. D5a VIII. Stadt und Land.

L. 1, fol. D5b IX. Hausarznei.

X. Ein allzu vertrauter Umgang erzeugt Geringschätzung.

XI. Die Häßlichkeit der Herberge zeigt die Schlechtigkeit ihres Bewohners an.

L. 1, fol. D6a XII. Vom Nutzen eines Weingartens.

XIII. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen.

XIV. Über die getauften Juden.

L. 1, fol. D6b "

L. 1, fol. D7a XV. An Polydor über die Natur von Wein und Wasser.

L. 1, fol. D7b Magister PAUL STRANSKY aus Zapen (?) in Böhmen an WESTONIA: In den Städten Böhmens verbreitet sich das Gerücht, Elisabeth, daß du in lyrischen Maßen und im epischen Vers dichtest. Doch Gerüchten gegenüber mißtrauisch, wie ich bin, wollte ich es nicht glauben. Als ich jedoch deine Verse im Druck sah, erblich ich vor Scham. Übertroffen bist du, Parilla, und du, Sappho. Eine Engländerin dichtet perfekt im epischen, lyrischen und elegischen Maß.

Magister WENZEL RIPA (DBIoo) aus Stankov (bei Pilsen) an WESTONIA: Wie der große Scaliger sagt, wurde zur Zeit des Kaisers Domitian die Dichterin Sulpicia geboren,

L. 1, fol. D8a die den Töchtern Roms als erste den Weg wies, sich mit den griechischen Dichterinnen zu messen – freilich nur in ihrer Muttersprache, was leichter ist und heute auch von vielen Italienerinnen, Französinnen, Spanierinnen und Böhminnen getan wird. Doch der Aufgabe, in der Sprache der Alten zu dichten, stellen sie sich nicht. Anders Westonia, die sich Hand in Hand mit Sulpicia der zehnten Muse, Sappho, anschließt.

L. 2, fol. A1aTitel: Zweites Buch [...]

L. 2, fol. A1b Meditation und Danksagung zum Tag der Geburt unseres HEILANDES. (Da dieses Gedicht in Inhalt und Diktion weithin dem traditionellen Typus des Lob- und Dankgedichts auf die Menschwerdung Christi entspricht, verzichten wir auf ein Resümee. Die letzten zehn Verse enthalten Bitten zum Neuen Jahr, insbesondere um Glück für die kaiserliche Regierung.)

L. 2, fol. A2a "

L. 2, fol. A2b "

L. 2, fol. A3a ".

Auf den NAMEN JESU: Meine Muse, lege deine leichte, weltliche Art ab.

L. 2, fol. A3b Jetzt wirst du nicht den Freunden für fröhliche Lieder danken, nicht willkommen heißen und zum Abschied singen, nicht Trauerlieder oder Bittgesänge anstimmen. Du wirst nicht mein Gesuch zum Hof des Kaisers tragen noch die Sprüche der Weisen in Verse fassen, nicht Ruhm verkünden noch Geburtstage feiern noch in Liebeswehmut weinen. Der Himmel selbst stellt uns ein würdigeres Thema, denn angebrochen ist der Tag, an dem für unser Heil der erste Tropfen Bluts vergossen wurde, der Tag, an dem der Knabe beschnitten wurde und den Namen Jesus erhielt. Singe also vom Namen Jesu, Muse. Josua, der auf Moses folgte, hieß so ähnlich, und ein hoher Priester auch.

L. 2, fol. A4a Diese haben jedoch dem Volk kein ewiges Heil gebracht. Das hat nur Jesus getan. Seinen Namen hat ihm der Wille des Vaters gegeben, bevor der Erdkreis bestand. Das einzige Heil des Menschen ist, frei von Sünde zu sein. Dieses Heil liegt allein im Namen Jesu.

L. 2, fol. A4b Jesus befreit vom Übel diejenigen, die an ihn glauben. Nicht durch dein Verdienst, sondern durch Christi Verdienst wird der Zorn des Vaters besänftigt. Beim Namen Jesu beugt sich jedes Knie. Wer auf Seinen Namen vertraut, wird vor dem Höllenfeind errettet.

L. 2, fol. A5a Es nützt jedoch nichts, äußerlich das Knie zu beugen, wenn sich nicht im Innern der Geist beugt. Liebster Jesu, Heiland, sei gegrüßt. Sei Deiner Dienerin gnädig; vergib ihr ihre Sünden und lenke ihre Sinne, damit ich immerdar Dein Lob singe, wie auf Erden, so auch im Himmel.

Zum Sonntag von LAZARUS, der vor dem Tor des Reichen liegt: Gott, erbarme Dich Deiner Getreuen, die, verachtet, vor dem Tor mächtiger Fürsten liegen. Sei Du mein Samariter. Verschaffe mir Wohltäter, die meine Wunden versorgen. Beuge den harten Sinn der Reichen durch den Gedanken an die Strafen der Hölle

L. 2, fol. A5b und führe sie auf Deinen Weg zurück.

Auf den Tag des heiligen Apostels ANDREAS, des Bruders Petri: Christus, ich danke Dir, daß Du das Menschengeschlecht in dein Reich führst. Du läßt uns Dich erkennen, gibst uns Diener des Wortes, wirst Mensch und stirbst für unser Heil. Dabei hebst Du die Härte Deines Gesetzes auf. Du berufst schließlich zwölf Diener als Zeugen der Wahrheit. Erhalte uns Deine Lehre unverfälscht, laß uns den Spuren der Heiligen folgen,

L. 2, fol. A6a schenke der Kirche eifrige Lehrer und Hirten, die uns auf grünen Auen weiden, bis wir in den Himmel eingehen und Dir immerdar Lob singen.

"Sie werden den Tod nicht schauen": Größer als die Liebe der Zwillingssöhne, die Leda dem Zeus gebar, ist die Liebe unseres Erlösers. Pollux und Castor teilen sich ein Leben: Wird der eine lebendig, wird der andere tot. Christus aber schenkt uns durch Seinen Tod das ewige Leben und lebt ewig mit uns.

L. 2, fol. A6b "Ich sehne mich nach meiner Auflösung."

"Wer wird meinem Haupt Wasser reichen?"

Ein jammervolles Leben ist bitterer als der Tod.

Den Tod verdient zu haben, bedeutet Tod.

Dasselbe.

L. 2, fol. A7a Halte stand!

Halte dich fern!

Die rechte Mitte

Reichtum ist flüchtig.

Dasselbe.

L. 2, fol. A7b Etwas Ähnliches.

Verderbnis des Staatswesens.

Almosen.

L. 2, fol. A8a Etwas Ähnliches.

Das Gute mit anderen teilen.

Oder so.

Das Wesen des Leihens.

Das Gesetz der Vergeltung.

Das Los des Geizigen.

L. 2, fol. A8b Wie ein Geiziger zu ertappen ist.

Dasselbe.

Der Geizige büßt sein Laster, wenn er stirbt.

Dasselbe.

Der Geizige ist schadenfroh.

L. 2, fol. B1a Was man einem Geizigen wünschen soll.

Treue ist mächtiger als Reichtum.

Der spontane Gnadenerweis.

Man schätzt, was man nicht hat.

Das Schicksal ist unausweichlich.

Das Schicksal kann abgemildert oder verschärft werden.

L. 2, fol. B1b Von der Gefälligkeit der Glücksgöttin.

Die angeklagte Unschuld.

Mit einem Betrunkenen soll man nicht streiten.

Unbedachtes Urteil.

Schlimmer Verdacht.

L. 2, fol. B2a Der Schmeichler.

Der jüdische Händler.

Über den Demütigen und den Hoffärtigen.

Der zerstreute Sinn.

L. 2, fol. B2b Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.

Der Ruhm.

Ins Album ihres lieben JOHANNES LEON: Tüchtigkeit allein verleiht Adel.

Bleibendes Verdienst.

Allzu späte Ermahnung.

L. 2, fol. B3a Dasselbe.

Dasselbe.

Frühreifes Talent.

Knechtschaft ist eines Freien ganz und gar unwürdig.

L. 2, fol. B3b Zu große Spannung und Entspannung schaden dem Geist gleichermaßen.

Kluge Voraussicht.

Dasselbe.

Dasselbe.

Eintracht.

Sich altersgemäß verhalten.

Leid macht mutlos.

L. 2, fol. B4a Amor ist töricht.

Dasselbe.

Dasselbe.

Verbotene Liebe der Frauen.

Etwas Ähnliches.

Die Liebe ist argwöhnisch.

L. 2, fol. B4b Dasselbe.

Die Versöhnung verletzter Liebe.

Oder so.

Nur eine lange Frist kühlt die Liebe ab.

Dasselbe.

Aus freien Stücken wird die Liebe geboren, nicht jedoch beendet.

L. 2, fol. B5a Liebe zu den Eltern.

Für einen alten Mann gehört es sich nicht, verliebt zu sein.

Für eine alte Frau gehört es sich nicht, verliebt zu sein.

Ein Heilmittel gegen die Liebe.

Dasselbe.

Dasselbe.

Wenn du Fehler eines Freundes duldest, machst du sie zu deinen eigenen.

L. 2, fol. B5b Wie man sich seine Freunde wählen soll.

Über dasselbe.

