Text and Translation submitted by Lothar Mundt.

 


Image

 

 


Image

 

AGRICULTURAE SACRAE LIBRI QUINQUE,

THOMA NAOGEORGO
Straubingensi autore.

 

Hoc scripto, Lector, non solum omnibus numeris absoluti Theologi expressam imaginem es habiturus, verum etiam quibus instructum doctrinis ac moribus imbutum ad omnem sanctissimi huius muneris exercitationem esse oporteat, plenissime cognosces.

 

BASILEAE.

 


 

GEISTLICHER LANDBAU
in fünf Büchern.

Von Thomas Naogeorgus aus Straubing.

 

Dieses Buch, Leser, wird dir nicht nur das anschauliche Abbild eines in jeder Hinsicht vollkommenen Theologen vor Augen führen, sondern dich auch in der umfassendsten Weise darüber unterrichten, in welchen Wissenschaften er ausgebildet sein muß und wie er seine Lebensführung einzurichten hat, damit er dieses hochheilige Amt uneingeschränkt auszuüben vermag.

 

Zu Basel.

 

Image

 



Image

 

<α2r>

CLARISSIMIS VIRIS, MAGISTRATUI ET Senatui Bernensi, Thomas Naogeorgus S.D.

Den hochansehnlichen Herren, der Obrigkeit und dem Rat zu Bern, sagt Thomas Naogeorgus seinen Gruß.

Quum intellexissem vestram Rempublicam non solum legibus et institutis, verum etiam sincera religione et sana doctrina esse ornatissimam, insuper quoque omnibus honestis florentissimam studiis, vix dicere queam, Clarissimi viri, quantum animo sim laetatus: atque hoc magis, quòd religionis verae adversariis, qui nunc omnem movent lapidem, quo CHRISTUM obscurent falsosque cultus reducant, nulla ex parte cedendum statueretis. Videlicet haec constantia est cognitae et perspectae veritatis, à qua nunc heu plerique vel timore vel dignitatum et favoris humani praemiis abducuntur, quo nec sceleratius quicquam nec ad impietates stabilien-

 

Ich vermöchte kaum zu sagen, hochansehnliche Herren, wie große Freude mein Herz erfüllte, als ich erfahren hatte, daß euer Gemeinwesen nicht nur mit Gesetzen und Einrichtungen, sondern auch mit der unverfälschten Religion und der reinen Lehre aufs vortrefflichste ausgestattet ist und darüber hinaus auch durch alle ehrbaren Studien in höchster Blüte steht – und meine Freude war um so größer, als ihr die Entschließung gefaßt habt, daß man vor den Feinden der wahren Religion, die heute nichts unversucht lassen, um Christus zu verdunkeln und falsche Kulte wieder einzuführen, in keinerlei Hinsicht zurückweichen dürfe. Dies bedeutet zweifellos Beharrlichkeit im Festhalten an der klar erkannten Wahrheit, von der sich heute, ach! die meisten Menschen entfernen, weil sie sich fürchten oder weil ihnen Belohnungen in Form von Ämtern oder eines menschlichen Gunsterweises winken – es gibt nichts, was frevelhafter wäre als ebendies, und nichts, was wirkungsvoller der Festigung


Image

 

<α2v> das efficacius esse potest. Quippe iuxta B. Petri sententiam melius fuerat veritatem nunquam cognovisse, quam verae pietatis semitam ingressos ullam ob rem veritatem repudiare et deserto Christo Satanae et superstitionibus adhaerere velle. Quid deinde adversarios cogitare aliud et facere convenit, quàm ut nos proditionis et levitatis arguant suisque erroribus magis atque magis blandiantur et implicentur. „Vae mundo propter offendicula”, inquit Christus. Quantae igitur virtutis sit quamque gloriosum, in tantis tempestatibus atque procellis, imò[1] naufragio multorum rectum tenere clavum et neque ventis neque undis cedere, nemo ignorat. Hanc ego vestrae Reip<ublicae>[2] gloriam pluris facio, quàm si amplam aliquam ditionem vestro adiunxissetis imperio, quòd terrena coelestibus et veritas (qui Christus est) mundo non possint comparari, ut terrena velis nolis relinquenda

