Custos, Dominicus:
Atrium heroicum Caesarum, regum, [...] imaginibus [...] illustr[atum]. Pars 1-4.
Augsburg: M. Manger, J. Praetorius, 1600-1602. 191 Bl.; 169 (von 171) Porträts. 30 x 19,5 cm



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Eine Porträtgalerie von Fürsten, Staatsmännern, Heerführern und Großkaufleuten des 16. Jahrhunderts bietet der Kupferstecher und Verleger Dominicus Custos in seinem "Atrium heroicum". Der Kupferstich erweist sich hier als das geeignete Mittel, lebensähnliche Porträts in hoher Auflage herzustellen und in der handlichen Form des Buches zu verbreiten.

Porträts berühmter Personen früherer Zeiten - von den Gestalten des Alten und Neuen Testaments über jene der profanen Geschichte des Altertums bis hin zu denen der jüngeren Vergangenheit - wurden von den Illustratoren der Frühdrucke, denen authentische Vorlagen fehlten, frei erfunden. Es störte niemand, wenn da verschiedene Personen durch ein und dasselbe typisierte Porträt repräsentiert wurden. Bald jedoch gaben die von Humanisten gesammelten antiken und mittelalterlichen Münzen Vorlagen für Herrscherporträts ab. Im Lauf des 16. Jahrhunderts gingen die Künstler vom Holzschnitt zur feineren Technik des Kupferstichs über. Nach den kleinformatigen Medaillen wurden nun auch Marmorbüsten und Gemälde als Vorlagen geschätzt und Zeichnungen eigens zu diesem Zweck angefertigt. Sie ermöglichten größere, genauere Darstellungen, wie sie dem Interesse der Zeit an der Biographie (P. Giovio, G. Vasari, N. Reusner, M. Adam) und dem Repräsentationsbedürfnis der Porträtierten bzw. ihrer Nachkommen entsprachen.

Diese Entwicklung vollzog sich zuerst in Italien, dann auch in Frankreich und den Niederlanden. Aus seiner Heimatstadt Antwerpen brachte Dominicus Custos (1550/60-1612) die hochentwickelte Kunst des Kupferstichporträts (eines Philipp Galle z.B.) nach Augsburg. In seiner Werkstatt arbeiteten seine Stiefsöhne Wolfgang und Lukas Kilian - der letztere (1579-1637) hat am "Atrium heroicum" bedeutenden (durch die Initialen L.K. gekennzeichneten) Anteil - und später auch drei eigene Söhne.

Das Gravieren in die Kupferplatte erfordert neben hohem handwerklichen Können und großer Geduld auch die künstlerische Fähigkeit, die zeichnerischen bzw. malerischen Ausdrucksmittel der Vorlage in graphische Formen umzusetzen. Von einer Kupferplatte können bis zu 400 Abzüge guter Qualität und nach einer Nachbearbeitung der Platte noch einmal so viele hergestellt werden - genug, um die damals übliche Auflagenhöhe eines Buchs zu errreichen.

Auftraggeber waren zumeist die Dargestellten selbst. Sie legten Wert auf die Ähnlichkeit des Porträts. So wurde von Zeichnern und Stechern (manchmal zeichnete der Stecher auch selbst: "delineavit et sculpsit") sehr genau gearbeitet. Vergröberungen ergaben sich gewöhnlich beim Nachstich, der wegen der großen Nachfrage immer häufiger wurde. Nachstiche sind selten mit Künstlernamen gezeichnet; die Aussage "nach dem Leben abgebildet" wurde hierbei oft von der Vorlage übernommen. Zumeist sind die Porträtierten im Halbprofil zu sehen, den Blick zum Betrachter gewandt. Wenn ihre Hände dargestellt werden, so ist das oft eine Zutat des Stechers, die nicht auf Beobachtung beruht. Rahmung, Inschriften und Beiwerk sind nur selten überladen. Die sachliche Schilderung dominiert.