Verletzte Freundschaft.

Über dasselbe.

Unglücklich sein im Glück.

L. 2, fol. B6a Einige AESOPISCHE FABELN:

Der Löwe und der Frosch.

Die gefangene Haubenlerche.

Das Schwein und der Hund.

L. 2, fol. B6bDie Taube und das Gemälde.

Die Gänse und die Kraniche

L. 2, fol. B7a Der Adler und die Schildkröte

L. 2, fol. B7b Der Floh und der Soldat.

L. 2, fol. B8a Auf den Wahlspruch der Autorin WESTONIA "Meine Hoffnung ist Christus."

Auf denselben.

L. 2, fol. B8b Auf den Wahlspruch des GEORG CAROLIDES VON KARLSBERG "Denk an dich".

Auf denselben.

Auf denselben.

L. 2, fol. C1a Auf den Wahlspruch des Gekrönten Dichters Magister BALTHASAR EXNER (1576-1624) aus Schlesien "Ich hoffe auf Besseres".

Auf denselben.

L. 2, fol. C1b Auf die ÜBERSCHWEMMUNG Prags nach anhaltendem Regen: Der erzürnte Himmel führt regenschwangere Wolken heran. Die Moldau schwillt an und tritt über die Ufer. Die Flut überschwemmt die Ebene und reißt alles mit: Feldfrüchte, Holz und Hausrat, Mann und Frau. Boote schwimmen in den Straßen der Stadt, Fische dringen in die Kirchen ein.

L. 2, fol. C2a Gott, der Du die Ungeheuer des Meeres und das Wüten der Elemente zähmen kannst, laß dies Unheil vorübergehen.

Gegen einen TADLER: Warum zerpflückst du meine Gedichte? Hältst du sie für nicht poetisch genug, weil sie nicht geschminkt und prächtig daherkommen? Man muß es mir nachsehen, daß sie einem wählerischen Geschmack nicht entsprechen. Im blühenden Alter von zwanzig Jahren drücken mich Leid und Sorgen nieder. Schlicht wie mein Leben ist mein Dichten. Verachte nicht meine Seufzer, mag ihnen auch die römische Eleganz fehlen. Vielleicht kommt einmal die Zeit, wo ich Besseres liefern kann. Jetzt nimm bitte mit diesen Erstlingsfrüchten vorlieb.

[Anonymus] An die adlige WESTONIA aus Engelland: Bist du aus Engelland oder engelgleich oder gar selbst ein Engel? Dieses verbietet zwar dein Geschlecht, doch ist dein Geist ein Engel.

L. 2, fol. C2b [Anonymus] An dieselbe [WESTONIA]: Ich sinne nicht den Wundern des Makrokosmos nach; denn als ich dich erblickte, sah ich in einem Mikrokosmos die verschiedenen Gaben des Geistes und die Begriffe der Dinge vereint. Da ist nichts vorgetäuscht, nichts fauler Zauber. Wie geschickt hat der Schöpfer dieses Wunderwerk in einem kleinen Körper eingeschlossen, wie schön alles angeordnet: Ehrenvolle Herkunft und Besitz kamen da zusammen, solange das Schicksal es zuließ. Und in dieser Wohnstatt finden sich ein hoher Sinn, Kenntnisse, Sittsamkeit, Frömmigkeit und alles, was den Menschen ziert.

L. 2, fol. C3a Ein seltener Vogel bist du auf Erden, von Kindesbeinen an vom Musenquell genährt. Du vereinst die Gaben der Venus und der Pallas, der Musen und Apolls, du großer Ruhm des weiblichen Geschlechts. Dich stelle ich über alle anderen.

An dieselbe [WESTONIA] etwas Ähnliches: Die weibliche Natur hat im Wetteifer mit der männlichen in jedem Bereich Ruhm erworben – die Amazonen im Kampf, Deborah als Prophetin, Judith, indem sie Gottes Urteil vollstreckte, Athalja als Königin von Juda, eine Frau im indischen Volk der Pandarer (?) als Herrscherin.

L. 2, fol. C3b Die Frau ergreift die Ruhmestitel der Männer und macht sie sich gelehrig zu eigen. Doch es wird von keiner Frau berichtet, die in gelehrter Dichtung mit Männern wetteiferte und diese übertraf. Dieser Ruhm gehört allein dir, Westonia.

WESTONIA dem erfahrenen Arzt OSWALD CROLLIUS zum Geburtstag: In meine Sorgen versunken, blättere ich in einem Kalender und sehe bei einem bestimmten Datum deinen Namen. Um nicht als undankbar zu erscheinen, will ich dich mir mit einigen wenigen Versen als Zeichen der Freundschaft verpflichten. Möge dir dieser Tag noch oft wiederkehren, damit du deinen Ruhm noch vermehren kannst. Gaben aus Gold kann ich dir, wie du weißt, nicht geben. Meine Verse sollen dir einen blühenden Kranz ums Haupt winden.

L. 2, fol. C4a WESTONIA an OSWALD CROLLIUS: Im Vertrauen auf dein Wohlwollens schicke ich diese Dienerin meiner Mutter, die seit drei Wochen an starkem Kopfweh leidet, zu dir. Wenn du ihr von deinen hervorragenden Arzeneien etwas mitgeben könntest, würdest du meiner Mutter einen großen Gefallen erweisen und micht von schwerer Sorge befreien. Verzeih mir diese Zudringlichkeit, die aus der Not geboren ist.

OSWALD CROLLIUS an WESTONIA: Hochwohlgeborene Jungfrau, der Magd habe ich, wie gewünscht, ein Kopfschmerzmittel gegeben; zugleich schicke ich das versprochene Augenwasser. Außerdem bitte ich dich, wie Melissus

L. 2, fol. C4b und Nikolaus Mai, um einige Verse zu Ehren meiner "Basilica chymica", die demnächst erscheinen wird. Dafür werde ich dir auch immer Dank wissen. Lebe wohl, gelehrteste Jungfrau unserer Zeit, und sei mit deiner edlen Mutter vielmals gegrüßt.
 
 

L. 3, fol. A1a Titel: Drittes Buch [...]

L. 3, fol. A1b [leer]

L. 3, fol. A2a WESTONIA an König Jakob (I.) von Großbritannien, 20 Juni 1603: Wo alle deines Ruhmes voll sind und dir zu deiner neuen Würde gratulieren, habe auch ich, deine unwürdige Dienerin, auf deine Anerkennung hoffend, mich bemüht, mit beiliegendem Gedicht desgleichen zu tun, angespornt nicht allein von Liebe zu meinem Vaterland, sondern auch von deiner der ganzen Welt bekannten Tugend, Frömmigkeit und Tapferkeit. Daher wurde deine Thronfolge vom Adel, den Beamten und dem braven Volk

L. 3, fol. A2b einmütig ersehnt und begrüßt. Du vereinst alle Fürstentugenden in dir. Mögest du selbst sie lange ausüben und zuletzt einer unendlichen Reihe von Nachkommen vererben. Diesen Wunsch habe ich in ein Gedicht gefaßt, das ich dich gütig aufzunehmen bitte. Mit meiner Mutter, einer verlassenen Witwe, empfehle ich mich, obwohl von der Heimat weit entfernt, deinem Schutz. Mögen die Götter dich bewahren!

König Jakob, von königlich britannischem Geblüt, glückhafter König von Schottland und Irland,

L. 3, fol. A3a Sitz der Weisheit und Beredsamkeit, gebeugten Knies küßt dir die Engländerin Westonia die Hand und wünscht dir Glück zu der Würde, die der dreieinige Gott dir verliehen hat. Reckt da nicht Neptun sein Haupt aus den Wogen? Die Meeresnymphen schließen sich zum Reigen zusammen. Erde und Sonne strahlen. Bin ich auch hier in Böhmen, wo Kaiser Rudolf friedfertig regiert, weit von der Heimat entfernt, so muß ich ihr doch mit einem Lied zu ihrem Glück gratulieren.

L. 3, fol. A3b Möge es dir selbst und mit dir dem englischen Volk wohl ergehen. Möge dieses in Sicherheit leben und von Frankreich, Spanien und den südlichen Niederlanden nicht angegriffen werden. Mögen Frömmigkeit, Gerechtigkeit und das Gemeinwohl Richtschnur der Bürger sein. Diesen Wünschen möge sich die ganze Christenheit anschließen. Regiere lange und glücklich, du Vater des Vaterlandes!

JOSEPH JUSTUS SCALIGER an WESTONIA; Leiden, 7. November 1602 (Julianischer Kalender): Ich grolle meinem Schicksal, teuerstes Mädchen, daß ich so spät erst erfuhr, was andere schon längst wissen.

L. 3, fol. A4a Daß du Wunder an Tugenden mir so lange entgangen warst, muß ich bedauern. Erst Georg Martin von Baldhofen, der eifrig um dich bemüht ist, hat mich auf dich hingewiesen. Ich schreibe dir, weil ich nicht verbergen kann, wie sehr mich deine Gedichte – als Werke der Jugend und erst recht eines Mädchens! – beeindruckt haben. So etwas kann man sich gar nicht vornehmen, sondern nur bewundern. Auch deine sonstigen Talente, die Vertrautheit mit so vielen Sprachen, haben mich erstaunt und bewogen, deine Freundschaft zu suchen. Ich bitte dich, diesem Wunsch wohlwollend zu entsprechen. Lebe wohl, ausgezeichnete Jungfrau.