 

gottlosen Wesens dienen könnte! Nach dem Ausspruch des heiligen Petrus wäre es freilich besser gewesen, sie hätten die Wahrheit niemals erkannt, statt daß sie, nachdem sie den Weg der wahren Frömmigkeit schon betreten haben, die Wahrheit aus irgendeinem Grund verschmähen und nach der Abkehr von Christus dem Satan und abergläubischen Gebräuchen anhängen wollen. Was sollten ferner unsere Feinde demzufolge anderes denken und tun, als uns des Verrats und der Charakterlosigkeit zu bezichtigen und sich in wachsendem Maße ob ihrer Irrtümer zu schmeicheln und sich in sie zu verwickeln? „Wehe der Welt der Ärgernisse halben!“ sagt Christus. Jeder weiß, was für ein großes Maß an Standhaftigkeit es mithin bedeutet und wie rühmlich es ist, in so starken Unwettern und Stürmen oder besser: angesichts des Schiffbruches vieler Menschen das Steuer gerade zu führen und weder Wind noch Wellen zu weichen. Diesen Ruhm eures Gemeinwesens schätze ich höher, als wenn ihr eurer Staatsmacht irgendeinen ausgedehnten Herrschaftsbereich angegliedert hättet – können doch die irdischen Dinge mit den himmlischen und die Wahrheit (sie ist Christus) mit der Welt insofern nicht gleichgesetzt werden, als man die irdischen Dinge, man mag wollen oder nicht, aufgeben


Image

 

<α3r> sint, Veritas autem maneat et conservetur[3] in aeternum. Macte ergo, viri Principes, hac virtute et constantia. „Sic itur ad astra“, quod ille in re aiebat longè dissimili et inferiore. Plurimum vobis debent, quicunque CHRISTUM IESUM amant atque colunt, praesertim verò populus vobis subiectus, quòd aliis circùm in tenebris versantibus ipse iucundissima Evangelii luce fruatur, idque vestra prudentia, consilio, autoritate, constantia summoque iam multis annis in Evangelium Dei studio. Gratulor igitur vobis Reipublicaeque vestrae toto pectore. Quumque cogitarem meum erga vos animum declarare, nihil occurrit, quàm ut praesens opusculum vobis inscriberem et dicarem, ut si ad posteros fortasse venturum esset, vestrum quoque simul gloriosum in Evangelio promovendo studium silentio non praeteriretur. Neque dubito, quin (qua estis humanitate praediti) hunc nostrum

 

muß, die Wahrheit aber bestehen bleibt und in Ewigkeit unbeschadet überdauert. Heil also, ihr regierenden Herren, dieser Standhaftigkeit und Beharrlichkeit! „So steigt man zu den Sternen auf!“ – wie der berühmte Dichter in einer kaum vergleichbaren und weitaus geringfügigeren Angelegenheit sagte. Alle Menschen, die Jesus Christus lieben und verehren, stehen aufs höchste in eurer Schuld, besonders aber eure Untertanen, da sie, während andere ringsumher im Finstern wandeln, selbst das köstlichste Licht des Evangeliums genießen, und dies dank eurer Klugheit, eurer weisen Planung, eures Ansehens, eurer Beharrlichkeit und eurer schon seit vielen Jahren bewiesenen hingebungsvollsten Liebe zur frohen Botschaft Gottes. So wünsche ich denn euch und eurem Gemeinwesen von ganzem Herzen Glück. Und da es meine Absicht war, meine Einstellung euch gegenüber in aller Deutlichkeit kundzutun, steht mir der Sinn einzig danach, das vorliegende bescheidene Werk euch zuzueignen und zu widmen, so daß, falls es möglicherweise auf die Nachwelt gelangen sollte, zugleich auch euer rühmliches Eintreten für die Ausbreitung des Evangeliums nicht stillschweigend übergangen würde. Ich habe auch keinen Zweifel, daß ihr, bei der euch eigenen Menschenfreundlichkeit, diese meine


Image

 

<α3v> laborem pariterque animum boni sitis consulturi. Dominus IESUS vos Remque vestram publicam diutissimè florentem conservet. Dat. Campiduni 1. Martii M. D. L.

 

Arbeit und ebenso auch meine Gesinnung wohlwollend aufnehmen werdet. Der Herr Jesus möge euch und euer Gemeinwesen für sehr lange Zeit in blühendem Zustand erhalten! – Gegeben zu Kempten, den 1. März 1550.

 


[1] minimo (in dem von uns verwendeten Wolfenbütteler Exemplar hsl. zu imò verbessert)   [2] Reip.   [3] conseruet  

Letzte Änderung: 15.12.2009

Valid HTML 4.01 Transitional