Den erstaunlichen Umfang des in vier Teilen innerhalb von drei Jahren erschienenen "Atrium heroicum" konnte Custos nur durch den Rückgriff auf frühere eigene und fremde Kupferstiche erreichen. So verwertete er seine Porträtfolgen "Fuggerorum et Fuggerarum imagines" (1593) und "Tirolensium principum comitum eicones" (1599) erneut. Für manche der im "Atrium heroicum" so zahlreich vertretenen Persönlichkeiten vom Hof Kaiser Rudolfs II. in Prag dienten ihm Gemälde des Hofmalers Hans von Aachen (1551/52-1615) als Vorlage. Bei den Stichen ohne Künstlerangabe dürfte es sich um Nachstiche handeln. Einige Porträts weisen große Ähnlichkeit zu Einzelblättern des am Kaiserhof tätigen Kupferstechers Aegidius Sadeler d.J. (Antwerpen 1570 - Prag 1629) auf.

Die Kriterien für die Aufnahme in das "Atrium heroicum" waren nicht genau festgelegt. Der Titel erinnert an den römischen Brauch, im Repräsentationsraum des Patrizierhauses wächserne oder bronzene Gesichtsmasken der hervorragenden Ahnen aufzustellen, um die verpflichtende Erinnerung an deren Tugenden und Erfolge wachzuhalten. Custos berücksichtigt nicht nur verstorbene und hochverdiente Persönlichkeiten: Der siebzehnjährige Prinz Johann Georg von Sachsen ist auf der Rückkehr von seiner Kavalierstour in Italien 1602 durch Augsburg gekommen und hat sich von Custos porträtieren lassen. Auch die Zugehörigkeit zum Adel ist nicht Vorbedingung für die Aufnahme. Überwiegen auch die Zeitgenossen aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts, so sind doch nicht wenige ältere Personen bis hin zu Georg Castriota (Skanderbeg, 1405-1468) abgebildet.

Bemerkenswert ist der weite geographische Rahmen: Neben dem Kaiserreich sind viele andere europäische und sogar einige orientalische Staaten vertreten. Nicht minder kennzeichnend für die rudolfinische Ära ist der unparteiische Standpunkt, der sich in den gestochenen Bildunterschriften und den beigedruckten Epigrammen zeigt. Konfession und Nationalität der Porträtierten haben keinen Einfluß auf das Lob, das ihrer hohen Herkunft, ihrem edlen Charakter und ihren kraftvollen Taten gezollt wird. Lediglich die Türken, gegen die der Kaiser gerade einen großen Krieg führt, kommen schlecht weg. Marcus Henning aus Augsburg hat die sprachlich an Vergil angelehnten Verse verfaßt. Man kennt von ihm noch zwei historische Schriften, aber keine Lebensdaten. Vermutlich stammen auch die Widmungen und Einleitungen von ihm; denn die von Custos gestochenen Bildaufschriften lassen mit ihren orthographischen und grammatischen Schnitzern nicht auf gute Lateinkenntnisse des Künstlers schließen. Er hat auch den Titel entstellt: Statt "aliarumque summatum" müßte es "aliorumque summorum" heißen.

Das "Atrium heroicum" stellt ein würdiges Seitenstück zu dem kurz zuvor erschienenen großen Porträtwerk der Frankfurter Kupferstecher und Verleger de Bry dar, das vor allem Gelehrte vorstellte: Icones virorum illustrium doctrina et eruditione praestantium, hg. v. J.J. Boissard u. J.A. Lonicer, 1597-1599; 198 Porträts. Theodor de Bry (1528-1598) war wie D. Custos Flame; als Calvinist war er von Lüttich nach Frankfurt a.M. emigriert.

In dem hier reproduzierten Exemplar aus der Sammlung Desbillons fehlen 2 der 171 Porträts. Wir geben die Liste der abgebildeten Personen zunächst in der Folge der Vorlage und danach alphabetisch sortiert (in der Reihenfolge Vornamen - Familienname bzw. Adelsbezeichnung). Es ist uns nicht überall gelungen, die gebräuchlichen Namensformen und die Lebensdaten zu ermitteln. Wir bitten den geneigten Leser um Nachsicht und ggf. um freundliche Mitteilung!

Übersicht:


Porträts in alphabetischer Folge:

A, C, E, F, G, H, J, K, L, M, N, O, P, R, S, U, V, W, Z


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Mannheim, 30. Dezember 1996