L. 3, fol. A4b WESTONIA an STEPHEN LESIEUR, Rat König Jakobs von England; Prag, 28. Juni 1604: Ich wage es, dir zu schreiben, weil die Sache, um die es geht, sehr wichtig ist, und weil man mir einen Vorwurf daraus machen könnte, wenn ich dazu schwiege. Hier in Prag lebt ein Landsmann von uns, der sich William Turner nennt. Als er kürzlich aus der Heimat hierher zurückkehrte, trat er in das Zimmer ein, in dem ich mit meiner Mutter war, schwenkte Briefe, die er vom König selbst und auch von dir für die Kaiserliche Majestät und ihre Räte erhalten haben wollte, sagte über uns und die Kaiserlichen Räte Abträgliches und Bedrohliches und behauptete, all dies in England von dir und sogar vom König

L. 3, fol. A5a selbst gehört zu haben. Unter anderem sagte er: "Was bildest du dir wohl ein, mit dem Gedicht, das du dem König überreichen lassen wolltest, an Anerkennung oder Gunst erreicht zu haben? Gar nichts hast du erreicht; nur Schande hat es dir gebracht. Als es nämlich übergeben wurde, sagte derjenige, der dem König über dich berichten sollte, es sei nicht von dir selbst verfaßt, sondern aus der Werkstatt eines Anderen hervorgegangen. Deshalb hat der König es sich erst gar nicht angesehen, sondern entrüstet zurückgewiesen." Wie sehr mich das verletzt, wird man begreifen, wenn man bedenkt, daß ich nicht aus Ruhmbegierde, sondern nur aus Heimatliebe und der Verpflichtung gegenüber meinem König zur Feder gegriffen habe. Aus dem Zeichen meiner Dankbarkeit ist nun eine Beleidigung und ein Grund zum Ärger über mich geworden. Deshalb muß ich diesen Verleumder und andere

L. 3, fol. A5b Menschen dieser Sorte widerlegen und mich vor euch als Richtern rechtfertigen. Was für ein Motiv hätte mich denn zu solch einer Täuschung verleiten können? Um es kurz zu machen: Man sehe sich doch nur den unpolierten Stil und die simplen Vorstellungen dieses Gedichtes an; dann wird man erkennen, wer es verfaßt hat, nämlich eine Frau, der es an Talent und Bildung fehlt. Dazu, dir zu schreiben, hat mich ein Wort Ciceros bewogen, der sagt, Gleichgültigkeit gegenüber dem, was die Leute über einen meinen, verrate nicht nur Arroganz, sondern auch schlechte Sitten.

STEPHEN LESIEUR an WESTONIA; London, 1. August 1604:

L. 3, fol. A6a Dein Brief, gelehrte Westonia, verehrte Freundin, hat mich zugleich erfreut und betrübt. Mit Befriedigung hörte ich, daß es dir und den Deinen gut geht, und es freute mich, daß sich die Freundschaft, die wir in Prag geknüpft haben, im Briefwechsel fortsetzt. Betrübt hat mich der Bericht über das Gaunerstück, daß Captain Turner neulich in Prag aufgeführt hat. Daß er hier vom König selbst und vielen vornehmen Persönlichkeiten des Hofes ehrenvoll empfangen wurde, hat er mit gefälschten Briefen, die scheinbar das Siegel des Königs und der Königin trugen, und mit der Behauptung, diese Personen hätten die Würdenträger und Räte Ihrer Kaiserlichen Majestät verunglimpft, vergolten.

L. 3, fol. A6b Daß er auch deinen Ruf zu schmälern trachtet, ist daher nicht verwunderlich. Alles, was er dir über die Übergabe deiner Verse erzählt hat, ist erdichtet und erlogen. Vielmehr hat der König sie sehr gnädig aufgenommen und gelesen, und da war niemand, der über dich oder dein Gedicht etwas Abträgliches gesagt hätte. Was mich betrifft, so versichere ich dir, daß ich von dir und deinen Geistesgaben eine hohe Meinung habe, die mir kein Verleumder so schnell nehmen kann. Ich biete dir meine Dienste an und bitte dich, unsere Freundschaft durch weiteren Briefwechsel zu pflegen.

L. 3, fol. A7a PAULUS MELISSUS an WESTONIA; Heidelberg, 20. November 1601: Georg Martin von Baldhofen, der selbst sehr fein dichtet, hat mich gebeten, zur bevorstehenden Veröffentlichung deiner Gedichte etwas zu deinem Lob zu verfassen. Ich habe drei Oden gedichtet, edle Westonia, die dir hoffentlich gefallen. Ich freue mich darauf, deine Arbeiten, sobald sie erschienen sind, zu lesen. Lebe wohl, Augapfel der Musen, und sei deinem Freund Melissus gewogen.

WESTONIA an PAULUS MELISSUS; Prag, 18. Dezember 1601.

L. 3, fol. A7b Wie soll ich dir, edler Melissus, für deine Gedichte, die mich unverdientermaßen preisen, danken? Immer werde ich an dein Wohlwollen und deine Wohltat denken. Noch kann ich dir nicht gebührend Dank sagen. Ich habe bisher nur die ersten Schritte in der Poesie gemacht. Ein widriges Schicksal hat mich daran gehindert, den Helikon zu erklimmen. Jetzt hoffe ich, mich dank kaiserlicher Gnade und der Förderung durch einige angesehene Persönlichkeiten den Studien freier widmen zu können. Ich sträube mich nicht sehr dagegen, daß Baldhofen einige meiner Gedichte veröffentlichen will, zumal das meinen Gönnern lieb ist. Dein Lob, das du mir aus übergroßem Wohlwollen spendest, verstärkt noch meine natürliche Neigung zum gelehrten Studium

L. 3, fol. A8a und treibt mich dazu an, das zu werden, als was ich schon jetzt gelte. Lebe wohl, Dichterfürst, honigsüßer Melissus.

PAULUS MELISSUS an HEINRICH VON PISNITZ; Heidelberg, 20. November 1601: Georg Martin von Baldhofen hat mich gebeten, etwas zum Lob der hochgelehrten Jungfrau Elizabeth Jane Weston zu schreiben. Das habe ich in drei Oden, die ich in doppelter Ausfertigung beilege, getan, und eine an Baldhofen hinzugefügt. Ich erlaube mir, sie zu einer an dich adressierten Sendung zu legen, damit sie um so sicherer ankommen.

L. 3, fol. A8b PAULUS MELISSUS an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN: Mit Freude habe ich gelesen, was du mir über Westonia schriebst. Ich habe etwas zu ihrem Lob geschrieben. Ein Vorwort wirst du als Herausgeber hinzufügen. Ich schätze sie in der Tat hoch.

PAULUS MELISSUS an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN: Ich werde Westonia, sobald sich die Gelegenheit bietet, den Dichterlorbeer schicken, was es noch nie gab. Ich schätze sie wegen ihrer hohen Bildung und ihres großen Eifers zur Dichtung sehr. Du deutest an, daß du in unsere Gegend kommen wirst. Besonders würde ich mich darüber freuen, wenn du an mich gerichtete Verse der Westonia mitbrächtest.

L. 3, fol. B1a Wenn möglich, hätte ich auch gerne ein Portät der jungen Frau, gemalt von einem erfahrenen Künstler.

Dr.iur. JOHANN GERNANT, Kurpfälzischer Hofrat, an WESTONIA; Heidelberg, 20. Mai alten Stils, 1602: Dein Brief wurde der Witwe des Melissus acht Tage nach dem Tod ihres Gatten überbracht, zusammen mit dem kurzen Gedicht, das du an diesen gerichtet hattest. Da ich, neben dem Kurpfälzischen Rat Lingelsheim, von Melissus testamentarisch zum Vormund seiner Frau und seiner einzigen Tochter eingesetzt worden bin, hat mich die Witwe gebeten,

L. 3, fol. B1b dir zu antworten und dir für deine Zuwendung zu dem Verstorbenen zu danken. Dein schönes kleines Gedicht wird im Nachlass des Melissus sorgfältig aufbewahrt und Freunden in Abschrift mitgeteilt. Nun möchten wir dich noch um ein Klagelied auf den Tod des Melissus bitten. Wenn wir es innerhalb von zwei Monaten erhalten, soll es zusammen mit den Trauergedichten gelehrter Dichter zum Druck gegeben werden. Eine persönliche Bitte wage ich als langjähriger Freund des Melissus anzuschließen: Könntest du vielleicht für meinen dreizehnjährigen Sohn, der im kommenden Juli an unserer Universität den Magistergrad

L. 3, fol. B2aerwerben wird, ein kurzes Grußgedicht schreiben und dieses zusammen mit dem Trauergedicht auf Melissus schicken? Melissus hatte meinem Sohn, den er gerne mochte, einen Glückwunsch versprochen. Wenn nun die einzige Dichterin auf dieser Erde, und dazu eine so vorzügliche und gelehrte, dieses Versprechen einlöste, so würde ich das als eine sehr große Ehre empfinden. Lebe wohl, edle Dichterin, du zehnte Muse, und grüße Mai und Baldhofen, für die ich die Programmschrift zur Trauerfeier des Melissus beilege.

