Cereta, Laura:

Epistolae; iam primum e m[anu]s[criptis] in lucem productae a Iacobo Philippo Tomasino, qui eius vitam et notas addidit.

- Patavii: Sardi, 1640. - 18, 230, 10 S.; mit Porträtill.; 8
Signatur: Sch 071/276 Notation: L 532 D 114



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Epistolae; iam primum e m[anu]s[criptis] in lucem productae a Iacobo Philippo Tomasino, qui eius vitam et notas addidit. - Patavii: Sardi, 1640. - 18, 230, 10 S.; mit Porträtill.; 8 Signatur: Sch 071/276 Notation: L 532 D 114

Laura Cereta (auch: Cereto) wurde 1469 in Brescia als ältestes von 6 Kindern eines bürgerlichen Juristen und seiner aus dem Landadel stammenden Frau geboren. Mit 7 Jahren zur Erziehung in einen Konvent gegeben, wurde sie wenige Jahre später nach Hause zurückgeholt. Als Schülerin, Gehilfin und Sekretärin ihres Vaters eignete sie sich Kenntnisse aus den unterschiedlichsten Gebieten an. Ihre Studien, denen sie viele Nachtstunden opferte, reichten von der italienischen Literatur und der humanistischen Bildung bis hin zu Naturwissenschaft, Philosophie und Theologie. Ihr literarisches Werk, ein Corpus von 78 Briefen vermischten Inhalts und ein paradoxes Enkomium ("Dialog auf den Tod eines Esels"), schuf sie vor ihrem 20. Lebensjahr. Mit 15 Jahren wurde sie dem Handelsmann Pietro Serina vermählt, der 18 Monate später verstarb. Die junge, kinderlose Witwe scheint sich nach dem 1488 erfolgten Tod ihres Vaters zunehmend religiösen Betrachtungen und mildtätigen Werken zugewandt zu haben. Noch 1488 fertigte sie eine Reinschrift ihrer Texte an, von der bald auch Abschriften kursierten. Aus den 11 Lebensjahren, die ihr noch verblieben, sind keine weiteren Schriften erhalten.

Die Themen, die Cereta in ihren Briefen nach Humanistenart in lockerer Folge erörtert, sind Probleme der Bildung und der Wissenschaft, moralische und religiöse Fragen, politische und kriegerische Ereignisse, aber auch ihre persönlichen Verhältnisse und immer wieder die Benachteiligung und Herabsetzung der Frauen insbesondere im Bereich der Studien. Ihre lateinische Diktion strotzt von gesuchten Ausdrücken, scheut aber auch umgangssprachliche Wendungen nicht; die aufgehäuften Satzglieder werden von der syntaktischen Struktur oft kaum noch zusammengehalten. Ob all dies einen antiklassizistischen Stilwillen bezeugt, wie Diana Robin (s.u.) meint, oder aber ein sprachliches und gedankliches Unvermögen, die reichlich gewonnenen Lesefrüchte zu organisieren, wie M. Palma (s.u.) urteilt, kann nur durch eine eingehende Untersuchung des Stils geklärt werden.

Die Adressaten der Briefe sind z.T. aus der Kirchen- und Gelehrtengeschichte Brescias und der Region zwischen Venedig und Mailand bekannt, z.T. sind sie sonst nicht bezeugt oder offenkundig fiktiv (z.B. "Bibulus Sempronius", durch den sprechenden Namen als Säufer gekennzeichnet). Welche Resonanz die Schreiben Ceretas bei ihren Empfängern und bei einem Publikum fanden, das mittels Abschriften und vielleicht auch Lesungen an ihnen teilhatte, ist nicht bezeugt. Daß es Neider gab, die unterstellten, nicht Cereta selbst, sondern ihr Vater habe die Briefe verfaßt, ist aus Brief Nr. 38 zu entnehmen. Im Gegensatz zu der etwas älteren Cassandra Fedele (1469-1558), deren Schriften in Thematik und Diktion vollkommene Anpassung an die führenden Gesellschafts- und Bildungsschichten und "weibliche Zurückhaltung" bezeugen, erstaunt Cereta durch den weiten Radius ihrer Themen, die Gewagtheit ihrer Behauptungen und den Nonkonformismus ihres Stils. Ihr Auftreten kann als Widerspiel der allseits akzeptierten Erscheinung der virgo docta, wie Cassandra Fedele sie damals verkörperte, aufgefaßt werden, gewissermaßen als Provokation einer hauptstädtischen Kultfigur durch eine ungehobelte junge Frau aus der Provinz. Neuerdings hat Cereta in der amerikanischen Frauengeschichtsforschung große Beachtung gefunden. Sie wird als "renaissance feminist", als scharfsinnige und mutige Vertreterin weiblicher Interessen besonders im Bereich der Bildung gerühmt. Ein abschließendes Urteil ist jedoch nicht möglich, solange das Gewirr ihrer Texte, die jedem humanistischen Stilempfinden widersprechen, nicht gelichtet und die Intentionen der Autorin nicht überzeugend geklärt sind.

Weiterführende Literatur:

Inhalt:


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Heinz Kredel, E-mail: kredel@rz.uni-mannheim.de

Wolfgang Schibel, E-mail: Schibel@bib.uni-mannheim.de

Emir Zuljevic, E-mail: zuljevic@rummelplatz.uni-mannheim.de

Mannheim, 2. Juli 1999