WESTONIA an JOHANN GERNANT; Prag, 1. Juni 1602:

L. 3, fol. B2b Ach, hätte doch mein Brief mit dem kurzen Gedicht an Melissus diesen lebend erreicht! Der Erste unter den Dichtern unserer Zeit ist nun aus dem irdischen Elend zu den seligen Geistern entrückt. Seine Tugend werde ich in meinen Gedichten immer preisen. Dir und seiner Witwe sage ich für eure Freundlichkeit Dank. Zu deinem begabten Sohn Casimir gratuliere ich dir. Hoffentlich erfreut ihn das kurze Gedicht, das ich unter dem Druck anderer Beschäftigungen zu seinen Ehren hingeworfen habe. Was ich auf den Tod des Melissus gedichtet habe, das sieh bitte kritisch durch.

L. 3, fol. B3a L. FEIGHIUS an WESTONIA; Padua, 30. Mai 1601: Die Nachricht vom Tod deines lieben Bruders hat mich schwer getroffen, da ich an deinem Schicksal großen Anteil nehme. Die allgemeinen Trostgründe

L. 3, fol. B3b kennst du. Dazu zählt auch dies: Du hast eine sehr liebe Mutter, von ebensolchen Geistesgaben wie du, und dir in allem ähnlich, mit der du weiterhin in enger Gemeinschaft leben kannst. Daneben gelten für dich noch besondere Gründe, Trost zu finden. Du verfügst über Klugheit und Kenntnisse, die dir Trost spenden werden. Du hast vertrauten Umgang mit den Musen und mit Phoebus, der dich

L. 3, fol. B4a liebt. Bete auch zu Gott, daß er deiner Seele wieder Ruhe schenkt. Zu diesem Zweck schicke ich dir ein Büchlein mit Gebeten. Über dein schönes Gedicht auf den Tod deines Bruders habe ich mich sehr gefreut, zumal es von einer jungen Frau geschrieben ist. Was ich für dich und deine liebe Mutter tun kann, will ich gerne tun.

L. 3, fol. B4b Grüße deine Mutter und lebe wohl.

"Gold konnte ich dir nicht sicher übersenden, doch ein frommes Geschenk wohl."

"Nachdem ich diesen Brief an dich geschrieben habe, erhalte ich noch einen von deiner Mutter. Ich werde das Gewünschte demnächst in Venedig besorgen. Nun bitte ich dich, mir so bald wie möglich dein Porträt zu schicken, damit ich dich immer vor Augen habe."

WESTONIA an L. FEIGHIUS in Padua; Prag, 1. Juli 1601: Dein Brief hat mir in meiner traurigen Lage

L. 3, fol. B5agut getan. Ich denke, daß wir meinen Bruder nicht verloren haben, sondern daß er uns vorausgegangen ist in jenen ruhigen Hafen, nach dem ich mich, ebenso wie meine Mutter, sehne. Wir leben nun bei Herrn Heinrich von Pisnitz, dem kaiserlichen Rat und Vizekanzler des Königreichs Böhmen, der uns Trost und Beistand gewährt, während unsere Hoffnung, unseren Besitz wiederzugewinnen, schwindet. Um mein Porträt will ich mich nicht sehr bemühen, da ich

L. 3, fol. B5bauf das Äußere keinen Wert lege. Wenn es sich jedoch machen läßt, will ich mit Hilfe eines Künstlers deinem Wunsch entsprechen. Für das Gebetbuch, das Gold wert ist, danke ich dir. Lebe wohl.

WESTONIA an Prof. Dr. iur. WOLFGANG GRUNING (Gruening, 1562-1615), Dekan etc. in Erfurt; Prag, 13. Juli 1601: Dein Lob meines Gedichts kann ich nicht mir, sondern nur deiner großen Freundlichkeit zurechnen. Dafür, daß du sogar ein Preisgedicht verfaßt und veröffentlicht hast, schulde ich dir großen Dank. Ich erkenne darin deine großen Kenntnisse und deinen hervorragenden Stil. Deine Bitte, ich möge deinen Lebensweg und deine Laufbahn in Versen beschreiben,

L. 3, fol. B6a geht über meine Fähigkeiten hinaus. Doch will ich etwas schreiben, wenn ich Zeit dafür finde.

WESTONIA an EGBERT MAI; Prag, 20. Juli 1602: Ich danke dir für deine Zeilen, denen der Brief meiner Mutter beigefügt war. Es tut mir zwar weh, von meiner Mutter getrennt zu sein, doch denke ich daran, wie sehr sie deine Unterhaltung und Freundlichkeit genießen wird. Hoffentlich können wir dir das einmal vergelten.

L. 3, fol. B6b Lebe wohl.

WESTONIA an ihren Bruder JOHN FRANCIS WESTON in Ingolstadt; Brüx, am Fest der heiligen Anna (26. Juli)1597: Deine Krankheit erleide ich mit dir, ich seufze und weine. Das schulde ich der Liebe, die du mir immer entgegengebracht hast. Was dir aber unser Herr Vater in dieser Sache rät, wird dir Roger mitteilen,

L. 3, fol. B7a dem du sicherlich aufmerksam zuhören wirst. Als ich dich nach deinen Studien fragte, wollte ich lediglich etwas Anteil an dem Genuß haben, den sie dir gewiß bereiten. Du aber hast so karg geantwortet, als ginge es dir nur darum, jedes Eigenlob zu vermeiden. Sorge bitte für deine Gesundheit und lebe wohl.

JOHN FRANCIS WESTON an seine liebe Schwester WESTONIA; Ingolstadt, 24. April 1598: Ich habe dir zu selten geschrieben; doch wirst du das, wenn du die Gründe kennst, wohl entschuldigen.

L. 3, fol. B7b Was du auf anderem Wege schon erfahren hast – den guten Verlauf meiner Reise zum Beispiel – brauche ich nicht zu wiederholen. Mir geht es gut und ich habe keine anderen Beschwerden als die, von denen ihr schon wißt. Der englische Arzt Dr. Holling, den ich konsultierte, meinte, es sei ein Fall für den Chirurgen. Da ich jedoch von einem Arzt, der kein Chirurgus ist, und von einem Chirurgus, der kein Arzt ist, nicht viel halte, muß ich mich in Geduld fassen, bis ich

L. 3, fol. B8a mit etwas Glück bessere ärztliche Hilfe finde. Gerne würde ich über dein Ergehen, teure Schwester, etwas erfahren. Ich bin in Gedanken oft bei dir, da ich dich so sehr schätze. Gott schütze dich, und grüße unsere Mutter von mir.

JOHN FRANCIS WESTON an seine Schwester WESTONIA; Ingolstadt, 14. August 1598: Nur einen Brief hat mir ein Bote von dir überbracht. Ich fürchte nun, daß deine Schreiben ausbleiben, weil es dir nicht so gut geht wie früher, oder weil du mich vergessen hast. Erfreue mich doch bald wieder mit einem Schreiben.

L. 3, fol. B8b Was mich betrifft, so bin ich gesund, aber niedergeschlagen, weil mir deine tröstlichen Briefe fehlen. In meinem Studium fahre ich fort, aber ohne Freude und Eifer, weil mir die Ermutigung von deiner Seite fehlt. Grüße Mutter von mir und lebe wohl.

WESTONIA an ihren Bruder JOHN FRANCIS WESTON; Prag, 2. Oktober 1598: Deinen Brief vom 14. August habe ich am 25. September erhalten. Die beigefügten Gedichte von deiner Hand finde ich über Erwarten gelungen.

L. 3, fol. C1a Ich habe darauf geantwortet, so gut ich kann. Ich hatte dir drei Briefe geschickt, von denen du nur einen erhalten hast. Ich möchte nicht, liebster Bruder, daß du auch nur den geringsten Zweifel an der Beständigkeit meiner Gefühle für dich hegst. Ich tue nichts lieber, als einen Brief von dir zu lesen oder dir zu schreiben. Mit unserem Besitz

L. 3, fol. C1b steht es wie vordem. Wir wälzen den selben Felsbrocken bergauf, der dich schon ermüdete, als du hier warst. Finde Trost in unserer Liebe zu dir und dem süßen Musendienst. Benachrichtige uns, wenn dir etwas fehlt. Zu deinem Studiengang meint Mutter, daß du deinem Urteil und dem Rat deiner Professoren folgen sollst. Hier gibt es nichts Neues, außer daß sich die Pest so ausgebreitet hat, daß der Kaiser und einige führende Persönlichkeiten die Stadt verlassen haben. Lebe wohl und grüße Hieronymus.

L. 3, fol. C2a JOHN FRANCIS WESTON an seine Schwester WESTONIA; 12. Oktober 1598: Ich kann dir nichts weiter berichten, da ich in den vielen Briefen, die ich dir bisher schrieb, alle Themen erschöpft habe. Von dir aber habe ich seit meiner Ankunft in Ingolstadt erst einen Brief bekommen. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Vom Hochwürdigen Pater Thomas (s.o. Thomas Blasius?) hingegen habe ich schon fünf Briefe bekommen. Aus einem dieser Briefe habe ich erfahren,

L. 3, fol. C2b daß unsere Verwandte Ludmila Kelley mit ihren zwei Söhnen nach England aufgebrochen ist, den jüngeren aber der Mutter Erde übergeben und zurücklassen mußte. Glücklich ist dieser William, daß er als unschuldiges Kind schon die Heimat der Seligen erreicht hat. Denke doch nur an unseren Vater: wieviel Unglück mußte er nicht sein ganzes Leben lang, bis zu seinem vierzigsten Jahr, erleiden? Auch wir werden einmal wohl ebenso viel

L. 3, fol. C3a leiden müssen. Du aber laß dich davon nicht beunruhigen. Mir geht es recht gut, und ich studiere eifrig. Nur eine Zither fehlt mir, um mich durch das Spiel zu erquicken. Ich wäre dir daher sehr dankbar, wenn du mir in deinen Briefen ein paar Goldstücke zusenden könntest, damit ich mir eine kaufen kann. Lebe wohl, liebe Schwester, und antworte mir sofort.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN in Schlesien; Prag, 20. Dezember 1601:

L. 3, fol. C3b Eine Danksagung kann dem Wohlwollen und der Hilfsbereitschaft, die du mir beweist, nicht gerecht werden. Daher muß ich öffentlich erklären, daß ich dir vielfach verpflichtet bin; was ich hiermit aufrichtig tue. Das Buch, das ich mir schon so lange gewünscht habe und das meinen Studien sehr nützen wird, habe ich dankbar erhalten. Mit deinem Brief kam das Heft mit deinen Gedichten, die ich so bald wie möglich lesen werde. Wenn meine kleinen Arbeiten von anerkannten Dichtern beachtet werden, so ist das allein dir zu verdanken.

L. 3, fol. C4a Mich beunruhigt nur die Sorge, daß du dir meinetwegen zu viel Mühe machst. Vergiß das bitte nicht. Die Widmung würde ich, wie versprochen, beilegen, wenn mich nicht viel Ärger und Sorgen zwängen, selbst das Notwendige zu versäumen. Lebe wohl.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN; Prag, 31. Januar 1602: Hier erhältst du den Brief und die Gedichte, die Paulus Melissus mir zu Ehren verfaßt hat. Ich habe sie schon im November erhalten, konnte aber bis heute nicht darauf antworten und habe deshalb auch das für dich bestimmte zweite Exemplar hierbehalten. Ich erröte vor Scham über die Auszeichnung, die mir der gelehrteste Dichter verleiht. Ich weiß nicht, ob meine literarischen Fähigkeiten jemals ausreichen werden, ihm dafür gebührend zu danken.

L. 3, fol. C4b Ich habe ihn mit einem Schreiben und einem kleinen Gedicht um Entschuldigung gebeten. Wenn du ihm antwortest, dann entschuldige mich bitte auch dafür, daß ich nicht in der Lage war, ihm würdig und pünktlich für ein so großes Geschenk zu danken. Lebe wohl.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN in Sagan; Prag, 13. Februar 1602: Ich danke dir für das ersehnte Schreiben mit der Ode und dem Brief, die für Melissus bestimmt sind, und dem Heft mit Gedichten. Du lobst mich allzu sehr. Das soll mir Ansporn sein. Auf deine Frage werde ich eingehen, sobald ich von Herrn Mai eine Antwort erhalten habe. Grüße deine Eltern und deine Schwester von mir.

L. 3, fol. C5a WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN in Schlesien; Prag, 27. Februar 1602: Deine Briefe lese ich immer mit großem Vergnügen, obgleich ich mit vielem beschäftigt bin, das ich wegen unserer unglücklichen Lage wichtiger nehmen muß als meine Studien. Daß ich, wie du meinst, meine Kräfte überfordere, streite ich nicht ab; denn eher soll es mir an Kräften als am Willen fehlen. Wenn meine Augen nicht so schwach wären, woran ich schon seit meiner Kindheit leide, dann wollte ich mich noch mehr bemühen, meinem Namen Dauer zu verleihen. Daß in meinen wenigen Versen so viele Fehler zu finden sind, will ich mit Ciceros Wort verteidigen: "Schreiben ohne zu lesen erschöpft die Kräfte; lesen ohne zu schreiben vergeudet sie." Mir bleibt nur sehr wenig Zeit zum Schreiben

L. 3, fol. C5b und keine zum Lesen.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN in Schlesien; Prag, 7. März 1602: Endlich antworte ich, wenn auch nur ganz knapp, den freundlichen Männern, die mich mit ihren Versen ehren wollten. Bitte sei so freundlich, diesen Brief an sie weiterzugeben. Ich sende dir ihre Gedichte zurück, damit du sie, wenn du willst, zu den übrigen setzen kannst. Hier ist auch die Antwort von Herrn Mai. Er lobt dein Engagement für meine geringen dichterischen Arbeiten. Vor einigen Tagen stieß ich auf einige Verse von mir, die ich als nicht geschliffen genug verworfen hatte. Trotzdem überlasse ich sie dir, damit du mit ihnen nach Gutdünken verfährst. Grüße deine Eltern und deine Schwester von mir und meiner Mutter. Lebe wohl.

L. 3, fol. C6a WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN; Prag, 13. März 1602: Auf deinen freundlichen Brief hin, den ich vor drei Tagen erhielt, würde ich heute noch nicht zurückschreiben, wenn nicht ein trauriges Gerücht an meine Ohren gedrungen wäre. Ich füge dazu den Brief bei, den mir Herr Mai vor kurzem gegeben hat. Ich kann zu diesem Trauerfall nichts weiter sagen, so bitter und jammervoll ist er. Mögen nun alle Dichter zur Leier greifen und den Verlust ihres Phoebus beklagen. Lebe wohl.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN; 29. März 1602: Der Tod des göttergleichen Dichters Melissus hat mich so schmerzlich getroffen, daß ich ihn kaum weniger beweint habe als meinen einzigen, jung verstorbenen Bruder.

L. 3, fol. C6b Die allgemeine Notlage der Musen ist nun noch viel trauriger und bitterer geworden, da der traurige Aufflug unseres strahlendsten Schwans zu den Sternen durch den ebenso beklagenswerten Tod zweier weiterer bedeutender Männer (der Kaiserliche Hofastronom Tycho Brahe war am 24.10.1601 gestorben) noch schmerzlicher wird. Niemand kann der Trauer über den Verlust dieses Dreigestirns aller Tugenden angemessen Ausdruck verleihen. In unserem Leben folgt der Tod schnellen Fußes auf das Leben. Glücklich diejenigen, die einen guten und frommen Tod haben. Ich schätze mich glücklich, daß ich den letzten Gesang des scheidenden Schwans so voll gehört habe. Doch schmerzt es mich, daß er meinen Dank nicht mehr vernommen hat. Mein Brief ist um den 6. Februar nach Heidelberg abgegangen. Wenn du willst, erbitte ihn zurück. Meine Gedichte überlasse ich deinem Urteil. Den Antwortbrief von Herrn Mai habe ich dir kürzlich zugesandt.

L. 3, fol. C7a Ich schließe mich seiner Meinung an, da ich ihn wie einen Vater achte. Lebe wohl.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN in Leiden; Prag, 8. März 1603: Ich freue mich, daß deine Freundschaft zu mir durch deine Abwesenheit nicht gemindert, sondern im Gegenteil noch verstärkt zu werden scheint. Für die Gratulationsschreiben so bedeutender Männer, die du für mich besorgt hast, weiß ich dir immerwährenden Dank. Ich antworte Scaliger und Dousa brieflich. Von Heinsius habe ich noch nichts gesehen. Auf deinen Brief kann ich im Augenblick nicht eingehen.

L. 3, fol. C7b Ich werde das so bald wie möglich nachholen. Lebe wohl.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN in Leiden; Prag, 1. April 1603: Ich habe von dir nun schon den zweiten Brief aus Leiden erhalten. Daß ich dir so selten geschrieben habe, liegt daran, daß ich eine Zeit lang nicht in Prag war, dann aber auch daran, daß ich keine Gelegenheit sah, dich zu erreichen. In unserem Rechtsstreit hat es keinen Fortschritt gegeben.

L. 3, fol. C8a Dennoch ist meine Lage ein bißchen erträglicher geworden, wie du gewiß aus Herrn Mais letztem Brief ersehen hast. Mai ist jetzt vom Kaiser mit einer Mission zum Grafen Mansfeld gesandt worden. Wenn er zurück ist, wird er gewiß, wie du es wünschst, Scaliger und Dousa für die Freundlichkeit, die sie mir erwiesen haben, danken.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN in Leiden; Prag, 1.Juli 1603: Deinen Brief habe ich am 29. Mai erhalten. Daß du die Freundschaftsdienste, die du mir erwiesen hast, verkleinerst und nicht willst, daß ich dir dafür Dank sage, mindert meine große Dankbarkeit nicht.

L. 3, fol. C8b Du sollst wissen, daß ich im April nach Gottes Willen mit dem Juristen Johannes Leon, einem Deutschen, der am Kaiserhof als Anwalt tätig ist, die Ehe geschlossen habe. Mit ihm lebe ich bislang, Gott sei Dank, recht glücklich. Möge Gott uns auch weiterhin schützen. An unserer Freundschaft soll sich dadurch nichts ändern. Daß ich wegen der Fortsetzung der Publikation meiner Schriften noch nichts von mir hören ließ, liegt allein daran, daß ich die Arbeit, sie zu sammeln und abzuschreiben, noch nicht abschließen konnte. Es sollte aber, meine ich, alles auf einmal erscheinen, und zwar auch in Leiden, wie du es wünschst, wenn nicht mein Mann es lieber in Leipzig oder Prag zum Druck gäbe. Ich sende dir drei Exemplare meines Gratulationsgedichts für den neuen englischen König Jakob I. Zwei davon überreiche doch bitte (Joseph Justus) Scaliger und (Janus) Dousa in meinem Namen mit dankbaren Grüßen.

L. 3, fol. D1a WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN in Leiden; Prag, 28. Dezember 1603: Dein Brief hat mir besonders dadurch Freude bereitet, daß er deine alte Freundlichkeit mir gegenüber mit dem neuen, großen Wohlwollen, das du meinem Mann entgegenbringst, verbindet; ferner auch dadurch, daß er ausführlich von meinem lieben Heimatland berichtet. Du konntest deine Zeit gewiß nicht besser verwenden, als indem du jenen Teil des Landes gründlich kennenlerntest, an so großen Festlichkeiten teilnahmst und ehrenvolle Verbindungen, wie du sie verdienst, knüpftest. Du magst dich zu Recht wundern,

L. 3, fol. D1b warum ich die Wahl getroffen habe, an einem Ort, der meinem Vaterland nicht von ferne gleichkommt, unter Tränen und Seufzern zu leiden, statt in meiner Heimat ein angenehmes Leben zu führen. Daß in England die Pest wütet, haben wir gehört. Bitte schreibe mir, sobald du erfährst, daß sie aufgehört hat. Ich habe einige Exemplare meines an den König gerichteten Gedichts nach England geschickt, um es dem König überreichen zu lassen, und zwar durch Edward Dyer und Stephen Lesieur.

L. 3, fol. D2a Doch habe ich von keinem von beiden etwas gehört. Da du näher an England bist und dort Freunde gewonnen hast, könntest du vielleicht erfahren, ob Lesieur inzwischen in England angekommen ist. Die beste Gelegenheit, an den König heranzutreten, böte sich meiner Meinung nach, wenn zusammen mit meinen gedruckten Gedichten und Briefen eine Bittschrift

L. 3, fol. D2b überreicht würde. Wir meinen nämlich wie du, daß es gut wäre, meine Gedichte in drei Teilen noch einmal in Leiden herauszubringen. Du wirst also eine wohlgeordnete Abschrift von allem erhalten. Deine kleinen Gedichte auf meine Eheschließung habe ich mit Freuden gelesen. Meine Mutter läßt dich grüßen und dir für deine Freundschaft danken, ebenso mein Mann, der leider zu sehr beschäftigt ist, um dir selbst seine Dienste anzubieten. Sei vielmals gegrüßt.

WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN in Sagan; Prag, 7. März 1605: Nachdem ich nun meine Briefe und Gedichte, die du für der Veröffentlichung wert hältst, zusammengestellt habe, möchte ich dich fragen, ob du an deiner Absicht festhältst, sie herauszugeben, oder ob wir einen anderen Freund darum bitten sollen,

L. 3, fol. D3a den Wünschen der Gelehrten nachzukommen. Lange haben wir ja nichts von dir gehört. Hast du vielleicht genug von der alten Freundschaft? Für deine vielen Verdienste werde ich dir immer verpflichtet sein. Mein Mann läßt dich verbindlichst grüßen. Lebe wohl und antworte bald.

L. 3, fol. D3b WESTONIA an HEINRICH WALTER (Walther, erw. 1604, Jöcher), Theologen und gekrönten Dichter zu Sagan in Schlesien; Prag, 6. März 1602: Ich habe bisweilen ein paar Verse an Gönner und gelehrte Freunde geschrieben, ohne daran zu denken, daß sie gelehrten Männern unter die Augen kommen sollten. Doch unser begabter Dichter Georg Martin von Baldhofen hält so viel von meinen Spielereien, daß er sie anderen zu lesen gibt. Das tut er ganz auf eigene Rechnung. Ich glaube nicht, euer Lob zu verdienen, und hoffe nur, daß ich diesem eines Tages entsprechen werde.

WESTONIA an BALTHASAR CREMER (DBIoo), gekrönten Dichter zu Hirschberg in Schlesien; Prag, 12. Februar (o.J.): Nicht, daß ich deinen Brief vergessen hätte, sondern die Fülle notwendiger Besorgungen hat meine Antwort verzögert.

L. 3, fol. D4a Ich danke dir, daß du dich zu jenen gesellt hast, die mich, obgleich ich es nicht verdiene, mit ihren fein ausgearbeiteten Texten ehren. Daß ich dem Lob und den Erwartungen nicht entsprechen kann, liegt an der Ungunst der Umstände. Ich lege ein paar Verse auf deinen Wahlspruch bei, die ich dich gütig aufzunehmen bitte.

L. 3, fol. D4b Lebe wohl.

WESTONIA an den gekrönten Dichter und Kandidaten der Rechte JOACHIM SCHLEGEL (DBIoo) zu Sagan in Schlesien; Prag, 5.März 1602: Deinen Brief und die Gedichte, die du mir zu Ehren geschrieben hast, habe ich erhalten. Lobe mich bitte nicht allzu sehr, damit wir uns nicht die Mißgunst anderer zuziehen. Ich weiß, daß meine Begabung gering ist. Doch will ich mich bemühen, der hohen Meinung, die du und andere Gelehrte von mir haben, eines Tages zu entsprechen.

L. 3, fol. D5a JANUS DOUSA von Nortwick und Cattendyck an WESTONIA: Wo lockst du mich hin, du Mädchen und Muse? Ich schweife durch die Wälder Böhmens, wo das alte Prag am Strom der Moldau liegt, und bewundere die kaiserliche Pracht, die ich Westonias wegen hoch schätze. Dank sei Baldhofen, der uns zuerst von deiner Gelehrsamkeit Kunde gab. Das Lesen deiner Gedichte nahm meine Sinne gefangen; ihr Zauber drang angenehm an mein Ohr.

L. 3, fol. D5b Baldhofen ist darum zu beneiden, daß du ihm die Früchte deiner Feder anvertrautest. Doch auch ich darf mich glücklich schätzen, wenn dir meine Gedichte willkommen sind und du sie einer Antwort würdigst. Dann werde ich in deinem Schutz vor Kritikern sicher sein. Schon möchte ich Holland verlassen und ein Böhme werde; schon fühle ich mich verjüngt. Verzeih’ mir diese frechen Wünsche, Jungfrau. Das Beispiel des großen Melissus hat mich dazu verführt. Mach’ weiter so, vermehre die Neunergruppe der Musen und übertriff dich selbst.

JANUS DOUSA an WESTONIA: Wer war so frech und barbarisch, deine Mutter ihres Besitzes zu berauben?

L. 3, fol. D6a Er wird nicht unbestraft bleiben, so wahr wir an Gottes Rache glauben. Weh mir, mit all deiner Beredsamkeit, deiner Ehrlichkeit und deinen vielen mächtigen Gönnern bist du ein Opfer der gegen Kelley gerichteten Mißgunst? Es ist unerträglich, daß dein Geist, dein Dichtermund solche Not leidet. Konnte dir Apoll nicht helfen, auch nicht eine der Chariten oder Musen? Diese Vorgänge treiben mir und meinen Freunden hier die Tränen in die Augen.

L. 3, fol. D6b Doch gewiß werden Mai, von Pisnitz und von Rosenberg dir zur Seite stehen, so daß schließlich der Kaiser, der doch die Milde selbst ist, dir deine Besitztümer wieder erstatten wird. Lebe wohl, edle Westonia, gelehrteste von allenJungfrauen, und verzeihe mir die saturnalienmäßige Freiheit und hingeworfene Schrift meines Briefes.

An GEORG MARTIN VON BALDHOFEN ein kleines Gedicht von JANUS DOUSA: Die ausgereiften Gedichte der Westonia zeigen mir, Baldhofen, wie hoch die Dichterin deine kritische Feile schätzt. Alles ist vorzüglich, unübertrefflich. Die Nachwelt mag daran die kulturelle Höhe unserer Zeit ablesen. Ein gelehrteres Mädchen hat es auf der Welt noch nie gegeben.

L. 3, fol. D7a Ebenso etwas später: Daß dich so süß der Hauch des Permessos (nach Hesiod der Fluß des Musentals am Helikon) umwehte, darüber wundere dich nicht länger: Es war Westonias Hauch.

JANUS DOUSA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN: Baldhofen, du hast dafür gesorgt, daß Westonias dichterisches Werk feingeschliffen ans Licht trat. Leiht Westonia auch deinen Liedern ihr Ohr? Beehrt sie dich mit Briefen? Du Glücklicher, dem es vergönnt ist, diesen göttlichen Glanz aus der Nähe zu sehen! Es war eine besondere Auszeichnung, das kaiserliche Diplom und den Dichterkranz zu erhalten. Eine noch höhere Auszeichnung aber ist es, von einer jungen Dichterin gerühmt zu werden, die (Isottaoder Ginevra) Nogarola und Ippolita (Taurella, Gattin Baldessare Castigliones, der ein von diesem verfaßtes Gedicht zugeschrieben wurde) übertrifft. Ihr beugt sich auch Olympia (Fulvia Morata) als der gelehrteren und durch Adel überlegenen.

JANUS DOUSA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN: Was Dichtung vermag, bezeugt der Dichter aus Kilikien, dein Blutsverwandter, Agesilaos.

L. 3, fol. D7b Er erhielt die Erlaubnis, zusammen mit seinem Vater, den er ins Exil begleitet hatte, in die Heimat und den früheren Besitzstand zurückzukehren, und dazu noch eine Goldmünze für jeden einzelnen Vers seines Werkes. Wenn Caracalla einem Kilikier diese Gnade und Ehre erweisen konnte, dann darf auch Kaiser Rudolf der deutsch-englischen Jungfrau eine Gunst erweisen und bewirken, daß ihre Mutter ihr Gut zurückerhält.

JANUS DOUSA über WESTONIA an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN: Führe mich, und ich will dich begleiten, die weitberühmte, geehrte Westonia zu sehen und von den Lippen der britannischen Muse den Nektar lateinischer Dichtung zu trinken. Das ist mir Lohn genug, und ich schätze selbst den kaiserlichen Dichterlorbeer nicht höher. Verzeih mir, Kaiser, dieses Eingeständnis,

L. 3, fol. D8a und laß deinen Diener neben dir auch die junge Elisabeth verehren, die ebenso wie du in Tugend erglänzt, wenn sie Dichter von neuem entzündet. Diese Wirkung kann ich selbst bezeugen, denn von ihrem Hauch umweht habe ich den Musendienst wieder aufgenommen und mich von den Rechtsgeschäften abgewandt ...

GEORG MARTIN VON BALDHOFEN an JANUS DOUSA: Dousa fragt, wem Westonia zur Frau gegeben werden solle. Die Jungfrau, die eine Magistra ist, hat einen Doktor als Ehemann verdient.

L. 3, fol. D8b Lied des PAULUS MELISSUS an WESTONIA, als er sie mit dem Dichterlorbeer auszeichnete: Wenn mir, Jungfrau, deine Begabung, Gelehrsamkeit und Tugend, dein sittsames Verhalten und deine wohlklingenden Gedichte in den Sinn kommen, dann scheinst du mir Sapphos Genius zu gleichen oder mit deiner Dichtkunst und den volltönenden lateinischen Rhythmen selbst Sappho zu übertreffen, ganz zu schweigen von der englischen, italienischen, deutschen und tschechischen Sprache, die dir zu Gebote stehen. Wenn du singst und die Saiten zupfst, möchte man meinen, du wärest eine Muse oder überbötest sogar die Musen.

L. 3, fol. E1a Möge der Kaiser selbst dich mit einem edelsteinbesetzten Halsband schmücken. Ich als Pfalzgraf verleihe dir den Lorbeer der Daphne, der dein Haar zieren wird.

Lied des PAULUS MELISSUS auf WESTONIA: Welche Laune der See hat dich von der Küste Britanniens nach Deutschland verschlagen und im schönen Böhmen sicher geborgen? Wo immer du auf deiner Wanderung deine hell schimmernden Füße hinsetztest, da war auch

L. 3, fol. E1b der Neunerchor des kastalischen Quells mitsamt seinem Anführer bei dir. Wer könnte deine Gaben alle beschreiben? O, glücklich die Ohren, die dein Saitenspiel und deine Stimme hören! Auch mich nimmt der Zauber deiner Gedichte gefangen. Gern wäre ich jetzt jung,

L. 3, fol. E2a um eine solche Dichterin umwerben zu dürfen. Du wärest mir dann, was Polla (Argentaria) dem Lucan, Elpis dem Boethius, Laura dem Petrarca und die vorzügliche Olympia (Fulvia Morata) ihrem Gruntler war. Besingen sollen Westonia Dichter, die sprachmächtig sind und das liebe Haupt von Angesicht sehen können. Ach, gäbe dir doch Juno Reichtum! Indes, Jana, was rede ich vom flüchtigen Reichtum? Was ist er wert, verglichen mit der Güte des Herzens und der Geistesbildung, die dich auszeichnen?

L. 3, fol. E2b Adlig aufgrund deiner Herkunft, wirst du durch deine Schriften noch weit berühmter und adliger werden. Wie gern möchte ich sie im Druck sehen, besorgt von Martin, veranlaßt von Pisnitz und Mai! Dich Himmelsstern will ich ehren. Nimm, Jungfrau, meine Verse als bleibendes Denkmal meiner Liebe.

Lied des PAULUS MELISSUS auf die Gedichte WESTONIAS: Arbeiten der Jungfrau Westonia, tretet unter meinem Beifall ans Licht.

L. 3, fol. E3a Euch werden die fleißigen Knaben lesen, und die aufgeweckten Jünglinge werden euch Tag und Nacht studieren. Selbst den vielbeschäftigten Kaiser wird es danach verlangen, euch durchzulesen. O du kenntnisreiche, kluge Elisa, genieße den Ruhm deines Namens und sammle deine übrigen Arbeiten, damit sie zur rechten Zeit im Druck erscheinen. Einen Triumph

L. 3, fol. E3b hast du schon errungen; ein zweiter wird folgen und dich berühmter machen, als es die Göttinnen sind.

Lied des PAULUS MELISSUS an GEORG MARTIN VON BALDHOFEN: Du bittest mich, die guten Gedichte der gelehrten Westonia zu empfehlen. Was an sich gut ist, empfiehlt sich selbst und bedarf keines Ausrufers. Die neun Musen, die drei Chariten, Pallas Athene und Peitho haben sich auf Westonia niedergelassen, um ihr dauernden Ruhm zu verleihen.

L. 3, fol. E4a Du, Martin, laß ihre Gedichte erscheinen, damit sie als Dichter bekannt wird. Wenn du vielleicht noch eine Gabe für die Jungfrau und ein Andenken von mir begehrst, dann kann das nichts anderes sein als der Dichterlorbeer.

GEORG MARTIN VON BALDHOFEN über WESTONIA an PAULUS MELISSUS: Du hast es übernommen, Westonias Gesang mit deinen Versen zu empfehlen, weil er es verdient.

L. 3, fol. E4b Es ist eine süße Pflicht der Ehre, Westonia, die selbst den delischen Gott zu ihrem Lobpreis anregt, ins Licht zu rücken. Sie saugt honigsüßen Nektar, versteht sich auf Gesang und Lautenspiel, atmet Duft und schmeckt nach honigsüßen Blüten. Sie hat Macht über wilde Tiere, über Bäume, Flüsse, Felsen und Winde.

L. 3, fol. E5a Auch der gütige Kaiser Rudolf wird die Bitten der Bedrängten erhören. Ihr Herz ist fester, als bei Frauen gewöhnlich, und beweist unter widrigen Umständen eine unerschütterliche Zuversicht. Mutter und Tochter tilgen die Spuren der Trauer. Die Mutter tröstet sich immer wieder am heiligen Abendmahl. Sie weiß, daß das Unglück als Prüfung von Gott kommt.

L. 3, fol. E5b Die Tochter spielt ihren Part, indem sie der süßen Leier heitere Weisen entlockt und aus voller Ader gefällige Gedichte hervorströmen läßt, womit sie die Nachfolger des Phoebus tief im Innern berührt. Das Gerede der Leute kümmert sie nicht. Das lehrt der traurige Stand der Witwen und Waisen. Möge ihre Geduld im Leiden dereinst gebührend belohnt werden.

L. 3, fol. E6a O adlige Jungfrau, deinem Dienst weihe ich mich ganz; dich will ich preisen. Doch wo treibst du mich hin, Muse? Höre auf mit dem ungewohnten hohen Ton! Ihn trägt der Schwan aus Franken vor, der über den Ruhm verfügt.

An WESTONIA, aus den kleinen Gedichten des Kaiserlichen Rats NICOLAUS MAI: Für deine Wünsche und dein gelehrtes Gedicht, liebe Elisa, danke ich dir mit Wunsch und Gedicht. Du darfst mir glauben, daß ich dein Dichten immer hoch schätzen und fördern werde. Vertraue auf Gott, übe Tugend, bitte Gott und fasse dich in Geduld.

L. 3, fol. E6b Jehova wird dir alles gewähren, was du brauchst.

NICOLAUS MAI an WESTONIA: Deine Klage über meine plötzliche Krankheit zeigt Mitgefühl und ist wahrer Tugend würdig. Beinahe wäre dein Mai zu den Schatten der Abgeschiedenen gegangen. Doch mit ärztlicher Hilfe hat er die Unterwelt bezwungen. Möge Jehova mich künftig so leiten, daß mein Tun ohne Makel ist. Du aber greife wieder frohen Muts zur Leier und besänftige mit deinem Lied das Schicksal.

NICOLAUS MAI auf das Porträt der WESTONIA: Die Jungfrau Westonia, die schöner ist als jedes Bild, ist hier von der geschickten Hand des Künstlers gemalt.

L. 3, fol. E7a Ihre Geistesgaben, Frömmigkeit, Tugend, Fleiß, Dichtkunst und jungfräuliche Sitten glänzen auch ohne Farbe. Durch ihr Dichten ist sie die zehnte Muse, durch ihr reines Herz die vierte Grazie.

JOHANNES Leon aus Eisenach, Rechtsanwalt am Kaiserlichen Hofgericht, an WESTONIA: Elisabeth, du bist eine große Zier Britanniens, geadelt durch die Schar der Musen, eine vierte Grazie und eine zweite Venus. Du verstehst fünf Sprachen und dichtest gewandt lateinische Verse. Dir schuldet die Parze günstige Sterne, damit die übrigen Mädchen, von deiner Kunst bestrickt, in Apolls Schule gehen wollen. Dieses Vermögen ist in deutschen Landen selten. Keine, oder vielleicht nur eine, kann sich im Dichten mit dir messen. Lebe also lange, werde berühmt und füge deinem angesehenen Geschlecht neuen Glanz hinzu. Ich prophezeie, daß dies alles eintreffen wird.

L. 3, fol. E7b Die Götter und die Ehre sind dir verpflichtet. Fehlt noch ein Wort zum Feste? Nimm, Elisabeth, statt der gewohnten Knoten diese Noten an und den Vers: "Mögest du diesen Tag noch oft erleben!"

DANIEL HEINSIUS aus Ghent an WESTONIA: Mein Dichten floß beschwingter als sonst dahin, und ich wußte nicht, warum. Es war meine Muse, die eilte, dir, dem Mädchen, zu gratulieren. Du läßt die Zahl der Musen nicht unverändert. Wer hätte gedacht, daß sie sich noch um Zeitgenossinnen vermehren könnten? Apoll, du hast eine zweite Schwester bekommen, und ich eine zweite Muse, die mein Dichten belebt.

L. 3, fol. E8a GEORG MARTIN VON BALDHOFEN an WESTONIA: Möge deiner Dichtung ein langes Nachleben beschieden sein! Dein Ruhm, der sich in Stadt und Hain verbreitet, dringt auch an mein Ohr und fordert mich auf, dir ein Gedicht zu widmen. Das Altertum führt Sappho an. Du jedoch übertriffst sie an Umfang der Verse. Wenn die Antike aber die Musen ins Feld führt, so daf man lachen: Umsonst werden sie als Göttinnen ausgegeben.

L. 3, fol. E8b Keine von ihnen habe ich jemals gesehen oder gehört. Und bist du etwa eine Göttin, du deutsche Engländerin? Nein; die Chariten, Musen und Liebesgöttinnen sind deine Dienerinnen, und du bist ihre Königin. Gedeihe weiterhin in dieser Rolle! Ich werde gern der getreue Herold deines Ruhmes sein.

GEORG MARTIN VON BALDHOFEN an WESTONIA: Deine Gedichte haben mich mir selbst entrückt. Wie beginne ich? Welche Musen rufe ich an? Wenn du, englische Venus, mich erwärmst, bist du mir Melpomene und Phoebus.

L. 3, fol. F1a Eine Göttin bist du, denn du sprichst aus der Ferne mit forttönenden Weisen zu mir, als wärest du mir nah, und entrückst mich in himmlische Höhen. Durch dich wird mir das Dichten, das sich mir zuvor versagte, leicht. Wenn du mich inspirierst, überrede ich türkische Feldherrn. Du hältst sogar den Blitz des erzürnten Jupiter mit der Überzeugungskraft deines Saitenspiels auf. Du allein wirkst solche Wunder auf Erden. Du übertriffst die Geistesstärke der Dichter und überwindest selbst die Macht Gottes. Dir ist die Zeit günstig und auch der Hof: Der überzeugenden Argumentation deiner Klage wird stattgegeben. Die Zeit wird kommen, da dein Ruhm überall ertönt. Da werde ich, dir zu dienen, die Laute schlagen und deinen Lobpreis weiter verbreiten.

GEORG MARTIN VON BALDHOFEN an WESTONIA: Elisabeth,

L. 3, fol. F1b neige meiner Bitte dein Ohr: Margarete wird mit ihrem Gefährten vor den Altar treten. Wenn du ihr ein Gedicht verehrst, brauche ich die Musen und Chariten nicht zu bemühen. Schicke also deine Verse uund erscheine auch selbst bei der Hochzeit. Ihr Götter! Gälte Elisas Vers mir und machte ich ihn mir zu eigen, würde ich glücklicher als ein König in die Heimat zurückkehren.

GEORG MARTIN VON BALDHOFEN auf das Porträt der WESTONIA: Halte es dem Künstler zugute, wenn Westonia hier nicht lebensgetreu wiedergegeben ist. Niemand konnte ihre Zunge malen, in der sich die Kraft der Rede mit Venus und den Chariten zeigt. Niemand konnte das Herz malen, in dem Frömmigkeit und Tugend mit Phoebus und den Musen wohnen. Alles ist bei ihr des Gottes voll. Kein Bild kann ein solches Wesen fassen.

L. 3, fol. F2a WESTONIA über sich selbst (von GEORG MARTIN VON BALDHOFEN): Zwei Nationen beanspruchen mich für sich, obgleich mir das neidische Schicksal selbst einen Wohnsitz nicht recht gönnt: England und Deutschland. Weil mein hartes Geschick mir das Leben erschwert, ist mein Fortleben im Gedicht geschmälert. Besser wäre es gewesen, niemals den Musen zu dienen, als dadurch das Leiden am eigenen Unglück zu vermehren. Doch es lohnt sich nicht, die Wechselfälle meines jammervollen Lebens aufzuzählen. Genug, daß sie meiner geistigen Leistung und dem Gang meines Lebens schaden. Daher wird selbst die mißgünstige Menge, die gerne mäkelt, meinem Leben ihre Nachsicht nicht versagen.

L. 3, fol. F2b GEORG CAROLIDES VON KARLSBERG an WESTONIA zur Herausgabe ihrer Gedichte (auf dem Krankenbett verfaßt): Wann immer ich dich sehe, wann immer ich deine eleganten und kraftvollen Gedichte lese, Elissa Westonia, denke ich erstaunt an dein Geschlecht – nicht etwa, weil es hiermit solche Leistungsfähigkeit beweist, denn euer Geschlecht ist von schneller Auffassung und Ausführung und übertrifft mit seinem Scharfsinn das männliche, sondern weil du jeden Tand verwirfst und den steilen, beschwerlichen Weg der Wissenschaft mit großem Mut und ganzer Kraft gehst. Das bezeugt dein Buch, das jetzt an das von Wolken des Kriegs getrübte Tageslicht tritt, um das Dunkel zu vertreiben und die Sterne wieder hell scheinen zu lassen. Glück zu auf deinem Wege, Buch, und erwirb dir den Ruhm, den du verdienst.

L. 3, fol. F3a LISTE GELEHRTER FRAUEN UND JUNGFRAUEN: Deborah, Minerva, Corinna (drei gelehrte Frauen dieses Namens), Erinna,

L. 3, fol. F3b Sappho, Aspasia, Cleobulina, Hypatia,

L. 3, fol. F4a Leontium, Praxilla, Phemonoe, Sosipatra, Theano, Zenobia,

L. 3, fol. F4b Manto, Nicostrata, Themistoclea, Istrina, Amalthea, Damophila, Lasthenia, Axiothea, Michaele Centaurea,

L. 3, fol. F5a Diotima, Aspasia (s.a. F3b), Themiste, Arete, Dama, Thargelia, Musca, Charixena, Maero, Agallis,

L. 3, fol. F5b Telesilla, Hipparchia, Cassandra, Luceja, Fabiola, Marcella,

L. 3, fol. F6aCornelia, Laelia, Hortensia, Liciniae (Töchter des L. Licinius Crassus), Muciae (Töchter des Q. Mucius Scaevola ‚Pontifex’?), Cornificia, Claudia (Gattin des Statius), Polla Argentaria (Gattin Lucans),

L. 3, fol. F6b Eustochium, Proba Valeria, Eudoxia, Catharina (Costi Alexandriae Regis filia), Joanna Anglica (die Päpstin),

L. 3, fol. F7a Alpaides, Anastasia, Genebria (Ginevra Nogarola), Constantia (Gattin von Alessandro Sforza),

L. 3, fol. F7b Baptista (Tochter der vorigen), Elisabeth (von Bingen), Baptista Malatesta (verh. Montefeltro), Isotta Nogarola, Cassandra Fedele (Porträt, Schriften),

L. 3, fol. F8a Olympia (Fulvia) Morata, Morelliae (die Schwestern Morel: Anna, Camilla, Lucretia), Anna Melanchthon (verh. Sabinus), Elisabeth Widebram (DBI+), Georgia Montana, Helena Maria Wacker von Wackenfels (DBI: 1597-1607), Catharina Albert (DBIoo), Elizabeth Jane Weston. – Finis.


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Mannheim, 30. April 2001